16.04.2024

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12.01.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-08 vom 12. Januar 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

das Schicksal der in Königsberg lebenden Galina Podistowa – die wir lieber mit ihrem Vornamen Erika benennen wollen, weil wenigstens der authentisch ist –, von dem wir in der Weihnachtsausgabe berichteten, hat viele Gemüter bewegt. Und zu einigen Hinweisen geführt, die schon interessant sind. Es geht vor allem um den Nachnamen „Pulwintzkiz“, der – wie ich schrieb – ursprünglich nicht so gelautet haben dürfte. Dazu schreibt Herr Dr. Wolfgang Klein aus Schwörstadt: „Der Name dürfte, wenn überhaupt, wohl in Ostpreußen sehr selten sein. Bei den mir vorliegenden Namenslisten taucht er überhaupt nicht auf, was allerdings nicht viel aussagt. Nach meinen in der damaligen Sowjetunion gemachten Erfahrungen ist es sehr häufig oder fast immer bei Namensgebungen zum ,Verschreiben‘ gekommen. Ich war auch bei derartigen ,Aufstellungen‘ dabei, da ich oft als ,Dolmetscher‘ angesprochen wurde. Es lag einfach bei dem Aufnehmenden an der Unkenntnis beim Schreiben selbst. Dazu kamen die fehlenden deutschen Sprachkenntnisse und die Willkür des Schreibers. Bei Kindern und auch Erwachsenen wurde meistens der Zusatz ski, zki, ki oder auch ska, zka, owa und ka vorgenommen, da es in den Ohren des Schreibers besser klang. Es ist also gut möglich, daß das Kind auch Pullwitt geheißen mag. Dieser Name tritt zum Beispiel in Königsberg, Seepothen, Saalfeld (Mohrungen) und Deutschendorf in einigen Fällen auf.“ Vielen Dank, lieber Herr Dr. Klein, für diese Ausführungen. Sie meinen, diese seien für uns keine große Hilfe. Aber ja doch, sie bestätigen vor allem, daß der deutsche Name durch eine mehr oder minder bewußte Änderung des Registrierenden geändert worden ist.

Auf meine sehr vage Vermutung, daß der Name „Pulwinzkis“ oder „Purwinskies“ gelautet haben könnte, ging unser Leser Klaus-Dieter Gehlhaar aus Erlangen ein. „Ich kam spontan auf die Idee, daß es sich um Erika Purwiens handeln könnte. Erika könnte das dritte Kind der Familie Purwiens sein, die bis 1944 in Memel in der Tilsiter Straße 34 gewohnt hat. Der Vater war seit Kriegsbeginn Soldat. Die Familie hatte drei Kinder, das Älteste war ein Junge mit Namen Siegfried oder Helmut, an die Vornamen der beiden jüngeren Mädchen kann ich mich nicht erinnern. Zu Purwiens und Bergaus hatten wir herzlichen, aber doch etwas distanzierten Kontakt. Ich erinnere mich, daß der Weihnachtsmann gemeinsam zu Purwiens und uns kam. Mit dem Sohn habe ich gespielt, da er einen Trix-Baukasten hatte. Ich vermute, daß der Vater einen technischen Beruf hatte, aber nicht bei der Schichau-Werft arbeitete. Unsere Familie wurde im August 1944 evakuiert. Wir Kinder bekamen ein Holztäfelchen mit Namen und Adresse um den Hals. Die Purwiens und andere im Haus wohnende Memelländer blieben noch, sie wollten zu ihren Verwandten aufs Land ziehen, denn die Evakuierung sollte nur vier Wochen dauern! Da die Zivilbevölkerung von Memel zur Gänze aus der Stadt fliehen konnte, vermute ich, daß die Familie Purwiens in Richtung Königsberg geflohen ist. Wir, meine Mutter und ich, waren im Herbst 1944 noch einmal in Memel, niemand wohnte mehr in dem leerstehenden Haus. Das jüngste Mädchen der Purwiens – Erika? – könnte 1943 geboren sein, da es kleiner als meine Schwester war, die 1944/45 schon laufen konnte. Mein spontanes Empfinden ist sicher absurd, aber hier in Bayern meint man: Es gibt nichts, was es nicht gibt und der Zufall ist ,mehrerer‘ als man denkt!“

