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22.12.07 / Die verschlungenen Wege des Sebastian Haffner / Der vor 100 Jahren geborene erklärte Preuße war nacheinander bürgerlicher Hitlergegner, strammer Antikommunist und Linker

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-07 vom 22. Dezember 2007

Die verschlungenen Wege des Sebastian Haffner
Der vor 100 Jahren geborene erklärte Preuße war nacheinander bürgerlicher Hitlergegner, strammer Antikommunist und Linker
von Klaus Gröbig

Raimund Pretzel kam am 27. Dezember 1907 in Berlin-Prenzlauer Berg zur Welt. Er entstammte dem Bildungsbürgertum. Sein Vater war Schuldirektor und Raimund machte wie sein Bruder Ulrich Abitur und studierte dann. Der junge Jurist trat in den Staatsdienst ein, schied dort aber 1933 aus Protest gegen die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wieder aus und wurde als Anwalt tätig. 1936 verlobte er sich mit der Jüdin Erika Landry. Bald danach wurde er Journalist und emigrierte 1938 nach Großbritannien, wo seine Verlobte bereits lebte. Um seine in Deutschland zurückgebliebene Familie nicht zu gefährden, legte er sich dort den „Künstlernamen“ Sebastian Haffner zu, wobei der Vorname von Johann Sebastian Bach kommt und der Nachname von Wolfgang Amadeus Mozarts Haffner-Sinfonie. Dieses Pseudonym behielt er auch nach dem Ende der NS-Herrschaft bis zu seinem Tode bei. Zunächst war er für eine deutsche Exilzeitung tätig, aber schon bald konnte er für den renommierten „Observer“ arbeiten, wo er großen Einfluß auf die Redaktion gewann. Nach dem Krieg, 1954, schickte ihn der „Observer“ als Deutschlandkorrespondenten in seine alte Heimat. 1961 wechselte er zum Springerkonzern, für dessen „Welt“ er bis 1962 schrieb. Anschließend hatte er bei der Illustrierten „Stern“ eine regelmäßige Kolumne. Auch in der vom heutigen PAZ-Autoren Klaus Rainer Röhl herausgegebenen Linkspostille „Konkret“ publizierte er. Der 68er Bewegung stand er freundlich gesinnt gegenüber. Bei Werner Höfers „Internationalem Frühschoppen“ war er Dauergast. 1966 schrieb er, „wenn es in der BRD je wieder Hunderttausende von Arbeitslosen geben sollte, wären sie nicht wehrlos wie in England, sondern sie hätten einen Ausweg. Sie könnten in die ,DDR‘ gehen, wo man jeden Mann und jede Frau gebrauchen könne.“ Damit hatte Haffner eine interessante politische Wanderung begonnen. Vom bürgerlichen Hitlergegner hatte er sich in den 50er Jahren zum strammen Antikommunisten weiterentwickelt, um Mitte der 60er Jahre zum Linken zu mutieren.

Von dort aus ruderte er dann behäbig zurück – in die preußische Richtung. Wegbegleiter dabei war der ebenfalls von Links gekommene Schriftsteller und Publizist Wolfgang Venohr. Licht und Schatten sind bei einem solch streitbaren Mann, der für sich das Recht in Anspruch nahm, sich eine eigene Meinung zu leisten, nur allzu natürlich. Seine Churchill-Biographie aus dem Jahre 1967 verschaffte ihm hohes Ansehen, sein Meisterwerk aber waren sicherlich die 1978 erschienenen „Anmerkungen zu Hitler“. Sie zeichneten sich durch große Sachlichkeit und Fachkenntnis aus. Manche Kapitel des Buches müßten heute eigentlich den Verfassungsschutz auf den Plan rufen – Haffner verzichtet darauf, Hitler zu dämonisieren und hat in gesonderten Kapiteln „Leistungen“ und „Erfolge“ neben „Verbrechen“ und „Fehlschlägen“ aufgelistet.

Zum Unverständnis seiner linken Bewunderer qualifizierte er sich selbst als „Preuße“. Für seinen Freund Venohr und den deutschen Historiker jüdischen Glaubens Hans Joachim Schoeps war der 20. Juli 1944 der Höhepunkt und das Ende Preußens. Haffner war anderer Meinung. Für ihn endete Preußen mit der Reichsgründung am 30. Januar 1871. Ob das 1978 erschienene, von vielen Kulturschreibern der Zeitungen hochgelobte Buch „Preußen ohne Legende“ tatsächlich zu seinen großen Werken zählen kann, sei dahingestellt. Immerhin schrieb er dort: „Das Preußen des 18. Jahrhunderts war fortschrittlich, kriegerisch und freigeistig gewesen, ein Staat der Aufklärung“ und weiter: „Friedrich der Große war keineswegs skrupelloser als andere Herrscher seiner Zeit; als Zyniker unterschied er sich jedoch von ihnen dadurch, daß er diese seine Skrupellosigkeit nicht zu bemänteln versuchte, sondern sie offen zur Schau trug.“

1980 brachte er mit Wolfgang Venohr das Buch „Preußische Profile“ heraus. Es ist eine kritische Liebeserklärung beider an den von den Siegern per Dekret aufgelösten Staat. Damit schloß Haffner seine große politische Wanderung zwischen den Welten ab. Er starb im Berliner Nobelvorort Dahlem am 2. Januar 1999 im Alter von 91 Jahren.


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