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26.01.08 / Subventionskarawane zieht weiter / Nokia ist ein Beispiel dafür, daß Milliarden Euro als Lockmittel nur kurzfristig helfen können

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Subventionskarawane zieht weiter
Nokia ist ein Beispiel dafür, daß Milliarden Euro als Lockmittel nur kurzfristig helfen können
von Ansgar Lange

Die deutsche Politik zieht die Konsequenzen aus dem Verhalten der „Subventionsheuschrecke“ (Jürgen Rüttgers) Nokia. SPD-Fraktionschef Peter Struck und Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) gaben ihre Nokia-Handys ab. Seehofer läßt sogar für sein gesamtes Ministerium prüfen, ob ein Boykott dieser Marke zulässig sei. Diese hilflosen symbolischen Handlungen sagen mehr aus als alle wortreichen Analysen. Wenn ein Weltkonzern massiv Arbeitsplätze abbaut und einen Produktionsstandort wechselt, dann ist es aus und vorbei mit der Macht der Belegschaften, Gewerkschaften und Politiker. Ethische Fragen spielen dabei keine Rolle, es geht nur um Rendite, Aktionärsinteressen und Wettbewerbsfähigkeit. Daß der finnische Handyhersteller keine warmen Gefühle für Bochum oder das Ruhrgebiet, wo 23000 Beschäftigte und weitere 2000 Stellen bei Zulieferern und Leiharbeitern betroffen sind, empfindet, muß nicht eigens begründet werden. So ist eben die Globalisierung.

Warum geht Nokia nach Rumänien? Diese Frage konnte noch nicht geklärt werden. Daß Rumänien das Ruhrgebiet in puncto Ausbildungsniveau übertrifft, wird wohl niemand behaupten wollen. An den Lohnkosten kann es auch nicht liegen. Insgesamt machen die Lohnkosten nur fünf Prozent der Herstellungskosten eines Gerätes aus. Daß Nokia-Deutschland-Chef Goll gegenüber der „Bild“-Zeitung dann schwadronierte, „man wolle zunehmend flexibel auf Kundenwünsche reagieren“, ist übliches Manager-Bla-Bla.

Fakt ist, daß der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen nach eigenen Angaben einst 60 Millionen Euro Subventionen an Nokia für den Aufbau des Standorts Bochum gezahlt haben. Dies ist kein Einzelfall. Das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium teilte mit, in den vergangenen zehn Jahren habe es 120 Förderfälle dieser Art zwischen Rhein und Weser gegeben. Dafür seien insgesamt 443 Millionen Euro ausgezahlt worden. Der größte Betrag floß an die Finnen. Die Vermutung liegt nahe, daß die Rumänen oder die EU Nokia nun wieder an einen anderen Standort gelockt haben.

Der EU-Abgeordnete Markus Pieper (CDU), regionalpolitischer Vizekoordinator der EVP-ED Fraktion im Europäischen Parlament, erklärte unterdessen, Nokia erhalte keine EU-Gelder für den Arbeitsplatzabbau in Deutschland. Die europäischen Fördergelder für das Unternehmen seien bisher nur in Maßnahmen zum Ausbau der Infrastruktur geflossen. Recherchen bei der EU-Kommission hätten ergeben, daß diese europäische Infrastrukturförderung den Aufbau eines Technologieparks in Rumänien unterstütze, von dem jedoch auch andere Unternehmen profitierten. EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso, dessen Heimatland Portugal trotz gewaltiger Subventionen den Strukturwandel immer noch nicht geschafft hat, markierte gegenüber dem Zahlmeister Deutschland den Schullehrer: Seine „deutschen Freunde“ unter den Politikern sollten endlich mal den Mut haben, auch über die Vorteile der EU-Erweiterung aufzuklären.

Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ berichtete unterdessen, im vergangenen Jahr seien bereits 33 Millionen Euro an öffentlichen Subventionen geflossen, um ein neues „Nokia Village“ aufzubauen. Woher das Geld genau stammt, bleibt offen. Dieser Betrag liegt laut EU-Kommission unterhalb der Schwelle, die eine Anmeldung in Brüssel erfordert.

Doch was können deutsche Politiker tun, um die Produktion im Land zu behalten und Arbeitsplätze zu schaffen? Sind Subventionen überhaupt noch der richtige Weg, wenn niemand den ganzen Förderzirkus durchschauen kann? Laut Subventionsbericht der Bundesregierung betrugen 2005 die Subventionen 55,6 Milliarden Euro. Nach einer Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) beliefen sich die Subventionen von Bund, Ländern, Kommunen sowie der EU in Deutschland 2005 jedoch sogar auf 144,8 Milliarden Euro oder 6,5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung.

Dabei wurde eine breite Abgrenzung des Subventionsbegriffs zugrunde gelegt: Berücksichtigt werden „Selektive Vergünstigungen, die Bund, Länder, Gemeinden und andere staatliche Einrichtungen zugunsten ausgewählter Produktionszweige und letztlich bestimmter Personengruppen gewähren“, erläutert ein Lexikon. Neben dem Unternehmenssektor zählen auch öffentliche Betriebe zu den Subventionsempfängern, die private Güter und Dienstleistungen anbieten. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zählen diese zum Staatssektor beziehungsweise als Organisationen ohne Erwerbszweck, während als Subventionen definitionsgemäß nur Hilfen an den Wirtschaftssektor gezählt werden. Insbesondere bei den Ländern und Kommunen kommt das IfW zu weit höheren Subventionen als der Bericht der Bundesregierung; darüber hinaus wird die Beschäftigungsförderung der Bundesanstalt für Arbeit im Umfang von 5,8 Milliarden Euro als Subvention eingeschätzt, was die Regierung nicht tut. Die Hilfen für die Bahn werden von der Bundesregierung ebenfalls nicht aufgeführt, sondern dem Infrastrukturbereich zugeordnet.

Experten fordern daher: Weg mit den Fördermitteln! Dafür die Steuern und Abgaben runter, damit dieses Land endlich wieder in Forschung und Bildung investieren kann. Wenn man ehrlich ist, hat Handy-Produktion in diesem Land keine Chance mehr. Nokias übrige Fabriken stehen nicht ohne Grund in Korea, China, Mexiko und Brasilien. Und demnächst in Rumänien und Ungarn. „Bochum, ich häng’ an dir“ – diese Zeile aus Grönemeyers Heimat-Hymne haben die finnischen Manager nicht auf den Lippen.

Foto: Rüttgers in der Rolle des Rächers: Der Politiker stellte sich hinter die Nokia-Mitarbeiter.


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