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26.01.08 / Millionen mit Gewalt / Deutsche »Gangsta«-Rapper erobern die deutsche Hauptstadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Millionen mit Gewalt
Deutsche »Gangsta«-Rapper erobern die deutsche Hauptstadt
von Hans Heckel

Die meisten Eltern in Deutschland haben keinen Schimmer, was ihre Kinder an Musik hören. „Rap“-Musik dröhnt immer öfter durch den MP3-Spieler, das hat sich herumgesprochen. Doch was ist „Rap“ überhaupt? Mitte Januar machte ein Berliner Rap-Idol Schlagzeilen, weil auf ihn geschossen worden war, was womöglich mit einem Bandenkrieg innerhalb der Rapper-Szene zu tun hat.

Am späten Abend des 13. Januar wurde der deutsch-libanesische Musiker Wasiem Taha, Künstlername „Massiv“, auf offener Straße in Berlin angeschossen. War es wirklich ein Bandenkrieg? Zweifler meldeten sich: Schnell wurde in der Öffentlichkeit der Verdacht laut, der 25jährige habe den Vorfall inszeniert, um Werbung für sein neuestes Album zu machen. Auffällig: Schon 25 Minuten nach dem Anschlag wurde die Tat auf Tahas eigener Internet-Seite publik gemacht, als sich der Angeschossene noch auf dem Weg in die Klinik befand, wo er nur ambulant behandelt wurde. Sein Sprecher berichtete von einem Durchschuß durch die Schulter, bei dem Taha „viel Blut verloren“ habe. Die Polizei spricht hingegen lediglich von einem aus nächster Nähe abgefeuerten Streifschuß am Oberarm.

Faules Theater oder nicht: Der Zwischenfall mit „Massiv“ richtet den Blick auf eine Musik-Szene, die zunehmend im Zusammenhang gebracht wird mit der eskalierenden Jugendgewalt in Deutschland und anderswo, den „Rap“ oder „Hiphop“, jenen Sprechgesang, der sich von der schwarzen Subkultur Nordamerikas ausgehend seit einem Vierteljahrhundert in Wellen über die Welt verbreitet. „Rap“ ist die Abkürzung für „Rhythm and Poetry“, Rhythmus und Dichtung – Reime, die zu monotonen Rhythmen gesprochen werden, dazu Gesangseinlagen.

Als harten Kern des Rap kristallisierte sich seit Ende der 80er Jahre der sogenannte „Gangsta Rap“ heraus, in slanghafter Anspielung auf „Gangster“ im Sinne von Mitglied einer Jungendgang, also Bande. Gangsta-Rapper setzen bewußt aufreizend ihre – wirkliche oder gespielte – Herkunft aus dem oder Zugehörigkeit zum kriminellen Milieu in Szene. Reichlich schmuck-behangen, mit Geld und überlangen „Stretch“-Limousinen und Markenklamotten protzend wippen sie, umgeben von leichtbekleidete Frauen, durch ihre Musik-Clips und spielen den Zukurzgekommenen vor: Ich hab’s geschafft! Aber nicht durch harte Arbeit, sondern als eiskalter „Gangsta“.

Seit langem streiten Psychologen, Sozialforscher oder Jugendbetreuer darüber, was der Rap mehr ist: Bloßer Ausdruck vom Frust der „Ghetto-Kids“ und Spiegel ihrer pubertären Träume oder etwa Ansporn, den falschen Weg von Gewalt und Kriminalität nachzugehen, der anscheinend ohne lästige Anstrengungen in Schule, Ausbildung und Beruf zum schnellen Erfolg führt.

In Deutschland hatte es der Rap zunächst schwer im Plattengeschäft. In den 80er Jahren verharrte er im kaum kommerziellen Bereich jugendlicher Clubs, auch reimten die Protagonisten durchweg auf englisch. Erst Anfang der 90er schafften deutsche Gruppen mit deutschen Texten den Durchbruch, allen voran die „Fantastischen Vier“ aus Stuttgart. In den 90ern dominierte in Deutschland der „Spaß-Rap“ mit humorigen Texten über Mädels und Partys.

Um 2000 änderte sich das: Der „Battle-Rap“ griff um sich (von „battle“, englisch für Schlacht). Das „Dissen“, in den USA längst Gang und Gäbe, wurde auch in Deutschland populär. Beim „Dissen“ zieht ein Rapper über einen anderen her. Im besseren Fall entstehen so rhetorisch-musikalische Wettbewerbe auf offener Bühne, und das Publikum entscheidet anschließend, wer besser war. Im schlechteren artet das „Dissen“ zum persönlichen Krieg und schließlich zum Bandenkrieg aus. In den USA fielen bereits mehrere bekannte Rapper tödlichen Anschlägen zum Opfer. Die Schüsse auf Wasiem Taha alias „Massiv“ sehen manche Beobachter als Anzeichen dafür, daß der deutsche Rap seinem blutigen US-Vorbild folgt. Handfeste Auseinandersetzungen im Rap-Milieu waren bereits vor dem Anschlag registriert worden.

