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12.01.08 / Ost-Deutsch (48): Liebe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-08 vom 12. Januar 2008

Ost-Deutsch (48):
Liebe
von Wolf Oschlies

Mein mazedonisches Lieblingslied handelt von der schönen Elena, die einen Brief an ihren Liebsten in Edrene (Adrianopel) schreibt: Er soll ihr eine Festhaube kaufen, „für 300 Dinar“ – weiland das Jahresgehalt eines osmanischen Offiziers. Interessant ist, daß der Liebste als „libe“ firmiert, wie auch in zahlreichen weiteren Liedern der Mazedonier: „Mila mamo, mojto libe ne mi e doma“ (Liebe Mutter, mein Liebster ist nicht daheim), „Ajde bolno leshit mojte libe“ (O, mein Liebster liegt krank da) etc.: Immer ist „libe“ ein grammatisches Neutrum, bezeichnet in Liedern einen geliebten Mann und stammt von der deutschen „Liebe“ ab.

Das ist in älteren bulgarischen Liedern nicht anders, wie Najden Gerov schon 1899 in seinem klassischen „Wörterbuch der bulgarischen Sprache“ anhand vieler Beispiele nachwies – nur daß die bulgarische „libe“ stets ein weibliches Wesen meint. Bei anderen Slawen taucht das deutsche Wort eher in Zitaten auf, früher von deutschen Kirchenliedern („Ach lieber Herre Jesu Christ“), heute direkter wie bei der russischen Lyrikerin Olga Martynowa: „Ja govorju naspech tschushimi slovami (ich sage eilig in fremden Wörtern) Ich liebe dich“. Doch so fremd ist das Wort nicht, stammt es doch vom indogermanischen „leubh“ ab, was dann auch die sprachliche Verwandtschaft der deutschen „Liebe“ mit russischer „ljubow“ oder serbokroatischem „poljubiti“ (küssen) erklärt. Slawen meinen, daß deutsche Stadtnamen wie Lübeck, Lübbenau etc. derselben Sprachwurzel entspringen.

Bleiben wir lieber bei der Urbedeutung, wie sie Walther von der Vogelweide vor 800 Jahren so treffend beschrieb: „Im wart von rehter liebe weder wol noch we“ (Er hat von rechter Liebe weder Wohl noch Wehe erfahren). Von dort ist es ein weiter Weg bis zum modernen serbokroatischen Jargonausdruck „gelipter“. Sprachlich ist es ein deutscher „Geliebter“, inhaltlich aber etwas ganz anderes. Eine Ahnung davon vermittelte kürzlich die Zagreber Wochenzeitung „Globus“, als sie beobachtete, wie „lokalni gelipteri jure seoskim sokacima i zajebavaju policiju“ – wie lokale „gelipteri“ Wettrennen in Dorfstraßen abhalten und damit die Polizei zum Narren halten. Dieser „gelipter“ wäre früher ein deutscher „Springinsfeld“ gewesen – plastisch das eine wie das andere.


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