„Mehrerer als man denkt“ ist er auch in unserer Ostpreußischen Familie, lieber Herr Gehlhaar, aber ob er diesmal zutrifft, ist doch sehr fraglich. Dabei geht es weniger um den Namen als um das Kindesalter. Selbst wenn das jüngste Mädchen 1943 geboren wurde, kann es nicht Erika gewesen sein, da es laut Eintragung 1946 geboren wurde. Dieses Datum ist zwar auch mit einem Fragezeichen versehen, die Geburt könnte Ende 1945 gewesen sein, aber auch dann liegt ein erheblicher Altersunterschied vor. Gerade im Kleinkind-Alter würde sich der bemerkbar machen, obgleich die 1948 nach Königsberg gebrachten Kinder ja alle unterernährt und im Wachstum zurückgeblieben waren. Immerhin: Wir sind dankbar für jedes Puzzlesteinchen in diesem schwierigen Suchmosaik. Dazu gehört auch der Hinweis von Herrn Dietmar Wrage auf das Miliz-Archiv in Königsberg. Wir bleiben am Ball!

Und jetzt kommt etwas sehr Interessantes: Unser Leser Hartmut Nebelsiek aus Reinhardshagen berichtet von einem ähnlichen Fall. Bei seinem ersten Besuch in Königsberg im Jahre 1991 sprach ihn ein Passant an, der sich Erik Sperik nannte. Er schilderte Herrn Nebelsiek in deutscher Sprache sein Schicksal: Er hieße eigentlich Erich Speer und hätte sich niemals damit abgefunden, ein Russe zu sein. Bei dem Gespräch wurde auch der Name „Brandenburg“ erwähnt, der allerdings bei den Nachforschungen von Herrn Nebelsiek auf einen falschen Weg führte. Denn er glaubte, daß sich das erwähnte Lager, von dem Herr Speer sprach, im ostpreußischen Brandenburg am Frischen Haff befunden hätte. Dieser Irrtum führte in eine Sackgasse, Herr Nebelsiek kam nicht weiter. Nun machte ihn Erikas Schicksal hellhörig. Mit Sicherheit dürfte es sich auch in diesem Fall um das deutsche Lager Brandenburg handeln. Herr Nebelsiek nannte uns einige möglichen Kontaktadressen und übersandte uns seine gesamten Unterlagen über Erik Speer / Sperik, die leider alle in russischer Sprache gehalten sind. Wir brauchen also noch einige Zeit, bis wir Näheres sagen können. Aber es dürften sich unter unseren Lesern auch mögliche Informanten befinden, die Kontakt zu Erik Speer / Sperik hatten und vielleicht noch haben.

Es gäbe noch so viel von Reaktionen auf unsere letzten Wünsche zu berichten, und das werde ich auch noch, aber jetzt muß ich doch zu neuen Fragen kommen, sonst schmoren die zu lange in meinem Krepsch. Da übergebe ich zuerst Frau Marlies Völkel aus Erndtebrück das Wort: Sie möchte wissen, wo das Geburtshaus ihrer Mutter Anna geborene Seusker in Szittkehmen, Kreis Goldap, später Wehrkirchen, stand oder vielleicht noch steht. Frau Völkel ist auf der Suche nach ihren Wurzeln zusammen mit ihrem Mann in die mütterliche Heimat gereist, sie hat einen Teil der „Ostpreußenfamilie“ kennengelernt und wurde sehr herzlich aufgenommen. Aber ihre Suche nach dem mütterlichen Stammhaus blieb erfolglos, deshalb wendet sie sich an uns. Und da Szittkehmen ja mit fast 1300 Einwohnern ein größerer Ort war und die Goldaper besonders rührig sind, dürfte sie einige brauchbare Hinweise bekommen – falls nicht alles doch zu lange her ist. Denn Anna Seusker und ihre Zwillingsschwester Charlotte wurden am 23. November 1917 im Haus ihrer Großmutter Henriette Dzewas, * 1867, geboren. Diese, eine geborene Kosakowski aus Ballupönenwar, war mit Friedrich Dzewas aus Dobawen verheiratet. Dort wurde auch die Mutter der Zwillinge, Henriette Charlotte Dzewas, 1895 geboren. Die Familie zog etwa 1913/14 nach Szittkehmen. 1915 heiratete die Tochter in Westfalen und zog zu ihrem Mann. Da ihr Mann an der Front war, ging sie zur Geburt ihrer Zwillinge nach Skittkehmen. Als die Kinder reisefähig waren, kehrte sie nach Westfalen zurück. Dorthin zog Mitte der 20er Jahre auch die Großmutter, denn auch ihre anderen Kinder – Fritz, Wilhelm, Minna und Anna Dzewas sowie Otto Kosakowski – waren aus Ostpreußen fortgegangen. Da niemand der Familie in Szittkehmen zurückblieb, ist das Haus wohl verkauft worden. Frau Völkel schreibt: „Als ich Kind war, wurde sehr viel von Ostpreußen erzählt, aber es war ja so weit weg und niemand fuhr mehr dorthin. Ich habe schon mit einigen Leuten gesprochen, auch aus Skittkehmen, aber niemand konnte mir eine Antwort geben.“ Vielleicht jetzt? (Marlies Völkel, Birkenweg 11 in 57339 Erndtebrück, Telefon 0 27 53 / 25 20.)

