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26.01.08 / »Zu den Waffen, Bürger!« / Lieder, die zur Anwendung von Gewalt anstacheln, finden wir bereits lange vor dem Rap

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

»Zu den Waffen, Bürger!«
Lieder, die zur Anwendung von Gewalt anstacheln, finden wir bereits lange vor dem Rap
von Manuel Ruoff

Rap versteht sich auch als Protestmusik gegen die bestehenden Verhältnisse. Zum Teil ruft er zur Anwendung von Gewalt gegen die bürgerliche Ruhe, Ordnung und Gesellschaft auf. Knapp 220 Jahre ist es jetzt her, daß das Bürgertum seinerseits, in concreto der Dritte Stand, in der größten seiner Revolutionen, der 1789 begonnenen französischen, ein Lied schuf, das hinsichtlich seines Verhältnisses zur Gewalt nicht unproblematisch ist – „Ça ira“.

Am 14. Juli 1790 konnten die Franzosen den ersten Jahrestag des Beginns ihrer Revolution feiern. In jenen Tagen entstand mit „Ça ira“ das erste große Revolutionslied. Wer das auch als „çarillion national“ bekannte Lied schon einmal gehört hat – beispielsweise gesungen von der legendären Edith Piaf – wundert sich nicht mehr über dessen Erfolg. Die schnelle, flotte, mitreißende, aufpeitschende Melodie hat Ohrwurmqualität. Das ist ein Rhythmus, bei dem man mit muß. Ähnlich wie bei dem nicht minder bekannten Bolero von Maurice Ravel wird eine zusätzliche Dramatik dadurch erzeugt, daß das eingängige Hauptmotiv nach der Vorstellung in einer höheren Tonlage wiederholt wird, was eine Steigerung bis fast hin zur Hysterie erzeugt.

Im Zuge der Revolution ist diese Melodie mit unterschiedlichen Texten gesungen worden. Die einen drücken die Hoffnung aus auf eine bessere Zukunft, andere jedoch auch den Haß auf das Ancien régime. So heißt es in einer der bekanntesten, wenn nicht der bekanntesten Fassung: „Die Adeligen an die Laterne! … Die Adeligen werden wir aufknüpfen! … Der österreichische Sklave kommt auch noch an die Reihe, Er wird zum Teufel gehen.“

Noch bekannter dürfte ein anderes Lied aus dieser Revolution sein, das kaum weniger blutrünstig ist – die „Marseillaise“, die Hymne der Französischen Republik.

Frankreichs heutige Nationalhymne wurde 1792 von Claude Joseph Rouget de Lisle in Straßburg verfaßt. Ihr Titel hatte ursprünglich „Chant de guerre pour l’armée du Rhin“ gelautet, entsprechend der ihr zugedachten Aufgabe „Kriegslied für die Rheinarmee“ zu sein. In diesem Lied heißt es: „Versetzt Eure Schläge … diese blutrünstigen Despoten, … diese Komplizen von Bouillé. Alle diese Tiger, die erbarmungslos die Brust ihrer Mutter zerfleischen! Zu den Waffen, Bürger! Formiert eure Bataillone, Vorwärts, marschieren wir! Damit unreines Blut unserer Äcker Furchen tränke!”

Dagegen ist das Kampflied der internationalen sozialistischen Arbeiterbewegung – die „Internationale“ – geradezu harmlos.

Dort heißt es „nur“: „Reinen Tisch macht mit den Bedrängern! … Die Müßiggänger schiebt beiseite!“

Diese Beispiele aus der Musikgeschichte des Dritten Standes und der Arbeiterbewegung zeigen, daß es nichts Besonderes ist, wenn in Musik von Mitgliedern beziehungsweise für Angehörige einer tatsächlich oder vermeintlich diskriminierten Unterschicht zu Gewalt und Zuwiderhandlungen gegen die bestehende Ordnung aufgefordert wird. Möglicherweise sticht uns die heutige musikalische Gewaltaufforderung nur stärker ins Auge, weil die Gewalt, zu der aufgefordert wird, dumpf und ungezielt ist und diese Aufforderung zur Gewalt heutzutage nicht mehr nur Bestandteil einer Subkultur ist, sondern vielmehr in hohem Maße gesellschaftsfähig gemacht worden ist.


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