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05.01.08 / Die »Ware« Bildung / Die Ökonomie bestimmt die Art der Ausbildung der Menschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Die »Ware« Bildung
Die Ökonomie bestimmt die Art der Ausbildung der Menschen
von George Turner

Wenn im politischen Raum von Bildung gesprochen wird, ist generell Ausbildung gemeint. In der Alltagssprache wird der Begriff Bildung häufig synonym mit Erziehung verwendet. Im wissenschaftlichen Gebrauch bedeutet er „das über theoretische Einsicht vollzogene Lernen“; Erziehung ist die im praktischen Umgang „durch Disziplin und Übung bewirkte Formung des Verhaltens“. Demgegenüber ist Ausbildung das Einüben von Leistungsaufgaben. Dabei geht es darum, daß Fertigkeiten erworben werden.

Ohne ein bestimmtes Maß an „Handwerk“ ist Bildung im eigentlichen Sinn nicht zu haben. Man kann es auch schlicht die Fähigkeit nennen, etwas (er)lernen zu können. In der allgemeinen Diskussion gewinnt man allerdings den Eindruck, Bildung im Sinn von Ausbildung beschränke sich allein darauf, Kenntnisse zu vermitteln. Dabei scheint Pate zu stehen der Gedanke, daß auf diese Weise eine Selbstverwirklichung der Betroffenen stattfinden kann und dies zum Erreichen von Chancen, auch zum Ausgleich von Benachteiligungen genutzt werden soll, damit die Betroffenen ihre Belange besser vertreten können. In diesem Sinne wird als gewerkschaftliche Forderung erhoben, möglichst alle an „Bildung“ zu beteiligen. Das ist zwar nicht illegitim, nur verkennt es den Sinn von Bildung.

Die Reduzierung des Begriffs „Bildung“ auf Ausbildung führt im Ergebnis zu einer weit verbreiteten Halbbildung, nämlich dem Steckenbleiben in unverarbeitetem Wissen. Zu einer Umsetzung des reinen Faktenwissens zu dem, was als Vorgang geistiger Formung verstanden wird, kommt es oft gar nicht. Davon, daß Bildung die „innere Gestalt“ bedeutet, zu der ein Mensch gelangt, wenn er seine „Kräfte in Auseinandersetzung mit den Gehalten der Kultur entfaltet“, haben manche sogenannte Bildungspolitiker womöglich noch nicht einmal etwas vernommen – reden darüber hört man sie jedenfalls nicht. Der Begriff Bildungskatastrophe bekommt damit eine ganz andere Bedeutung. 

So wäre es denn, denkt man an politische Programme, zutreffender, nicht von einem Bildungsministerium, sondern von einem Ausbildungsministerium zu sprechen. Nichts gegen eine möglichst gute Ausbildung für alle; ein bißchen mehr Bildung für möglichst viele wäre ein weiterer Fortschritt.

Als solchen wird man folgendes kaum bezeichnen können: Bei einem Kaffeeröster kann die Zulassung an einer privaten Fachhochschule erworben werden. Die Initiatoren mögen es vielleicht als einen besonderen Gag verstehen, die Skeptiker als Exzeß der Ökonomisierung. Letztlich ist dies nur die Konsequenz aus einem Auseinanderdriften von Bildung und Ausbildung. Das überkommene Humboldtsche Bildungsideal der Entfaltung des Menschen durch eine zweckfreie Bildung wird bestenfalls noch in Sonntagsreden bemüht. Bildungspolitik orientiert sich in erster Linie an wirtschaftlichen Effizienzansprüchen mit Leistungsstandards und Evaluationen. Die Formel „fit für die Zukunft“ umfaßt nur verwertbare, auf den Einsatz in der Berufswelt abgerichtete Inhalte. Die Vorgaben und Bedingungen dafür werden von der Politik und Interessengruppen gesetzt und ständig eingeengt. Dies hat der Wuppertaler Kunstpädagoge Jochen Krautz in seinem bemerkenswerten Buch „Ware Bildung – Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie“, Heinrich Hugendubel Verlag, 2007, eindringlich und überzeugend dargestellt.

Es ist gut, in dem ständigen Reformbemühen, das nun schon rund 40 Jahre anhält und mit immer neuen Heilslehren aufwartet, innezuhalten, sich die verschiedenen Ansätze zu vergegenwärtigen und festzuhalten, was am Ende das Ergebnis war. Meist ist es ernüchternd. Das gilt für vieles, womit die alte Ordninarien-Universität weggefegt wurde, die demokratisierte Hochschule Schiffbruch erlitten hat und inhaltliche Reformen im Hickhack der Experten endeten. Um so skeptischer muß man bei neuen „Wahrheiten“ sein, die unter dem Mantel der Wissensgesellschaft den Eindruck vermitteln sollen, alles sei mit der Elle der Ökonomie zu messen. Kein Zweifel: Geld und andere Ressourcen müssen verantwortungsbewußt und sparsam eingesetzt werden. Aber Maßstab für das, was Wissenschaft ausmacht und was Studierenden als Rüstzeug zu vermitteln ist beziehungsweise was sie sich selbst erarbeiten sollten, darf nicht nur der Aspekt der Nützlichkeit und der unmittelbaren Umsetzbarkeit in der anschließenden beruflichen Praxis sein. Die Universität ist keine Berufsschule. Hier wäre eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Fachhochschulen und Universitäten denkbar, statt des Bemühens der ersteren, möglichst „uni-like“ zu sein.

Mit der Überbetonung ökonomischer Grundsätze nicht nur bei der Bewertung der Abläufe, sondern auch bei der Konzipierung von Inhalten ist ein Geist in die Hochschulen eingezogen, der zum mindesten wissenschaftsfremd, wenn nicht -feindlich ist. Auch da hat Krautz recht.


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