Die Frage unserer Leserin Ulrike Sölter führt in ein kaum bekanntes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte, nach Schwarzenberg im Erzgebirge. Dieses abseits gelegene und von den US-amerikanischen und russischen Truppen „vergessene“ Gebiet wurde am 8. August 1945 zur „Republik Schwarzenberg“ ausgerufen. Die dorthin geflüchteten Vertriebenen sollten ausgewiesen werden. Das bedeutete auch für Ulrike Sölter, ihre Mutter und ihre Geschwister eine erneute Vertreibung. Denn die aus Lötzen stammende Familie Gomm war von ihrem letzten Wohnort Wehlau zuerst nach Berlin, dann nach Beierfeld, einem Ortsteil von Schwarzenberg, geflüchtet. Nun sollten sie zusammen mit anderen Heimatlosen am 20. August 1945 mit einem „Deportationszug“ ihr Asyl verlassen – mit unbekanntem Ziel! Kurz vor Abfahrt des Zuges nahm Charlotte Gomm ihre Kinder und zog weiter in Richtung Thüringen. So wurden sie vor der Ausweisung gerettet. Nun wurde dieses Kapitel ihrer Lebensgeschichte für Ulrike Sölter wieder lebendig, als sie das Buch „Die Schwarzenberg-Utopie“ in die Hand bekam, in dem die Deportation zahlenmäßig belegt wird: Nach Kriegsende 1945 waren 33 Prozent der Bewohner im Raum Schwarzenberg Flüchtlinge, beim Jahreswechsel nur noch etwa vier Prozent! Frau Sölter setzte sich mit der Autorin Leonore Lobeck, die das Buch im Auftrag des Sächsischen Landesbeauftragten für Stasi-Unterlagen erstellt hatte, in Verbindung und übergab ihr die Aufzeichnungen ihrer Mutter über diese Zeit. Frau Lobeck ist nun sehr interessiert an weiteren Informationen über den Ausweisungszug, der die Flüchtlinge in Richtung Osten gebracht haben soll – in plombierten Wagen tagelang eingeschlossen, ohne Essen und Trinken. Frau Sölter hatte auf einem Heimattreffen vor etwa zwölf Jahren einen Wehlauer kennengelernt, der als Kind in diesem Zug gewesen war – leider hatte sie nicht seine Anschrift und alles Suchen verlief im Sande. Dieser Landsmann und alle, die mit diesem Zug oder weiteren Transporten ausgewiesen wurden – wohin? – sind nun aufgerufen, sich bei Frau Sölter zu melden, damit Frau Lobeck diesen Teil der Geschichte Schwarzenbergs aufarbeiten kann. Sicher werden in den Zügen auch Flüchtlinge aus anderen Regionen, vor allem Schlesien, gewesen sein. Auch sie sind angesprochen. (Ulrike Sölter, Bunzlauer Weg 8 in 37085 Göttingen, Telefon 05 51 / 7 69 88.)

Um Bahnhöfe geht es für unseren Leser Rainer Spohr aus Kassel. Natürlich um ostpreußische, und das hat seinen Grund: Herr Spohr, Mitglied der Ostpr.-Westpr. Landsmannschaft Kassel, möchte am 4. März 2008 ein Referat halten, Thema: Ostpreußen, August 1914. Dazu möchte er ein Anschauungsmodell bauen. Hierfür sucht er Fotos und Pläne von ostpreußischen Bahnhöfen aus jener Zeit. Ich glaube, Herr Spohr wird sich über mangelnde Zuschriften nicht beklagen können. (Rainer Spohr, Nordshäuser Straße 46 in 34132 Kassel, Telefon 0 5 61 / 60 12 32, E-Mail: snootyfox@gmx.de.)

Eure Ruth Geede


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