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05.01.08 / Zum Geleit: Schicksalsfragen / Wilhelm von Gottberg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Zum Geleit:
Schicksalsfragen
von Wilhelm v. Gottberg

Was bringt uns das Jahr 2008, fragen sich zahlreiche Menschen dieser Tage in den bundesdeutschen Landen. Hoffnungen, Wünsche, Erwartungen werden geäußert oder auch nur gedanklich bewegt. Wie wird die Jahresbilanz 2008 für den einzelnen ausfallen? So viel ist sicher, die entscheidende Frage für das Jahr 2008 wird die soziale Frage sein. Sie ist eingebettet in die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft.

Auch die fünf Wirtschaftsweisen können nicht sicher prognostizieren, ob die Konjunktur stabil bleibt, in 2008 ein nennenswertes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen sein wird, der Abbau der Arbeitslosigkeit noch ein wenig weitergehen wird. Im Zeitalter der Globalisierung können Wirtschafts- und Währungskrisen in Fernost oder auf dem amerikanischen Kontinent gravierend auf den europäischen Markt durchschlagen.

Die gestellten Fragen sind entscheidend für das soziale Klima im kommenden Jahr in Deutschland. Der Zustand des bundesdeutschen verfassungsrechtlich abgesicherten Sozialstaates wird die Bundestagswahl 2009 entscheiden. Erhöht sich erneut die Arbeitslosigkeit, fallen noch mehr Menschen auf das Existenzminimum Hartz IV zurück, wäre das ein „Wahl-Konjunkturprogramm“ für die Postkommunisten vom linken Rand.

Doch auch wenn die Wirtschaftsweisen mit ihrer Prognose für 2008, vermutlich fast zwei Prozent Wirtschaftswachstum und nochmals ein geringer Rückgang der Arbeitslosigkeit, richtigliegen, bleibt die soziale Frage das wichtigste politische Thema. Es gibt in Deutschland wieder Hunderttausende Menschen, die in Armut leben müssen. Gravierende Bedürftigkeit hat es im Nachkriegsdeutschland im Einzelfall immer gegeben, als Massenproblem war Armut seit Beginn der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts kein Thema in dieser Republik. Nun sind die guten Jahrzehnte vorbei, die auch nur unter Inkaufnahme einer unverantwortlichen Verschuldung und der Ruinierung der sozialen Sicherungssysteme gut waren. Mit der Agenda 2010 aus dem Jahr 2002 begann die Regierung umzusteuern. Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe erbrachte für die Arbeitslosen nach einer Übergangszeit die Existenzsicherung auf Sozialhilfeniveau (Grundsicherung durch Hartz IV).

Das wirtschaftliche Problem der Hartz-IV-Empfänger liegt in der Teuerung begründet. Der Preisschock auf dem Energiesektor, die deutlich gestiegenen Lebensmittelpreise, der durch den Gesetzgeber verursachte Anstieg der Versicherungsprämien, generell der Euro als Teuro, das alles wurde bisher nicht adäquat vom Gesetzgeber durch eine finanzielle Erhöhung der Grundsicherung ausgeglichen. In der gleichen Lage sind die Empfänger von Klein- und Kleinstrenten. Von 2002 bis 2006 gab es nur Null-Runden bei den Renten, die lächerlich geringe Erhöhung in 2007 verdient nicht Rentenerhöhung genannt zu werden.

In zahlreichen Städten haben sich karitative Hilfsgemeinschaften gebildet, die über die Einrichtung einer so genannten „Tafel“ einmal wöchentlich kostenlos Lebensmittel an Bedürftige abgeben. Bei Ganztagsschulen – sie werden zunehmend mehr eingerichtet – wird Mittagessen gegen Bezahlung ausgegeben. Die Landesregierungen sehen sich gezwungen, Zuschüsse zum Mittagessen vieler Schüler zu gewähren, weil Sorgeberechtigte mit Hartz-IV-Einkommen für ihre Kinder die Kosten des Essens nicht bereitstellen können.

Über zwei Millionen Kinder leben in Armut, das heißt in Haushalten mit Sozialhilfeeinkommen, war erst vor wenigen Tagen eine innenpolitische Schlagzeile. In der deutschen Hauptstadt Berlin leben 42 Prozent aller Kinder in Haushalten mit Einkommen aus staatlichen Transferleistungen. Vor diesem Hintergrund bewilligten sich die Abgeordneten des deutschen Bundestages eine neunprozentige Einkommenserhöhung.

Man mag es drehen und wenden wie man will, die soziale Kälte ist in dieser Republik auf dem Vormarsch, obwohl wir ein Heer von Sozialarbeitern durch die öffentliche Hand beschäftigen. Was hält die Menschen in Deutschland noch zusammen? Diese Frage wird sich verstärkt dann stellen, wenn die Zahl der Arbeitslosen wieder ansteigt. Die Wiederkehr des Klassenkampfes der Weimarer Zeit scheint möglich. Die Postkommunisten verweisen heute schon auf angeblich zwölf Billionen Euro, die auf den Privatkonten der Vermögenden liegen. Der Zusammenhalt des deutschen Volkes wird in Krisenzeiten schwierig zu gewährleisten sein, weil wir nicht mehr eine Volksgemeinschaft sein wollen oder sollen, sondern eine Gesellschaft. Eine Gesellschaft aber besteht aus Einzelindividuen, in der Einzel- beziehungsweise Gruppeninteressen verfolgt werden.

