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26.01.08 / Schonungslos offen / Britischer Historiker berichtet über die Besatzung der Alliierten in Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Schonungslos offen
Britischer Historiker berichtet über die Besatzung der Alliierten in Deutschland
von Lienhard Schmidt

After the Reich – the brutal history of the Allied Occupation“ – unter diesem Titel brachte der Verlag Basic Books aus New York im vergangenen Jahr ein Werk des britischen Historikers  Giles Macdonogh über die Besatzungszeit der Alliierten in Deutschland ab 1945 auf den Markt. Als Kolumnist der „Finan-cial Times“, mit Beiträgen für „The Times“, „The Guardian“ und den „Evening Standard“, aber auch mit Büchern über Kaiser Wilhelm II. und Fried­rich den Großen hat sich der Autor in der englischsprachigen Welt schon einen Namen gemacht hat.

Der „Sunday Telegraph“ unterstreicht, daß die von Macdonogh nun ausführlich behandelte Thematik lange Zeit in Schweigen gehüllt wurde, weil die Offenlegung der Realitäten niemandem recht schien. Weder den Alliierten, weil solches sie in die Nähe des moralischen Tiefpunktes der vom Hitlerregime begangenen Untaten bringen würde, noch den Deutschen, weil sie nicht der „Weißwäsche“ Hitlers angeklagt sein wollten, wenn sie etwas, was nach jedem anlegbaren Standard Kriegsverbrechen der Sieger waren, deutlich machten.

In mancherlei Hinsicht erinnert die Methode der Darstellung Macdonoghs an Walter Kempowskis letzten Band des Echolots, in dem der Zusammenbruch Deutschlands aus dem Erlebnis von Zeitzeugen aller beteiligten Nationalitäten in erschütternder Unmittelbarkeit und seinem Effekt auf den einzelnen zu erkennen ist. Macdonogh spannt den Bogen weiter. Von der Eroberung Wiens durch die sowjetische Armee im April 1945 bis zur Luftbrücke der Amerikaner 1948 nach Berlin und zur Gründung der ersten Bundesregierung 1949 unter Konrad Adenauer. Die Bedeutung der Beschlüsse der Alliierten (Ca-sablanca und Teheran 1943 sowie Jalta im Februar 1945), der Einfluß des Morgenthau-Plans, die Auswirkungen der Deutschland aufgezwungenen „bedingungslosen Übergabe“, die nur teilweise und meist zu spät von den Westalliierten erkannten Wortbrüche oder einseitigen Interpretationen unscharf verfaßter Abmachungen durch Stalin und deren Hinnahme, die chaotischen Verhältnisse, die sich im Zerfall der letzten Verteidigungsanstrengungen der Wehrmacht und der sich auf immer kleiner werdendem Raum zusammendrängenden Flüchtlings- und Vertriebenenströme in den letzten Kriegswochen ergaben, all dies stellt Macdonogh in seiner Auswirkung auf die Millionen von Opfern dar.

Der Fall Berlins, die Vertreibungen der Deutschen aus den ehemaligen Ostprovinzen des Deutschen Reiches, aus der Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien, die unvorstellbar grauenhaften Verbrechen der SS und anderer Schergen des zusammengebrochenen Hitlerregimes an KZ-Häftlingen unmittelbar vor deren Befreiung, das Verhalten der Alliierten in den vier Besatzungszonen, auch in Österreich, alles findet bei Macdonogh seinen Platz, wie auch die Konferenz der Sieger in Potsdam im Sommer 1945 und die Nürnberger Prozesse.

Er nennt die Fakten, deren Beurteilung sich aus diesen ergibt. Selten sind die Abgründe menschlichen Fehlverhaltens, die Dimensionen des Zusammenbruchs unverzichtbarer Werteordnungen, für die nicht nur Hitler und Stalin verantwortlich waren, so umfassend dargestellt worden, wie es Macdonogh gerade gelungen ist.


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