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05.01.08 / Blutiger Kampf um die Macht / Nach der Ermordung Benazir Bhuttos stürzt Pakistan in ein noch größeres Chaos

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Blutiger Kampf um die Macht
Nach der Ermordung Benazir Bhuttos stürzt Pakistan in ein noch größeres Chaos
von R. G. Kerschhofer

Nach der Bluttat in Rawalpindi bleibt vieles offen. Anschuldigungen und Dementis hängen im Raum, und selbst der Tathergang wird widersprüchlich dargestellt. Klar ist aber, daß der amerikanische Plan eines „demokratischen Pakts“ zwischen dem Staatspräsidenten und der Bhutto-Partei mit dem Tod ihrer Gallionsfigur hinfällig wurde. Alternativen zeigen sich keine.

Die politische Szene war zuletzt von drei tödlich verfeindeten Persönlichkeiten geprägt: Von Staatspräsident Pervez Muscharraf, dessen Partei eine Abspaltung der Muslim-Liga ist. Von Nawaz Scharif, der ein von der „echten“ Muslim-Liga dominiertes Parteienbündnis anführt und 1990 bis 1993 sowie 1997 bis 1999 Premierminister war. Und von Benazir Bhutto, die den Vorsitz der Pakistanischen Volkspartei PPP von ihrem Vater geerbt hatte und 1988 bis 1990 sowie 1993 bis 1996 Premierministerin war. Die „Islamisten“ haben bisher keine Führerfigur.

Zur politischen Misere in Pakistan beigetragen hat aber auch der Westen. Denn die Sucht, außereuropäische Politiker, Parteien und Verhältnisse in europäische Kategorien einzuordnen, führt leicht zu groben Fehleinschätzungen. Und mit „moralischem Druck“ schwächen Besserwisser oft genau jene Kräfte, die längerfristig das kleinere Übel wären. Da ist etwa das Klischee, daß Diktatoren unbedingt böse, doch Oppositionelle unbedingt „demokratisch“ und folglich gut sein müssen. Und eine Frau als Führungsfigur muß in einem islamischen Land wohl überhaupt der Inbegriff von Säkularisierung, Gerechtigkeit und Demokratie sein.

Wie demokratisch die PPP wirklich ist, zeigt sich aber schon daran, daß der Parteivorsitz wieder in der Familie weitergereicht werden konnte. Wenngleich nur an den Sohn Bilawal und nicht dem Testament entsprechend an den allgemein verhaßten Ehemann Asif Ali Sardari. Der gilt leider als knochenkorrupt und – für einen Prinzgemahl nicht untypisch – als Lebemann und Schmarotzer. Doch er wurde immerhin Stellvertreter des 19jährigen Sohnes und damit dessen politischer Vormund.

Daß manche die PPP als „sozialistisch“ einstufen, geht daneben. Ebenso, daß manche die Ermordete als Vorkämpferin für Frauenrechte ansehen. Ja, Benazir Bhutto hatte ihre Rechte – als Erbin großer Latifundien. Und als Tochter des PPP-Gründers, Staatspräsidenten und Premierministers Sulfikar Ali Bhutto, von dem sie für eine politische Laufbahn erzogen wurde – die Parallelen zum Nehru-Klan in Indien sind kein Zufall. Mit den Frauen des städtischen und ländlichen Proletariats hatte sie ebensowenig gemein wie ihre Hofdamen, sprich: Mitarbeiterinnen. Sie verstand es bestens, von ihrem Aussehen Gebrauch zu machen. Und vor westlichen Medien oder Politikern glitt ihre Kopfbedeckung – ohnehin weit hinter dem Haaransatz getragen – gerne in den Nacken. All das spricht nicht gegen sie, trug aber sehr wohl zu Fehleinschätzungen bei.

Als Muscharraf 1999 – damals Oberbefehlshaber der Streitkräfte – putschte und sich 2001 zum Staatsoberhaupt machte, „strapazierte“ er zwar die Verfassung. Aber er handelte machtpolitisch richtig – er kam ja der eigenen Absetzung zuvor. Und er nützte dem Land, denn die Vertreibung des korrupten Premiers Nawaz Scharif trug zum Wirtschaftsaufschwung der Folgejahre bei.

Schon 1977 hatte ein Oberbefehlshaber – damals Zia ul-Hak – geputscht und dann bis zu seinem Ableben 1988 diktatorisch regiert. Zia ul-Hak ließ den Vater von Benazir Bhutto hinrichten. Und er leitete mit Einführung der Scharia die Radikalisierung des vorwiegend gemäßigten Landes ein! All das wurde ihm von den USA verziehen, denn er war ja der wichtigste Verbündete gegen die Sowjets in Afghanistan: Der pakistanische Geheimdienst ISI wurde vom CIA hochgepäppelt, um Islamisten diesseits und jenseits der Grenze zu mobilisieren. Und seit damals ist der ISI ein Staat im Staate – mit Einkünften aus Drogen-, Waffen- und Menschenhandel. Die islamistische Unterwanderung des ISI erklärt auch einige von Muscharrafs Problemen, etwa das Debakel um die „Rote Moschee“ im Vorjahr.

Muscharrafs erster großer Fehler war es, sich für Bushs „Krieg gegen den Terror“ einspannen zu lassen. Damit geriet er selber in die Schußlinie. Und während die Islamisten bis dahin nur in Grenzregionen stark waren, verbreiten sie sich seither metastasenartig.

Es ist nicht unlogisch, Muscharraf für den Tod von Benazir Bhutto verantwortlich zu machen, denn sie wäre noch am Leben, hätte er nicht den Ausnahmezustand aufgehoben. Daß Muscharraf El-Kaida beschuldigt, ist auch logisch. Daß El-Kaida ausnahmsweise dementiert, ist ebenfalls logisch, denn das fokussiert den Volkszorn auf Muscharraf. Und es ist logisch, daß ein Typ wie Nawaz Scharif die Parlamentswahlen boykottieren wollte, jetzt aber auf ihrer baldigen Abhaltung besteht, um am „Märtyrertod“ von Benazir Bhutto mitzunaschen. Daß Muscharraf – auch auf westlichen Druck – die Uniform auszog, könnte sich als sein letzter und als der für Pakistan folgenschwerste Fehler erweisen.

Foto: Schweres Erbe: Der 19jährige Sohn von Benazir Bhutto wird von seinem Vater (l.) gelenkt.


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