Neben der sozialen Frage hat die nationale Frage für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands Bedeutung. Die Preußische Allgemeine Zeitung wird von Ostpreußen getragen und verantwortet. Die Landsmannschaft Ostpreußen hat sich seit ihrer Gründung vor 60 Jahren immer auch als nationales Gewissen des deutschen Volkes verstanden. Die PAZ hat immer auch Aspekte der nationalen Identität thematisch behandelt. Die Ostpreußen wie alle Ostdeutschen haben zur Kenntnis nehmen müssen, daß durch Willkür der Siegermächte mehr als ein Viertel Deutschlands den Nachbarn im Osten zugeschlagen wurde. Das ist nun Geschichte, denn es geschah vor fast 63 Jahren.

Gott sei es gedankt, die Teilung Restdeutschlands ist seit 1990 überwunden. Es waren die vertriebenen Ostdeutschen, die den Gedanken an die Einheit wachgehalten haben, nicht die Einheimischen der Altbundesrepublik. Freilich hatten die Vertriebenen eine andere deutsche Einheit im Sinn. Das schmälert nicht ihre Verdienste am Zustandekommen der kleinen Wiedervereinigung.

Fast zwei Drittel Ostpreußens gehören nun zur Europäischen Union. Das gilt auch für Hinterpommern, Danzig, Schlesien, Ostbrandenburg und das Sudetenland. Natürlich auch für Westpreußen, das schon 1919 durch das Versailler Diktat vom Reich abgetrennt wurde. Die früheren Ostprovinzen – ausgenommen Königsberg – können heute ohne bürokratische Hürden besucht werden. Im Rahmen der Freizügigkeit im EU-Gebiet besteht auch Niederlassungsfreiheit. Das ist noch nicht die Realisierung des Rechtes auf die Heimat, aber doch eine erfreuliche Entwicklung. Das grenzenlose Schengengebiet wird nicht ohne Wirkung auf die russische Ostpreußenexklave Königsberg bleiben. Für die Nachgeborenen der Vertriebenen und für alle deutschen Patrioten wird damit die Zäsur von 1945 ein wenig erträglicher.

62 Jahre nach Kriegsende werden verstärkt Bemühungen unternommen, die kulturellen Schäden des Krieges und der sozialistischen Nachkriegszeit zu beseitigen. Die Frauenkirche in Dresden ist wiedererstanden und wird zur Ehre Gottes genutzt. Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses mit zeitgerechter Nutzungsmöglichkeit ist beschlossen. Gleiches gilt für das Äußere des Potsdamer Stadtschlosses. Das im Krieg ausgebrannte Schloß – Zeugnis Knobelsdorff’scher Baukunst – hatten die SED-Machthaber 1960 in barbarischer Mißachtung der preußischen Geschichte sprengen lassen. Nun wird es äußerlich wiedererstehen, und dem brandenburgischen Landtag als Domizil dienen.

Auch die Potsdamer Garnisonkirche wird wieder erstehen, wenn gewährleistet ist, daß sie ausschließlich zur Verkündigung des Wortes Gottes und zu seiner Ehre genutzt wird. So hatte es der Erbauer der Kirche, der Soldatenkönig, einst bestimmt. So wird es geschehen, wann auch immer. Die Rückbesinnung hat begonnen und sie wird durch eine geschichtsvergessene ev. Landeskirche Berlin-Brandenburg nicht aufgehalten werden. Dem „Üb immer Treu und Redlichkeit“ sind auch heute zahlreiche Menschen verpflichtet. Im langsamen Pendelschlag der Geschichte schlägt das nach dem Krieg extrem weit zur Geschichtsvergessenheit ausgeschlagene Pendel zur Mitte, zur Normalität, zurück.

Von der preußischen Residenzstadt Potsdam aus sind zahlreiche Dekrete, Anordnungen und Beschlüsse für die Preußen und Ostpreußen ergangen. Das letzte Dekret aus Potsdam war das Potsdamer Protokoll, Ergebnis der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis

2. August 1945. Haß und Vernichtungswille gegen das besiegte Deutschland hatte beim Potsdamer Protokoll die Feder geführt. Es wäre normal, wenn dieses Detail der deutschen Geschichte offen thematisiert würde, und ein Indiz dafür, daß die Deutschen wieder den aufrechten Gang benutzen.

Es bleibt die Frage, was uns in der Not zusammenhält. Die Freude und der Stolz, der großen Kulturnation Deutschland mit ihrer zwölfhundertjährigen Geschichte anzugehören, sind gemeinschaftsfördernd und identitätsstiftend. Sie dürfen nicht als Deutschtümelei oder rechtsextreme Ideologie diffamiert werden. Der zwölfjährige Zivilisationsbruch der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert macht diese Aussage nicht ungültig. Darüber hinaus waren die jahrhundertealten christlichen Glaubensüberzeugungen unserer Vorfahren in Notzeiten ein zusammenhaltendes Band. Millionen Landsleute haben derzeit mit dem biblischen Glauben gebrochen. Es ist zu wünschen, daß es auch hier zu einer Rückbesinnung kommt. Das Beispiel Rußland gibt Hoffnung: Nach über 70 Jahren staatlich verordnetem Atheismus – ebenfalls ein Zivilisationsbruch – werden dort wieder Kirchen gebaut. Das russisch-orthodoxe Christentum ist neu erwacht.


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