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12.01.08 / Proteste aus dem falschen Grund / Die Aufregung um Gen-Mais lenkt von den wahren Problemen ab – USA aus wirtschaftlichen Gründen Vorreiter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-08 vom 12. Januar 2008

Proteste aus dem falschen Grund
Die Aufregung um Gen-Mais lenkt von den wahren Problemen ab – USA aus wirtschaftlichen Gründen Vorreiter
von R. G. Kerschhofer

Beim Thema Gen-Mais gehen die Wogen hoch. In Deutschland wird gegen die Aufhebung des Aussaatverbots der Sorte „Mon 810“ prozessiert. In Österreich steigt der EU-Frust, weil Brüssel die Aufhebung eines Importverbots von Gen-Mais erzwang. Und französische Aktionisten sind im Hungerstreik, um den Anbau von „genmanipuliertem Mais“ zu verhindern.

Was aber ist schlecht am Gen-Mais? Auf jeden Fall der Name, denn „Gene“, die Träger der Erbinformation, haben alle Organismen. „Gen-Produkte“, „genmanipuliert“, „genverseucht“ oder „genvergiftet“ sind irreführende und polemisierende Ausdrücke. Wissenschaftlich korrekt handelt es sich um „gentechnisch veränderte Organismen“ (GVO). Und Technik – auch die Gen-Technik (GT) – ist grundsätzlich wertfrei. Sie bringt Vorteile, aber auch Gefahren – vom Hammer, der blaue Daumen macht, bis zum Flugzeug, das abstürzt. Und sie kann mißbraucht werden. Wer Forschung und Technik ablehnt, gerät jedoch auf jeden Fall ins Hintertreffen.

Es empfiehlt sich, ein paar Aspekte der klassischen Landwirtschaft sowie die Unterschiede zwischen „natürlicher“ Mutation, Zuchttechnik und GT anzusehen. Die Wandlung des Menschen vom Sammler zum Pflanzer war nichts anderes als der Umstieg auf eine ertragreichere Technik, die zufälligen Pflanzenwuchs durch gezielten ersetzte. Entscheidend dabei war es, einen Teil der Ernte als Saatgut aufzubewahren. Wenn man sein Saatgut aufaß, verhungerte man im Folgejahr. Oder später, in arbeitsteiligen Gesellschaften, mußte man Saatgut ausleihen, was mit Wucher verbunden war und in Abhängigkeit oder gar Leibeigenschaft führte.

Mutationen sind Veränderungen des Erbguts ohne äußere Ursache oder durch kosmische Strahlung oder bestimmte Enzyme. Es gibt ständig unzählige Mutationen, doch die allermeisten fallen der Selektion zum Opfer: Sie werden nur weitergegeben, wenn sie Keimzellen betreffen. Und nur wenn ihr Resultat lebens- und fortpflanzungsfähig ist, geht es an weitere Generationen. Also ein ganz seltener Fall, der aber bei niederen Organismen etwas weniger unwahrscheinlich ist. Siehe die jährlich neuen Grippe-Viren.

Züchtung ist nicht Mutation, sondern Selektion. Man wählt Organismen zur Kreuzung aus in der Hoffnung, daß erwünschte Eigenschaften bei der nächsten Generation verstärkt oder in vorher nicht vorhandener Kombination auftreten. Alle Kulturpflanzen und Haustiere sind das Ergebnis von Züchtungen. Den Erbgesetzen entsprechend können gezüchtete Merkmale allerdings ab der dritten Generation wieder verschwinden – etwa auch bei einem für Schädlingsresistenz oder besonderen Ertrag gezüchteten Saatgut. Doch macht das den Landwirt nicht von Saatgutproduzenten abhängig? Im Prinzip ja, nur wirkt es sich nicht aus, solange man unter Anbietern wählen kann.

GT verändert das Erbgut – nicht wie bei Mutationen zufällig, sondern gezielt. Als Werkzeug zum „Herausschneiden“ von Genen und zum Einfügen anderer, auch artfremder Gene dienen ebenfalls Enzyme. Theoretisch nicht völlig auszuschließen ist daher, daß auch zufällige Mutationen einen Organismus hervorbringen, der einem GVO entspricht. Schädliche Nebenwirkungen lassen sich bei GVO nicht ausschließen – doch bei zufälligen Mutationen ebensowenig.

Die eigentliche Gefahr liegt aber anderswo: Die Zahl der Saatgutproduzenten nimmt drastisch ab, weil Konzerne die lokalen Betriebe unter ihre Kontrolle bringen. Die Hälfte allen Saatguts weltweit entfällt auf nur zehn Konzerne, und mehr als ein Viertel allein auf die US-Gruppen Monsanto / Seminis und Dupont / Pioneer! Landwirte werden per Vertrag gezwungen, kein anderes Saatgut zu kaufen und alle Haftungen zu übernehmen. In den USA können Konzerne bereits Landwirte auf Schadenersatz verklagen, wenn patentierte Samen auf deren Felder verweht wurden. Schadenersatz wird aber meist außergerichtlich erpreßt – die Anwaltsspesen kämen den Landwirt noch teurer.

Die GT – zusammen mit dem Trend zu großflächigen Monokulturen und zu „Bio-Treibstoffen“ – bietet bisher nie gekannte Möglichkeiten, die weltweite Nahrungsmittelproduktion unter Kontrolle zu kriegen. Monsanto besitzt Patente auf mehr als 90 Prozent aller GVO und kontrolliert einen Großteil des Marktes für Pflanzenschutzmittel. Das Non-Plus-Ultra ist die Entwicklung eines „Terminator-Gens“, das die Wiederaussaat sogar biologisch ausschließt. Ehrlich – kann man erwarten, daß sich kleine Landwirtschaftsminister mit einer derart geballten Wirtschaftsmacht anlegen?


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