Ist der Rap dort mit Ausnahmen von Schwarzen beherrscht, dominieren sein deutsches Pendant seit Anfang des Jahrzehnts junge Männer aus Zuwandererfamilien, vor allen aus türkischen und arabischen. Die Fronten zwischen Rappern und ihren Anhängern verlaufen allerdings kreuz und quer: Mal sind es einfach nur Plattenstars, die gegeneinander aufhetzen, mal stecken Insider-Informationen, aber auch orientalische Mafia-Clans dahinter, die ansonsten tief ins Geschäft mit Drogen und Prostitution verstrickt seien. Die Stars des deutschen Gangsta-Rap seien nicht selten in solche Strukturen involviert, behaupten Kenner der Szene.

Ihre Texte jedenfalls strotzen vor Gewalt. Rap-Texte wie „Ich bin der Junge, der euch Blei in den Magen feuert“ geben Aufschluß über die wachsende Gewaltenthemmung. In Interviews ziehen sich die Protagonisten gern darauf zurück, nur Sprachrohr „benachteiligter“ Jugendlicher, insbesondere aus dem Migrantenmilieu, zu sein.

Der Anspruch schützt sie indes recht erfolgreich vor der Empörung des linken Milieus. Frauen, Homosexuelle und Angehörige anderer Nationen oder Religionen haben in den Reimen der Rapper oft keine guten Karten, ja, werden offen verhöhnt und angegriffen. In anderen Zusammenhängen verbreitet, hätten diese Texte, die ganz offen diskriminieren, längst zu heftiger Entrüstung geführt. In ihrer Rolle als „Stimme der Benachteiligten“ sieht man den Gangsta-Rappern dies ebenso bereitwillig nach wie ihre auf Platte gebrannten Gewaltphantasien.

Foto: Ghetto-Image: Rapper inszenieren Herkunft aus der Unterschicht

 

Zeitzeugen

Sido – Eine Totenkopfmaske war lange sein Markenzeichen, doch seit 2005 zeigt der 28jährige Sohn eines Sinti und einer Deutschen auch sein Gesicht. Sido (steht für „Superintelligentes Drogenopfer“) wuchs zwar in einer Berliner Hochhausgegend auf, allerdings geht das Gerücht um, er habe Abitur, was nicht in sein Ghettoimage paßt, so daß er behauptet, er wäre wegen Drogenkonsums vom Gymnasium geflogen. Einige seiner Songs wurden bereits von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdete Medien (BPjM) begutachtet, aber nicht beanstattet.

Tupac Shakur – 1971 in Brooklyn geboren versuchte der Rapper sich erst im Drogenhandel, dann vertonte er seine Ghettoerfahrungen erfolgreich. 1996 wurde der mehrfach Vorbestrafte von einem Unbekannten erschossen.

Bushido – Auch Anis Mohamed Youssef Ferchichi, der unter dem Künstlernamen Bushido 2006 den MTV Music Award für den besten deutschen Künstler erhielt, hat Bekanntschaft mit der Polizei gemacht. Für den 29jährigen sind Drogenkonsum und Gewalt nichts Verwerfliches, was er in seinen Liedtexten deutlich macht. Der Deutsch-Tunesier ist für seine nationalistischen, rassistischen und frauenfeindlichen Texte bekannt. Außerdem wirft man ihm mangelnde Distanz zu rechtsextremen Kreisen vor. Einige seiner Lieder sind von der BPjM als jugendgefährdend eingestuft worden.

Eminem – Der mit Preisen überhäufte US-Rapper ist Vorbild vieler Musiker dieses Genres. Schon die Familie des 1972 Geborenen neigte zu Drogenkonsum und Gewalt. Als einer der ersten Weißen wagte sich Eminem in die von Schwarzen dominierte Rap-Szene. Seine Gewalt-Phantasien kamen aber gut beim Publikum an.

Massiv – Vorvergangene Woche wurde auf den Gangster-Rapper in Neukölln geschossen, wobei er nur leicht verletzt wurde. Die Polizei ermittelt derzeit gegen Massiv selbst, da sie einen PR-Gag vermutet. Der 25jährige Wasiem Taha ist Sohn palästinensischer Flüchtlinge, den es schon früh in die Berliner Hip-Hop-Szene zog. Gewalttätige Ausschreitungen sind bei den Konzerten des sich mit seinen Kontakten in die Unterwelt Brüstenden an der Tagesordnung.


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