26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.01.08 / Ein offenes Ohr / Durch aktives Zuhören kann man in Krisen anderen durchaus helfen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Ein offenes Ohr
Durch aktives Zuhören kann man in Krisen anderen durchaus helfen
von Anja Schäfers

Gespräche über schwierige Themen kommen meist unerwartet. Beispielsweise ruft ein Familiemitglied an und berichtet von einer Krebsdiagnose. Oder die beste Freundin erzählt bei einem Treffen, daß ihr Partner fremdgeht. Oft fühlt man sich dann hilflos und weiß nicht, was man machen soll. „Die meisten Menschen wünschen sich ein offenes Ohr“, sagt Anita von Hertel, Dozentin für Kommunikation und Mediation in Hamburg.

Beim Zuhören sollte man dem anderen seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. „Jemand, der sich Ihnen am Telefon anvertraut, spürt, wenn Sie nebenbei eine E-Mail schreiben oder in der Küche werkeln“, sagt von Hertel. Insofern sollte man seinem Gesprächspartner offen sagen, wenn man noch etwas Dringendes zu erledigen habe. Wer sich etwa zuerst um den Braten im Ofen kümmern müsse, könne dem anderen anbieten, gleich zurückzurufen. „In der Krisensituation gibt es keine Quick-Fix-Lösungen“, sagt von Hertel. Vielmehr gehe es zunächst darum, dem Gesprächspartner die Chance zu geben, von seinem Problem zu erzählen. Häufig würde ihm dabei seine Lage klarer und er könne selbst mögliche Auswege finden.

Dieser Vorgang lasse sich gut durch das sogenannte aktive Zuhören unterstützen. Dabei spiegelt man seinem Gegenüber wider, was dieser gesagt hat, und stellt ihm offene Fragen. Wenn der andere etwa von seiner Krebsdiagnose berichtet, sollte man das Schlüsselwort „Krebs“ aufnehmen und fragen, ob er mehr darüber erzählen möchte.

Der Gesprächspartner kann dann selbst entscheiden, über was er reden will. Denn letztlich bedeutete solch eine Nachricht für jeden Menschen etwas anderes.

Während den einen etwa zuerst die medizinische Behandlung beschäftigt, möchte ein anderer seiner Angst und Verzweiflung Ausdruck verleihen. „Wichtig ist, daß man die Äußerungen seines Gesprächspartners nicht bewertet“, sagt Annelie Bracke, Diplom-Psychologin und Leiter in der katholischen Telefonseelsorge in Köln.

Denn nicht alle Menschen sind zum Beispiel nach dem Tod des Lebenspartners sofort tief bestürzt oder traurig. Etliche Betroffene empfinden zuerst gar nichts und sollten darüber offen reden können. In einer Krise helfe es einem, wenn man sich so geben kann, wie man will beziehungsweise wie man es gerade vermag. Dies bedeute nicht, daß ein Zuhörer sich neutral verhalten soll.

„Man muß nicht stark bleiben, sondern darf sich vom Leid des anderen berühren lassen“, sagt Bracke. So könne man in bestimmten Situationen zum Beispiel mitweinen. Letztlich sollte man sich aber immer auch abgrenzen. Dafür muß man sich klarmachen, daß es um die Gefühle und Probleme des anderen gehe.

Ein Zuhörer sollte auch seine momentanen Empfindungen mitteilen. Dies gelte besonders, wenn einem das Gehörte die Sprache verschlage. Aussagen wie „Was du erzählst, berührt mich sehr“ oder „Ich kann jetzt gar nichts sagen. Aber erzähle weiter, ich bin da und höre zu“ seien wichtige Rückmeldungen für den Betroffenen.

Nicht gefragt sind allerdings Berichte über frühere Erfahrungen in einer ähnlichen Situation. „Erzählungen wie ,Als ich damals diese schwere Krankheit hatte‘ sollte man unbedingt zurückstellen“, empfiehlt die Seelsorgerin.

Ähnliches gelte auch für Ratschläge und vermeintlich praktische Lösungen. „Die sollte man nur machen, wenn der andere ausdrücklich danach fragt“, sagt Bracke. Man könne sich aber zum Beispiel erkundigen, welche Schritte der andere bislang unternommen hat.

Wenn es zur Beziehung passe, möchte man seinem Gesprächspartner vielleicht auch konkrete Hilfen anbieten oder das Signal geben, weiter für ihn da zu sein – und zuzuhören.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren