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15.12.07 / Gegen Blähungen ist ein Kraut gewachsen / Doch die Würz- und Heilpflanze Fenchel ist auch als entzündungshemmendes Augenbad oder als Hustenstiller begehrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-07 vom 15. Dezember 2007

Gegen Blähungen ist ein Kraut gewachsen
Doch die Würz- und Heilpflanze Fenchel ist auch als entzündungshemmendes Augenbad oder als Hustenstiller begehrt
von Anne Bahrs

Im Neuen Botanischen Garten in Hamburg herrscht eine wohltuende Ruhe. In der gepflegten Atmosphäre und Schönheit dieses nicht nur der Wissenschaft dienenden Gartens jubilieren Vogelstimmen, quaken Frösche, tummeln sich viele Schmetterlinge über der Frühlingswiese, und unzählige Bienen und Hummeln eilen von Blüte zu Blüte in der Sommerpracht.

Mich hat der Arzneipflanzengarten dieses Mal besonders gefesselt, denn da ich wegen einer allergiebedingten Bindehautentzündung und Hustenreiz mit Atemnot von meinem Arzt Fenchelwasser zu Augenbädern und -kompressen, auch Salbe und schleimlösenden Fencheltee und -honig angeraten bekam, bleibe ich lange vor dem Beet mit den großen, mich überragenden Fenchelpflanzen stehen, die über langgestielten, haarfein fiedrigen Blättern ihre Doldenschirme mit etlichen hundert kleinen, gelben Blüten in die Sonne strecken.

Und Bienen tummeln sich darin! Fenchelduft umgibt mich auch noch auf der nahen Bank. Hier lasse ich mich zur Rückschau und zum Wachtraum animieren: Hamburgs modernes botanisches Lehrinstitut, das nur 100 wichtige Heilkräuter, deren Wirksamkeit wissenschaftlich bewiesen ist, in diesen Arzneipflanzengarten aufnahm, hat dem Fenchel ein Beet eingerichtet. Die Eigenschaften des Foeniculum vulgare erklärt die beigefügte Tafel.

Die Erkenntnisse der griechischen Ärzte des Altertums Dioskurides (geb. zirka 50 n. Chr.) und Galen (129–199 n. Chr.) über diese Heilpflanze sind also auch heute nicht widerlegt durch die beweiskräftigen Forschungen unserer Wissenschaftler. Zwar können Augenbäder mit Fenchelwasser den Grauen Star nicht heilen, wie man lange annahm, doch die milde, entzündungshemmende Wirkung der Droge ist eine segensreiche Medizin für unsere Augen.

Der süße Duft des Fenchels erinnert mich an die Jahre meiner jungen Mutterschaft, da ich täglich Fencheltee trank, um möglichst lange und ausreichend stillen zu können.

Damit die Kleinen von sie manchmal quälenden Blähungen befreit wurden, bekamen sie Fencheltee ins Fläschchen. Der stillte auch den Durst in der Sommerhitze und beruhigte die Babies. Als meine Kinder Keuchhusten hatten, gab ich ihnen mehrmals täglich eine Teelöffelspitze Honig zu schlecken, den ich zuvor mit Fenchelöl vermischt hatte (5 EL Honig: 5 Tropfen Fenchelöl). Diese Medizin naschten sie mit Lust! Meine Schwiegermutter, die so gern abnehmen wollte, trank im Herbst einige Wochen lang tagtäglich drei Liter Fencheltee, den sie sich gewissenhaft einteilte, zu reduzierter Kost.

Sie fühlte sich wohl dabei, hatte vorübergehend auch deutlichen Erfolg durch die entwässernde Eigenschaft des Fenchels. Sie hatte gelesen, daß die olympischen Kämpfer im Alten Griechenland durch eine solche Kur auf die Spiele vorbereitet wurden. „Marathon“ oder „maraino“ nannten die Griechen den Fenchel: „Ich werde schlank!“

Beim Besuch des Klostergartens auf der Reichenau erfuhren wir, daß Abt Walahfrid Strabo (838–849) hier bereits Fenchel anbauen ließ und in seinen Aufzeichnungen die heilsame Wirkung dieser Droge beschrieb. Damals war also das Heil- und Würzkraut aus seiner Heimat, der Mittelmeerregion, bereits über die Alpen gekommen. Längst ist der Fenchel in West- und Mitteleuropa, Südafrika, Ostindien, China, Nord- und Südamerika sowie auf Neuseeland eingebürgert.

Foeniculum vulgare, der Butter- oder Wilde Fenchel, ist die Heilpflanze. Im Auftrage der sie verarbeitenden Firmen wird sie unter streng kontrollierten Bedingungen felderweit angebaut. Als Gewürz besonders begehrt ist der „Römische Fenchel“.

Er wird aber besonders aus Frankreich und Deutschland exportiert. Seine Früchte sind heller, größer, das heißt bis zu zwölf Millimeter lang und vier Millimeter breit, doch ebenfalls stark gerippt.

Da die Samen des Fenchel gemäß der Blütenentwicklung ungleichmäßig reifen, werden die frühen braunen Dolden zur ersten Ernte herausgeschnitten oder „gekämmt“.

Dieser „Kammfenchel“ gilt als besonders wertvoll. Nach der Reife werden die Fenchelfelder gemäht, die Früchte ausgedroschen.

Fenchel ist ein beliebtes Gewürz zu Suppen, Soßen und delikaten Fischgerichten. In England genießt man die Spezialität „Apple pie“, das ist eine Apfelpastete mit dem anisähnlichen Fenchelgeschmack.

Die Fenchelsaat läßt sich gut vermahlen, aber auch die ganzen Früchte verbinden sich mit dem Backmehl. Brote, Brötchen und Kuchen mit Fenchelzusatz sind ein geschätztes Angebot der Bäkker. In Italien bereitet man das Gemüsegericht „Finocchi“ aus den verdickten Stengeln einer besonderen Fenchelzüchtung. Diese „Fenchelknollen“ haben sich auch unsere Gemüsemärkte erobert. Das zarte Kraut soll erwähnt werden. Man nimmt es gern zum Garnieren und – fein gewiegt – als Würze zu Tomaten- und Kopfsalat.

Zur Geschmacksabrundung setzt man dem Branntwein nach besonderen Rezepten ein Fencheldestillat oder -mazerat zu (zum Beispiel Pernod, Mastika). Viele Liköre erhalten solches in kleiner Dosis.

Die Süßwarenbranche bietet außer Hustenbonbons mit dem uns vertrauten Geschmack auch allerlei Konfekt an, das durch den vielseitigen Fenchel zart gewürzt ist.

Zumeist werden die Früchte des Fenchels verwendet. Sie enthalten ätherisches und fettes Öl, Eiweiß und Zucker.

In diesem Arzneimittelgarten sind die Jungpflanzen jetzt etwa 30 Zentimeter hoch. Im nächsten Jahr werden sie die Höhe ihrer vorjährigen Geschwister erreichen und dann auch im Hochsommer ihre gelben Blütenschirme aufstecken. Das Spiel von Wachsen und Reifen hat seine hohe Zeit.


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