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05.01.08 / Die Politik macht die Zeit / Wer bestimmt, wie spät es gerade ist?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Die Politik macht die Zeit
Wer bestimmt, wie spät es gerade ist?
von Hans Heckel

Die Zeit scheint etwas Unverrückbares zu sein: Niemand kann sie aufhalten, niemand sie beschleunigen. Ebenso gnadenlos unveränderlich erscheinen uns die Zeiteinheiten wie Sekunde, Stunde, Tag und Jahr.

Ein Irrtum: Jahrtausende hat es gedauert, bis die genaue Länge einer Sekunde, der Basiseinheit unserer Zeitrechnung, genau bestimmt werden konnte. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts orientierte sich die Wissenschaft an der Erdumdrehung, der so ermittelte Sonnentag dauert etwa 84600 Sekunden.

Doch die Erde dreht sich nicht immer gleich schnell, sondern seit Jahrmillionen immer langsamer. Eine absolut exakte Berechnung der Sekunde ist anhand der Erdumdrehung also gar nicht möglich.

So wurde der Sekunde im Jahre 1967 eine internationale Berechung zugrundegelegt, die sich an der Atomuhr orientiert (siehe Kasten). Die von der Atomuhr ermittelte Sekunde ist stabil und etwas kürzer als die eines mittleren Sonnentages. In den vergangenen 50 Jahren ist bereits eine Differenz von 33 Sekunden aufgelaufen, sprich: Die Atomuhr geht, verglichen mit einer an der Sonne orientierten Uhr um 33 Sekunden vor.

Die zentrale Atomuhr für Deutschland steht bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Von dort aus werden sämtliche Funkuhren zentral per Funk gesteuert, so beispielsweise alle Bahnhofsuhren.

Aus der Differenz zwischen Atomzeit und Sonnenzeit ergibt sich allerdings ein Problem: Der Rhythmus der Menschen orientiert sich wie eh und je an der Sonne, nicht an physikalischen Formeln. Ohne Angleichung der Sonnen- und der offiziellen, von der Atomuhr ermittelten Zeit würde der Abstand zwischen beiden stetig weiter wachsen.

Das ist dem Gesetzgeber natürlich nicht verborgen geblieben. Welche Zeit die gültige ist, regelt in Deutschland daher ein eigens erlassenes „Zeitgesetz“ aus dem Jahre 1978. Darin wird festgelegt, daß die offizielle (Atom-)Zeit und die Sonnenzeit nie mehr als eine Sekunde von einander abweichen dürfen.

Praktisch funktioniert die Angleichung ebenso wie die Regel mit den Schaltjahren: Bekanntlich umfaßt ein Sonnenjahr rund 365,25 Tage, weshalb, wie gerade wieder 2008, alle vier Jahre ein 29. Februar eingefügt wird.

Die Angleichung der Uhrzeiten läuft über das Einfügen von Schaltsekunden, zuletzt in der Nacht zum 1. Januar 2006. Damals wurde die Atomuhr der PTB um eine Sekunde vorgestellt, zuvor war dies das letzte mal 1999 nötig geworden. Wann die nächste Schaltsekunde erforderlich sein wird, ist noch nicht genau absehbar.

Klar ist also: Die Bestimmung der Zeit ergibt sich nicht von selbst, sonst muß, gestützt auf ein Gesetz, regelmäßig nachjustiert werden.

Während wir jedoch von der Schaltsekunde im Grunde nichts mitbekommen, ist die Macht des Gesetzgebers über die Zeitbestimmung für jedermann spürbar spätestens seit Einführung der Sommerzeit.

Das 1980 eingeführte Vorstellen der Uhren zwischen dem letzten Sonntag im März und dem letzten im September, seit 1996 bis zum letzten Oktober-Sonntag, ist bis heute umstritten, Umfragen zufolge ist die Zustimmung zur halbjährlichen Zeitumstellung sogar rückläufig.

Begründet wurde die Zeitumstellung offiziell damit, daß so Energie eingespart würde: In den frühen Morgenstunden schliefen die meisten Menschen, weshalb die eine Stunde längere Dunkelheit keinen zusätzlichen Stromverbrauch verursache. Abends jedoch seinen fast alle noch wach und müßten ihre Lampen erst eine Stunde später einschalten.

Als der Bundestag die Einführung der Sommerzeit 1979 für das Folgejahr beschloß, lagen indes längst Studien aus den USA vor, die nachwiesen, daß der Einspareffekt von Elektrizität so minimal sei, daß er den notwendigen Aufwand für die Umstellung kaum rechtfertige.

