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12.01.08 / »Die Zeichnung ist die Seele der Kunst« / Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt Zeichnungen von Runge bis Liebermann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-08 vom 12. Januar 2008

»Die Zeichnung ist die Seele der Kunst«
Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt Zeichnungen von Runge bis Liebermann
von Silke Osman

Zeichnen heißt weglassen“, hat  Max Liebermann einmal gesagt. „Diese zugespitzte Sentenz von einem Meister der Zeichenkunst umfaßt beides, die Abstraktion der Kunstform und ihre Konzentration auf den vitalen Kern“, erläutert Uwe Westfehling, Leiter der Graphischen Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud in Köln, wo noch bis zum Ende des Monats eine Ausstellung unter dem Titel „Die Idee und das Leben – Von Runge bis Liebermann“ gezeigt wird. „Damit gehört die Zeichnung sowohl zur Sphäre des Geistigen als auch zur Welt lebendiger Sinnes-Wahrnehmung: Idee und Leben. Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts führt uns diese faszinierende Spannweite des Mediums vor Augen: Runge und Friedrich, Schnorr von Carolsfeld und Spitzweg, Menzel, Leibl, Liebermann, Corinth … Klassizismus, Romantik, Realismus, deutscher Impressionismus:  Für alle diese neuen Wege der Kunst war das Zeichnen von entscheidender Bedeutung. So führen uns Bleistift, Feder und Tuschpinsel zum Wesentlichen einer vielschichtigen und spannungsreichen Epoche, denn die Zeichnung ist die Seele der Kunst.“

Rund 150 Blätter aus den eigenen Beständen des Museums ermöglichen einen umfassenden Einblick in eine der intensivsten Zeitspannen der deutschen Kunstgeschichte. Studien, Skizzen und Entwürfe herausragender Künstler-persönlichkeiten lassen auch deren Arbeitsweise erkennen. Und der Besucher wird gern dem Gang durch die deutsche Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts folgen, auf dem einzelne Künstlerpersönlichkeiten besonders gewürdigt werden. Etwa Adolph Menzel. Nichts war vor seinem Zeichenstift, vor seinem Pinsel sicher. In seinem Mantel befanden sich mehrere Taschen für die verschiedenen Skizzenblöcke sowie die weichen und harten Stifte. Den Augenblick wollte der Maler aus Breslau festhalten, die kleine Geste, die kleine, zunächst unscheinbare Szene.

Entstanden sind Meisterwerke, die ihresgleichen suchen. Fachleute nennen Adolph Menzel auch einen genauen Beobachter der Gegenwart und einen Chronisten der Vergangenheit. „Was sich ihm entgegenstellte, hat er durch seine im Dienst eines unermeßlichen Arbeitsvermögens stehende Riesenkraft unterworfen“, befand Alfred Lichtwark, einst Direktor der Hamburger Kunsthalle.

In der Kölner Ausstellung ist eine Bleistiftzeichnung aus dem Jahr 1886 zu sehen mit dem Titel „Blick über die Dächer von Schandau“. Diese Sicht aus dem Fenster offenbart einmal mehr den geschärften Blick des Meisters für Struktur und Proportion.

Menzels Zeichnungen waren nicht zum Verkauf bestimmt. Geradezu empört klingen die Zeilen, die er 1892 an einen namentlich nicht bekannten Empfänger richtete: „Falls ich mit dem Herrn über die betreffenden Zeichnungen eins würde – das heißt er wählte, was ich allenfalls weggeben würde. Zeichnungen nämlich behufs Verkaufens mache ich gar nicht; in der Regel nur als Naturstudien gleich zu bestimmtem Bilde oder als Gelegenheitssache für eventuell. Da müßte es nun also gerade treffen, daß was ihm etwa zusagte etwas wäre, das ich schon benutzt, oder wovon ich wirklich auch für die Zukunft keine Verwendung absähe. Kommt aber selten vor.“

Gut acht Jahrzehnte zuvor hatte Philipp Otto Runge mit „Der große Morgen“ sein reifstes Werk, allerdings unvollendet hinterlassen. Ursprünglich sollte das Gemälde zerstört werden, da Runge meinte, manches „Unrichtige“ darin würde „Irrtum“ über seine künstlerischen Absichten verbreiten. Das Motiv des Gemäldes, das sich in der Hamburger Kunsthalle befindet, hat der Pommer für sich in vielen einzelnen Zeichnungen erarbeitet. „Die Genien auf der Lichtlilie“, die den oberen Teil des Bild zieren, sind in Köln zu sehen, eine Zeichnung aus Bleistift, schwarzer, roter und weißer Kreide auf bräunlichem Papier, geschaffen 1809.

„Zeichnung ist für Runge nicht nur, was man unter Handzeichnung versteht“, erläutert Hanna Hohl in einer Publikation der Hamburger Kunsthalle, „sondern die der Malerei innewohnende Zeichnung, ja er sieht in der älteren Kunst die Vollendung der Linie als die Vollendung der Malerei an. So nennt er es in einem Aufsatz von 1807 den ,Ruin‘ der neueren Zeit, der ,da anfängt, wo die Vollendung der Linie überschritten wurde, oder wo man anfing, in der Vollendung der Farbe etwas Größeres und Bedeutenderes zu suchen‘. Die Farbe verhalte sich zur Form wie der Ton zum Wort. Das heißt, Farbe wäre leer ohne die Idee, Malerei unbestimmt ohne das ,Charakteristische der Zeichen‘.“ In dem Bildmotiv „Die Genien auf der Lichtlilie“ schweben Putten zum Licht empor und verkörpern die „Grundidee menschlicher Hoffnung – Hoffnung auf eine zukünftige bessere Welt“.

Die Ausstellung „Die Idee und das Leben“ im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Obenmarspforten (am Kölner Rathaus), ist dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr, am Wochenende von 11 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 8 / 5 Euro, bis 27. Januar.

Foto: Adolph Menzel: Blick über die Dächer von Schandau (Bleistift, 1886, Ausschnitt)


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