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22.12.07 / Ost-Deutsch (46): Büchse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-07 vom 22. Dezember 2007

Ost-Deutsch (46):
Büchse
von Wolf Oschlies

Im Moskauer Kreml steht noch die riesige Kanone, die Andrej Tschochov 1586 goß und ob ihrer majestätischen Maße Zar-Puschka (Kaiser-Kanone) taufte. Diese Puschka ist die deutsche „Büchse“, die sprachlich vom lateinischen Buxus (Buchsbaum) gepflückt wurde. Dessen Holz war für Gefäße aller Art gut, was sich sprachlich von „Sammelbüchse“ bis „Jagdbüchse“ wiederfindet, auch und gerade bei unseren Nachbarn im Osten.

Den Polen ist die „puszka“ ein Allzweckgefäß von „mala puszka koncentratu pomidorowego“ (kleine Büchse Tomatenmark) über „puszka piwa“ (Bierbüchse) bis „puszka Pandory“ (Büchse der Pandora). Vor 600 Jahren kannten Polen auch Donnerbüchsen, fein gestaffelt als „mala puszka“ (kleine Büchse, also Handfeuerwaffe) und „duza puszka“ (große Büchse, das heißt Artillerie). Bei Russen ist „puschka“ Synonym für Geschütz, ausgenommen „vozdusnaja puschka“ (Luftbüchse) und „tennisnaja puschka“, das Ballwurfgerät beim Tennis. Südslawen kennen „puschka“ nur als Gewehr, was 1941 der Sprachforscher Milos Trivunac in seinem Buch über deutsche Lehnwörter belegte. Daran hat sich nichts geändert, wie zum Beispiel das bulgarische Waffenarsenal bezeugt: von der historischen „kremyklija puschka“ (Steinschloß-Büchse) bis zur modernen „lovdshijska puschka“ (Jagdbüchse), „snajperova puschka“ (Gewehr für Scharfschützen) etc. In altbulgarischen Liedern war der Kampf erst vorbei, wenn „junakyt zachvarlil puschka“ (der Held die Büchse fortwarf).

Sprachhistorisch interessanter sind mazedonische Heldenlieder, weil die über Fortschritte der Büchsenmacher informieren. Fester Begriff in den Liedern ist die „puschka berdanka“, also das Berdan-Gewehr, ein von dem amerikanischen Offizier Hiram Berdan konstruierter Hinterlader, der 1870 Standardwaffe der russischen Armee wurde. Weltberühmt war ab 1885 das Mannlicher-Gewehr, erfunden von dem Österreicher Ferdinand Ritter von Mannlicher und bei Mazedoniern als „puschka manlichera“ oft besungen – samt Munition in der „patrondascha“ und anderen „deutschen“ Teilen.

Mir gefällt die Moskauer Zar-Puschka am besten: 40 Tonnen Gewicht, 890 Millimeter Kaliber, 5,34 Meter Länge, aber „nikogda ne streljaet Car-puschka“ – sie ist nie abgefeuert worden.


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