Somit ist die Sommerzeit auch eher ein Beleg dafür, wie „politisch“ Zeit und ihre Bestimmung sein können. Zunächst hatten die meisten westlichen Nachbarn der Bundesrepublik bereits 1977 eine sommerliche Zeitumstellung beschlossen, es ging also um Angleichung.

Viel entscheidender als die Harmonisierung der Uhrzeiten mit Westeuropa aber war für Bonn, daß die DDR für das Jahr 1980 die Einführung einer Sommerzeit bereits beschlossen hatte. Hätte die Bundesrepublik nicht nachgezogen, wäre Deutschland – und damit auch die damals geteilte Hauptstadt Berlin – auch uhrzeitlich geteilt worden. Dies sollte unbedingt vermieden werden.

Das Argument, die Sommerzeit widerspreche der „natürlichen“ Sonnenzeit, greift im Unterschied zur Klage über manche Schwierigkeiten bei der Umstellung nicht. Die Zeitzonen sind ohnehin ebenfalls politisch beschlossen, weshalb die offizielle Uhrzeit von der sonnenorientierten, natürlichen Tageszeit mancherorts erheblich abweicht.

Nur am 15. Längengrad, der durch Stargard in Hinterpommern und Görlitz verläuft, erreicht die Sonne den Winter über tatsächlich um genau 12 Uhr mittags ihr höchsten Stand. Im Westen Deutschlands tut sie dies erst 36 Minuten später, im westspanischen Galicien, dem äußersten Winkel der mitteleuropäischen Zeitzone, gar erst 97 Minuten danach. Auch hier zeigt sich: Unsere Zeit ist höchstens mittelbar von der Natur vorgegeben. Sie ist das Ergebnis politischer Beschlüsse, die sich nur in etwa an den natürlichen Abläufen orientieren.

Foto: Zeit: Die Umstellung auf Winter- und Sommerzeit bleibt umstritten.

 

Zeitzeugen

Hugo Chavez – Der venezolanische Präsident wollte in seinem Land die Uhren um eine halbe Stunde vorstellen, um die Helligkeit besser ausnutzen zu könne. In einem Referendum wurde dem Vorschlag des Staatspräsidenten jedoch eine Abfuhr erteilt.

Ptolomaios III. – Der Sohn von König Ptolomaios’ II. kam um das Jahr 284 v. Chr. zur Welt und stand ab 246 bis zu seinem Tode 221 als Pharao an der Spitze Ägyptens. Unter seiner Regierung wies das Ptolemäerreich seine größte Machtentfaltung auf. Doch auch auf anderem Gebiete vollbrachte er Bemerkenswertes. So machte er sich um die Weiterentwicklung des ägyptischen Kalenders verdient, indem er im Jahr 237 v. Chr. gegen den Widerstand der Priesterschaft den alle vier Jahre sich wiederholenden Schalttag einführte. Nach seinem Tod wurde jedoch dieser Fortschritt wieder rückgängig gemacht.

Julius Cäsar – Der römische Staatsmann, Feldherr und Autor kam 100 v. Chr. in Rom zur Welt und wurde ebendort an den Iden des März 44 v. Chr. von einer Gruppe Senatoren um Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus während einer Senatssitzung im Theater des Pompeius mit 23 Dolchstichen getötet. Er führte den nach ihm benannten Julianische Kalender ein, der in manchen Teilen der Welt noch weit bis ins 20. Jahrhundert gültig war und im kirchlichen Bereich teilweise noch bis heute Gültigkeit hat.

Johann Carl Friedrich Gauß – Der deutsche Mathematiker, Astronom, Geodät und Physiker kam 1777 in Braunschweig zur Welt und verstarb 1855 in Göttingen. Er entwickelte die nach ihm benannte Osterformel. Mit diesem Algorithmus läßt sich für jedes Jahr das Osterdatum errechnen.

Gregor XIII. – Ugo Buoncompagni kam 1502 in Bologna zur Welt und starb 1585 in Rom. Ab 1572 stand er als Papst an der Spitze der katholischen Kirche. 1582 reformierte er den Julianischen zu dem mittlerweile im weitaus größten Teil der Welt gültigen Gregorianischen Kalender. Er verfügte, daß von den Jahren, mit denen jeweils ein Jahrhundert zu Ende geht, jene, die sich nicht durch 400 teilen lassen, keine Schaltjahre sind.


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