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19.01.08 / Ost-Deutsch (49): Baustelle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Ost-Deutsch (49):
Baustelle
von Wolf Oschlies

„Betreten der Baustelle verboten“ – sollen vor 40 oder mehr Jahren mitunter Briefe adressiert gewesen sein, die Gastarbeiter von zu Hause bekamen. In Unkenntnis der deutschen Sprache hatten diese das nächstgelegene Schild als ihre Adresse angegeben. Später wurde „Ich andere Baustelle“ bei Deutschen ein Synonym für völliges Unverständnis – wie vordem etwa „böhmische Dörfer“. Anders bei Südslawen, wo die „baustela“ sehr bald fest zum heimischen Wortbestand gehörte. Das hat zuletzt im Juli die kroatische Popgruppe „Colonia“ mit ihrem schmissigen „Baustela-Song“ demonstriert: „Upoznali smo se na bausteli“ – Wir lernten uns auf der Baustelle kennen. 

In Porec, auf der Halbinsel Istrien, ist „Baustela“ zu Hause, eine Aktiengesellschaft, die unter dem Slogan „Jeftino i kvalitetno“ (Preisgünstig und hochwertig) international Bauarbeiten ausführt. Den deutschen Namen hat sie wohl von heimgekehrten Gastarbeitern abgelauscht, etwa von serbischen: „Otac je radio na bausteli u Njemackoj“ (Vater hat auf einer Baustelle in Deutschland gearbeitet). In Bosnien wurde kürzlich ein Herumtreiber vor Gericht gestellt, von dem es hieß „isdrshawa se od baustela“ – er erhält sich von Baustellen. In Kroatien erzählte jemand, der beim staatlichen Dienst für Minenräumen arbeitete, gelassen von seiner Arbeit: „Ovo je moja baustela“ – das ist meine Baustelle.

In Mazedonien ist das Wort ebenfalls allgemein gebräuchlich: „Sedischteto na Partijata se pretvara vo baustela“ – der Sitz der Partei hat sich in eine Baustelle verwandelt. Mit der „baustela“ kamen verwandte Begriffe wie „hohbau“, „rohbau“ und andere, die etwas fremd klingen, da jedes „h“ wie „ch“ gesprochen wird. Verständlicher sind Wörter wie „stemati“ (stemmen), „armirati“ (armieren), „salung“ (Einschalung) und viele weitere.

Weiter nördlich findet sich das Wort seltener, ist regional aber in Gebrauch. Im südpolnischen Slask (Schlesien) bezeichnet  „bausztela“ einen Arbeitsplatz, etwa in Borucin, vormals Beckersfelde OS, wo die alte deutsche Kirche seit Jahren eine polnische „bausztela“ ist, um das alte Bauwerk liebevoll zu restaurieren. Eine „bausztela“ ist nie privat, denn ein privater Bau heißt sehr deutlich, sehr deutsch „bauplac“.


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