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05.01.08 / Ein historisches Glück für Europa

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

»Auf ein Wort«
Ein historisches Glück für Europa
von Jörg Schönbohm

Mit dem Aufeinandertreffen von Kaiser Otto III. und Herzog Boleslaw beginnt im Jahr 1000 die deutsch-polnische Geschichte. Immer wieder haben sich seitdem die Wege der beiden Staaten gekreuzt – nicht immer im Positiven. Mißverständnis, Mißtrauen und tiefsitzende Ressentiments dominierten für lange Zeit die deutsch-polnischen Beziehungen. Um so größer war die Freude, als Polen am 21. Dezember gemeinsam mit acht weiteren EU-Mitgliedsstaaten dem Schengen-Raum beitrat. Der Wegfall der Grenzkontrollen bedeutet ein historisches Glück für Europa und markiert zugleich den Beginn eines neuen Kapitels in den Beziehungen der beiden Länder. 

Auf über 450 Grenzkilometern wurden die Schlagbäume abmontiert, die Abfertigungshäuschen geräumt, Paßkontrollen sind passé. Wer hätte sich das vor zwei Jahrzehnten vorstellen können? Durch die Erweiterung des Schengen-Raums können jetzt insgesamt 400 Millionen Menschen in Europa das Privileg der uneingeschränkten Reisefreiheit nutzen. Zugleich ist die Grenzöffnung ein hoffnungsvolles Symbol für das Zusammenwachsen von Europa, ein Zeichen für die endgültige Überwindung der Folgen des Eisernen Vorhangs, der die europäischen Völker auf so schicksalhafte Weise fast ein halbes Jahrhundert voneinander getrennt hat.

Die Grenzöffnung ist ein Gewinn für alle – für die Polen wie für die Deutschen. Die Gestaltung des tagtäglichen Miteinanders wird immens erleichtert. Dazu tragen auch die neuen Verkehrsverbindungen bei. So wurden gleichzeitig mit dem Wegfall der Grenzen auch die neuen regelmäßigen Buslinien zwischen Schwedt und Königsberg (Neumark), zwischen Cottbus, Guben und Grünberg sowie zwischen Frankfurt / Oder und dem Ostteil der Stadt eingeweiht.

Das Ende der Grenzkontrollen ermöglicht es uns, unsere östlichen Nachbarn besser kennenzulernen, voneinander zu lernen und – warum auch nicht – voneinander zu profitieren. Viele deutsche Unternehmen machen sich nicht unberechtigte Hoffnung darauf, daß die Exportwirtschaft durch den Wegfall der Grenzkontrollen weiter angekurbelt wird. Bereits heute ist Polen für viele der neuen Bundesländer der Haupthandelspartner.

Polen und Deutsche gehören jetzt endlich gemeinsam zu dem „Raum der Freiheit, des Rechts und der Sicherheit“. Brandenburg ist von seiner Randlage in die Mitte Europas gerückt, und Polen ist wieder das alte Mitteleuropa.

Natürlich waren im Vorfeld der Grenzöffnung auch kritische Stimmen laut geworden. Unter anderem war zu hören: Man sorge sich darum, daß die neue Freizügigkeit der Polen für Deutschland ein Sicherheitsrisiko darstelle, daß die Kriminalität im Grenzbereich zunehmen werde, und daß die Polizei auf diese Herausforderungen nicht genügend vorbereitet sei. Dieselben Befürchtungen wurden bereits vor dem polnischen EU-Beitritt beziehungsweise vor der Einstellung der Zollkontrollen 2004 geäußert – und schon damals haben sich die Bedenken als unbegründet erwiesen. Dennoch wird auch weiterhin durch übertriebenen Alarmismus bewußt Angstmacherei betrieben. Ein Blick in die Kriminalitätsstatistik genügt, um zu sehen, daß die Sorgen unberechtigt sind. Nicht zuletzt durch die engere Zusammenarbeit und die bessere Abstimmung mit den polnischen Behörden ist bereits jetzt in vielen Bereichen ein deutlicher Rückgang

der Straftaten zu verzeichnen. Bei Diebstahl und Rohheitsdelikten ging die Zahl zuletzt um fünf Prozent zurück, bei Rauschgift- und Gewaltkriminalität sogar um zehn Prozent. Die Grenzöffnung bedeutet nicht weniger, sondern mehr Sicherheit.

Die Zahlen belegen, daß sich die Sicherheitskräfte auf deutscher wie auf polnischer Seite auf den Wegfall der Grenzen gut vorbereitet haben. Gemeinsame Streifengänge, Verkehrskontrollen und Einsätze der deutschen und der polnischen Polizei gehören in vielen Grenzstädten schon seit längerem zum gewohnten Straßenbild. Die grenzübergreifende polizeiliche Zusammenarbeit wurde in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert. Zuletzt regelte Polen zudem sehr großzügig die Nacheile deutscher Polizisten auf polnisches Staatsgebiet, indem es die Nacheile weder räumlich noch zeitlich begrenzt. Mit dem Tag der Grenzöffnung hat schließlich auch das deutsch-polnische Polizei- und Zollzentrum in Schwetig seine Arbeit aufgenommen. Hier arbeiten polnische Polizisten, Polizisten aus Brandenburg, Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, Beamte der Bundespolizei und des Bundeskriminalamtes, Beamte der beiden Zollbehörden sowie Grenzschützer Hand in Hand. Zudem sorgen die automatisierte Kennzeichenfahndung und gemeinsame operative Fahndungseinheiten für zusätzliche Sicherheit im Grenzbereich.

Die Erweiterung des Schengen-Raums bedeutet für Millionen von Menschen einen Zugewinn an Freiheit. Dies sollte ein Grund zur Freude sein. Trotz – vielleicht aber auch gerade wegen – ihrer schwierigen gemeinsamen Geschichte rücken Polen und Deutsche durch die Grenzöffnung näher zusammen. Dies ist eine große Chance für beide Staaten. Wir wollen diese Chance nutzen und begrüßen unsere polnischen Freunde im grenzfreien Europa.

Foto: Die Grenzen sind offen: Grenzpolizisten aus Deutschland und Polen öffneten am 21. Dezember symbolisch den Schlagbaum anläßlich der Erweiterung des sogenannten Schengen-Raums.


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