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19.01.08 / Wie Bismarck sich als Altkanzler verhielt / Der »alte böse Mann in Friedrichsruh« veröffentlichte den geheimen Rückversicherungsvertrag mit Rußland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Wie Bismarck sich als Altkanzler verhielt
Der »alte böse Mann in Friedrichsruh« veröffentlichte den geheimen Rückversicherungsvertrag mit Rußland
von Manuel Ruoff

Anders als Gerhard Schröder erhielt Otto Fürst von Bismarck nach seiner Kanzlerschaft keinen lukrativen Aufsichtsratsvorsitz vom Herrscher aller Reußen und nach seinem Ausscheiden aus dem Amt wurden die deutschen Beziehungen zu Rußland nicht zugunsten einer engeren Bindung an die USA, sondern an die k. u. k. Monarchie vernachlässigt, doch auch ihm bereitete die Entwicklung der deutschen Rußlandpolitik Sorgen und auch er machte seine Kritik öffentlich.

In einem Interview mit der Wiener „Neuen Freien Presse“ rechtfertigte der Altkanzler seine Offenheit damit, er habe „gar keine persönlichen Verpflichtungen mehr gegen die jetzigen Persönlichkeiten und gegen“ seinen „Nachfolger. Alle Brücken sind abgebrochen.“ Für ihn gehe es nur noch um die Bewahrung seines Erbes, das verspielt zu werden drohe.

1896 ging Bismarck noch einen Schritt weiter, mit dem er sich des Verdachts des Landesverrats aussetzte. Das hat Schröder bis jetzt noch nicht gemacht. Er veröffentlichte einen geheimen Vertrag aus seiner Amtszeit als Kanzler. Am 24. Oktober jenes Jahres ließ er die „Hamburger Nachrichten“ den deutsch-russischen Rückversicherungsvertrag enthüllen.

Gegen den Wirbel, den Bismarck damit verursachte, war jener um Schröders Merkel-Kritik harmlos. Das Echo war gespalten. Die einen zeigten Verständnis. Der ehemalige Regierungschef habe in einem Akt von Notwehr zur Rettung seines Werkes und der Zukunft Deutschlands gehandelt. Die anderen sprachen explizit von „Landesverrat“ und einem gerichtlich zu ahnenden „Staatsverbrechen“.

Besonders pikiert war man verständlicherweise in Österreich-Ungarn, war dieses Land doch tendenziell rußlandfeindlich eingestellt und richtete sich der Rückversicherungsvertrag doch indirekt gegen diesen Staat. Vom Außenminister Agenor Maria Graf Goluchowski wird berichtet, er habe die Veröffentlichung als „zusätzlichen Beweis“ gewertet, „daß Bismarck eine Kanaille ist“, was in seinem Land allerdings „alle längst“ wüßten. Und Kaiser Franz Joseph soll von einem Zeichen „eingetretener Senilität“ beim „alten bösen Mann in Friedrichsruh“ gesprochen haben.

Die Berliner „Welt am Montag“, deren Haltung zu Bismarcks Nachfolgern an etwa mit jener der „Welt am Sonntag“ zu Schröders Nachfolgerin zu vergleichen ist, sprach von einem neuen Fall in einer Kette von „ständigen moralischen Perversitäten“, die auf „zermorschte Nerven“ und ein „greisenhaft verfallenes Gehirn“ schließen ließe.

Bemerkenswerterweise kommt der nicht unbedingt bedeutendste, aber doch immerhin bekannteste Bismarck-Biograph unserer Zeit, Lothar Gall, zu einem ähnlichen Ergebnis: „Franz-Joseph und die ,Welt am Montag‘ waren … in weit stärkerem Maße auf der richtigen Spur, als sie selber ahnten.“ Für den beschrieben Versuch, Bismarcks Enthüllung zu rechtfertigen, zeigt er kein Verständnis: „… als ob die rücksichtslose Aufdeckung der inneren Problematik der deutschen Außenpolitik in der zweiten Hälfte der 80er Jahre und die Enthüllung des Balanceaktes, zu dem der Kanzler sich gezwungen geglaubt hatte, klare Verhältnisse zugunsten Deutschlands zu schaffen imstande gewesen wären und das Vertrauen in das Reich und in seine Bündnistreue verstärkt hätten“.


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