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22.12.07 / Der große Liebhaber ist wieder da / Neuer Roman erzählt »Vom Winde verweht« aus der Sicht von Rhett Butler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-07 vom 22. Dezember 2007

Der große Liebhaber ist wieder da
Neuer Roman erzählt »Vom Winde verweht« aus der Sicht von Rhett Butler
von A. Ney

Rhett Butler, der taffe, verwegene und charmante Südstaatler aus „Vom Winde verweht“ ist wieder da. Dieser Charakter, in der Verfilmung 1936 gespielt von Clark Gable, ist vielen Lesern und Zuschauern ein Rätsel geblieben. Ganz anders als die temperamentvolle Südstaatenschönheit Scarlett O’Hara, an die Rhett Butler schon gleich zu Beginn des zu Weltruhm gelangten Romanes „Vom Winde verweht“ sein Herz verlor. Was sie will und bewegt, weiß man immer. So will die verwöhnte Tochter reicher und einflußreicher Eltern, die stets ihr Herz auf der Zunge trägt, anfangs Ashley Wilkes, den Verlobten und späteren Mann ihrer besten Freundin Melanie Hamilton.

Doch wie erging es dem in Scarlett schwer verliebten Rhett Butler mit diesem Wissen?

Die Handlungen dieses emotional wie eine Auster verschlossenen Mannes hat der Leser in den bisherigen Romanen – außer Margaret Mitchells Roman „Vom Winde verweht“ aus dem Jahre 1936 erschien noch in den 90er Jahren der Roman „Scarlett“ von Alexandra Ripley – bereits kennengelernt, doch wie sieht es mit seinen Gefühlen aus? Hat Rhett Butler überhaupt Gefühle außer der Liebe zu Scarlett, die häufig eher einem reinen Besitzenwollen ähnelt? Und wie ist dieser stets distanzierte und coole Typ überhaupt aufgewachsen? Der Autor Donald McCaig gibt nun in dem als Auftragsarbeit der Mitchell-Erben verfaßten Roman „Rhett“ die Antwort.

Aufgewachsen unter der gestrengen Hand seines Vaters Langston Butler mußte Rhett bereits als junger Mann erkennen, daß man sich im Ernstfall nur auf sich selbst verlassen kann. Als sein Vater erkennt, daß er ihn nicht zu einem Abbild seiner Selbst machen kann, schickt er den rebellischen Jungen zu den Sklaven auf die Reisfelder und läßt ihn dort ebenso hart arbeiten. Rhetts Zähigkeit und sein starker Wille zu kämpfen haben demnach bereits in seiner Kindheit ihren Ursprung.

Doch auch wenn McCaig in „Rhett“ viele unserer Fragen bezüglich des Mythos Rhett Butler beantwortet, so ist diese Tatsache als ein „zweischneidiges Schwert“ anzusehen, da Rhett Butler an dem, was er an Menschlichkeit für den Leser dazugewinnt, auf der anderen Seite an Zauber verliert.

McCaig schreibt deutlich moderner, die Schönheit und Zartheit der Ausdrucksweise in Margaret Mitchells „Vom Winde verweht“ sollte der Leser demnach nicht voraussetzen. Auch sind manche Sachverhalte leicht abgeändert, was dem Roman aber im Gesamtbild keinen Abbruch tut.

Die großen Momente, zum Beispiel als Scarlett Ashley Wilkes ihre Liebe gesteht, während Rhett unbeachtet auf der Chaiselounge liegt und lauscht, oder der Moment, als das Sklavenmädchen Prissy Rhett mitteilt, daß Scarlett seine Hilfe braucht und er mit ihr und Melanie auf einem alten Fuhrwerk der brennenden Stadt Atlanta entflieht, sind jedoch unverändert.

„Als Rhett vorfuhr, gab es eine ohrenbetäubende Explosion. Eine Hand schützend über die Augen gelegt, trat Scarlett vors Haus ... Während Bruchstücke auf die Straße fielen und Flammen in den Himmel züngelten, tippte sich Rhett Butler an den Hut. ,Guten Abend. Schönes Wetter heute. Wie ich höre, wollen Sie einen Ausflug unternehmen.‘ ,Rhett Butler, wenn Sie jetzt Scherze machen, werde ich nie wieder mit Ihnen reden.‘ Rhett war trotz Feuer, Detonationen und der Invasion der Yankees glücklich wie ein Schuljunge. Wie ihre grünen Augen blitzten! ,Wohin wollen Sie überhaupt?‘ ,Nach Hause‘, sagte sie. ,Nach Hause? Sie meinen Tara?‘ ,Ja, ja! Nach Tara! Oh Rhett, wir müssen uns beeilen!‘ ... Sanft berührte er ihr Haar. ,Na, na, Schätzchen‘, sagte er leise. ,Nicht weinen. Du sollst ja nach Hause, mein tapferes kleines Mädchen. Du sollst nach Hause. Nicht weinen.‘“

Nahezu zeitgleich zur Herausgabe des Romans „Rhett“ ist im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater das Stück „Mondlicht und Magnolien“ (siehe Artikel unten) angelaufen.

Das Stück, das von der Entstehung des Drehbuches zu „Vom Winde verweht“ vom Filmproduzenten David O. Selznick handelt, greift einige Szenen auf, die auch in „Rhett“ wiederzufinden sind. So zum Beispiel die Angewohnheit Scarletts, alles Unangenehme immer nur als „dummes Gerede“ abzutun, um sich ihre eigenen Fehltritte nicht eingestehen zu müssen.

Auch die Problematik um die eigenwilligen und kapriziösen Schauspieler Vivian Leigh in der Rolle der Scarlett O‘Hara und Clark Gable in der Rolle des Rhett Butler kommt hier deutlich zum Vorschein.

Donald McCaig hat mit „Rhett“ an das Südstaatenepos „Vom Winde verweht“ nicht nur angeknüpft, sondern noch weitere Geschichten drumherumgesponnen. Zum Beispiel die von Rhetts jüngerer Schwester Rosemary. Die verblüffende Ähnlichkeit manch ihrer Charakterzüge zu denen von Scarlett stößt dem Leser allerdings etwas bitter auf.

Ein großer Roman, bei dem jedoch stellenweise der Eindruck entsteht, daß McCaig durch die Rahmenhandlung von Margaret Mitchels Bestseller nahezu hindurchhetzt, um zum Ende zu gelangen.

Die Frage aller Fragen bleibt für den Leser bis zum Schluß offen: Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?

Donald McCaig: „Rhett“, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007, geb., 638 Seiten, 23 Euro


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