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19.01.08 / Greift die Camorra jetzt nach Berlin? / Polizei gelingt Schlag gegen Schutzgeld-Erpresser – doch unter den italienischen Gastwirten geht weiterhin die Angst um

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Greift die Camorra jetzt nach Berlin?
Polizei gelingt Schlag gegen Schutzgeld-Erpresser – doch unter den italienischen Gastwirten geht weiterhin die Angst um
von Markus Schleusener

Die nach den Mafia-Morden von Duisburg 2007 neueingerichtete Ermittlungsgruppe von italienischen und deutschen Kriminalbeamten hat – kaum ins Leben gerufen – jetzt vermutlich auch in Berlin einiges zu tun. Während der Feiertage ist ein spektakulärer Fall von Schutzgelderpressung aufgeflogen, die Täter sind bereits dingfest gemacht.

Seit Mitte Dezember soll eine kleine Gruppe von Kriminellen rund 40 italienische Lokale erpreßt haben. Die Ladeninhaber erhielten ein Schreiben, aus dem hervorging, daß Schmerzen zu erleiden habe, wer nicht zahle, berichtet der „Tagesspiegel“.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag flog dann ein Brandsatz in eine Trattoria in Wilmersdorf. Der Wirt des Lokals hatte die anonyme Drohung ebenfalls erhalten. Die Brandstiftung hätte nicht nur die Gaststätte, sondern das ganze Haus zerstören können, hieß es seitens der Polizei.

Die beiden Täter, ein Italiener und ein Palästinenser, seien zuvor mit „mafiagleicher Dreistigkeit“ in den betroffenen Restaurants erschienen, um „frohe Weihnachten“ zu wünschen. Sie hinterließen ihr auf italienisch abgefaßtes Schreiben auf dem Tresen und verschwanden wieder.

Die Adressaten wurden in dem Schreiben zu „spontanen Spenden an einen Heiligen Beschützer“ aufgefordert. Weiterhin wurde angekündigt, daß „jeden Monat unsere Beauftragten vorbeikommen“, die diese „Spenden“ entgegennähmen.

Der „Tagesspiegel“ zitiert einen Italiener, demzufolge die Täter sich als Angehörige der berüchtigten neapolitanischen Camorra ausgaben. Die Berliner Polizei reagierte sofort: Die italienischen Wirte haben einen besonderen Ansprechpartner erhalten, schließlich gab es über die Feiertage eine Welle der Angst unter den Gastronomen. Doch die Beamten arbeiteten schnell und lautlos. Zum Jahreswechsel wurden mehrere Wohnungen durchsucht und 21 Erpresserbriefe sichergestellt. Die beiden Hauptverdächtigen konnten festgenommen werden.

Doch die Angst bleibt. Müssen Berlins Pizzabäcker befürchten, daß ihnen die organisierte Kriminalität aus Süditalien in Deutschlands Hauptstadt auf den Leib rückt?

In seinem Buch „Gomorrha“ beschreibt der junge italienische Journalist Roberto Saviano diese neapolitanische Organisation als gefährlichste Bande der Welt: „Die Camorra hat mehr Menschen umgebracht als die sizilianische Mafia, mehr als die Ndrangheta, mehr als die russische Mafia, mehr als die albanischen Familien, mehr als die Eta in Spanien und die IRA in Irland, mehr als die Roten Brigaden, mehr als die Rechtsterroristen des NAR und mehr als alle Attentate in Italien, bei denen die Geheimdienste ihre Hand im Spiel hatten.“

Für die Veröffentlichung dieses Buches erhielt der Autor einen Preis, das Buch ist ein Bestseller in Italien. Aus Angst vor Racheakten mußte sich Saviano jedoch in den Untergrund zurückziehen. Er wird dort mit großem Interesse auch die jüngsten Straftaten der Camorra in Deutschland verfolgt haben. Was, wenn die Schutzgelderpresser von Berlin nur die Vorhut waren?

Berlin war immer wieder Betätigungsfeld ausländischer Mafiaorganisationen und damit der Schauplatz von Gewaltverbrechen. In den 90er Jahren trieben Zigeunerbanden ihr Unwesen. Die Polizei bildete extra eine Arbeitsgruppe. Unter dem politisch korrekten Namen „Rumba“ (für „rumänische Banden“) verfolgten die Beamten die brutalen Kriminellen.

Etwa zur gleichen Zeit (nach der deutschen Vereinigung) bildeten sich Mafiaclans aus ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeitern. Sie betrieben einen florierenden Handel mit geschmuggelten Zigaretten.

Diese Vietnamesen waren bandenmäßig organisiert und im gesamten östlichen Stadtgebiet auf Straßen und Plätzen anzutreffen. Sie boten monate-, wenn nicht jahrelang ihre unverzollten Zigaretten offen an. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen unter ihnen. Mehrere Tote gingen auf das Konto der vietnamesischen Zigarettenmafia.

Der Niedergang der Vietnamesenmafia hatte zwei Gründe: Unter dem damaligen Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) konnte die Polizei erhebliche Fahndungserfolge feiern. Andererseits drängten Russen ins Geschäft und machten den Handel mit illegalen Zigaretten weniger lukrativ: Die Russen kassierten Schutzgeld von den asiatischen Händlern.

Solche Schutzgelderpressungen wurden am hellichten Tage und auf offener Straße abgewickelt. Alles andere jedoch geschah und geschieht im verborgenen. Deswegen war stets viel Spekulation im Spiel, wenn von der Russenmafia die Rede war. Gelegentliche Gewalttaten wie der gewaltsame Tod der ukrainischen Prostituierten Jana Schukowa sorgten ab und an für Schlagzeilen. Aber auch dieser Mord liegt inzwischen fünf Jahre zurück.

Die großen Revierkämpfe sind also auch bei der Russenmafia vorbei. Es bleiben die arabischen Clans, die den Drogenhandel der Stadt beherrschen. Und nun vielleicht die Italiener, die neu ins „Schutzgeldgeschäft“ drängen. Wie das Massaker von Duisburg gezeigt hat, scheuen diese Unterweltler auch vor Mehrfachmorden nicht zurück.


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