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26.01.08 / Es fehlt eine einheitliche Strategie / Afganistan-Einsatz gewinnt neue Qualität – Vernichtender Bericht über die Bundeswehr-Führung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Es fehlt eine einheitliche Strategie
Afganistan-Einsatz gewinnt neue Qualität – Vernichtender Bericht über die Bundeswehr-Führung
von Rebecca Bellano

Der Aufschrei gerade aus dem linken Parteien-Spektrum war groß, als es vergangene Woche hieß, daß 250 Bundeswehr-Soldaten voraussichtlich die militärischen Aufgaben der aus dem Norden Afghanistans abziehenden Norweger übernehmen sollten. „Quick Reaction Force“ (QRF) – schnelle Eingreiftruppe – so der Name der Einheit, die Aufgaben der Deutschen nun von den Skandinaviern übernehmen sollen. Schon der Name deutet an, daß es hier gefährlich werden könnte.

Auf die Deutschen, die nicht umsonst in der Gruppe der Alliierten bestenfalls als Brunnen- und Schulenbauer belächelt werden, schlimmstenfalls gar als Drückeberger verschrien sind, können also ganz neue Aufgaben zukommen, zumindest wird es derzeit so dargestellt. Sicherheitsexperten sprechen gar von einer „Wende in der deutschen Sicherheitspolitik“, weil 250 Soldaten nun verstärkt Gefahr laufen, ihre Waffe gebrauchen zu müssen.

Aus Sicht der Amerikaner, Kanadier, Briten und Niederländer, die sich fast täglich im hart umkämpften Süden Afghanistans gefährliche und somit verlustreiche Gefechte mit den Taliban liefern, ist die deutsche Diskussion alberne Hysterie. Die britische Boulevard-Zeitung „Sun“ zeigte im Dezember unter der Schlagzeile „Afghanische Rumhänger entlarvt: Deutsche spielen, während unsere Jungs kämpfen“ ein Foto, das Bundeswehrsoldaten beim Tischfußball zeigt. Die Bundesregierung würde also auf wenig Verständnis stoßen, wenn sie im Sommer die Übernahme der schnellen Eingreiftruppe von den Norwegern verweigern würde. Und auch deutsche Kreise zeigen wenig Verständnis für die Sorge der Linkspartei, die Deutschen könnten im Rahmen des neuen Einsatzes den Rahmen des Isaf-Mandates im Norden Afghanistans überschreiten, indem sie während eines Notfalls in den Süden gerufen werden. Der frühere Bundeswehr-Generalinspekteur Klaus Naumann warnt: „Deutschland muß entscheiden, ob es ein verläßlicher Bündnispartner sein will. Wir können uns nicht hinter unserer Geschichte verstecken.“ Thomas Raabe, Sprecher des Verteidigungsministeriums, versucht auch zu beruhigen. So hätte die Entsendung des gewünschten Kampfverbandes keineswegs eine neue Qualität, denn schon jetzt seien Bundeswehr-Soldaten an den Einsätzen der Norweger beteiligt gewesen. So etwa, indem sie Konvois Schutz geboten, bei der Befreiung von Soldaten befreundeter Nationen geholfen oder bei unruhigen Menschenmassen mit für Ruhe gesorgt hätten. Und während bei den Deutschen, deren Einsatz schwerpunktmäßig bei Patrouillen und der Wiederaufbauhilfe liegt, schon 26 Soldaten ihr Leben verloren, wurde zumindest kein norwegischer Soldat aus der schnellen Eingreiftruppe getötet.

„Aus militärischer Perspektive ist der QRF-Einsatz so sicher wie kaum eine andere Einheit; es handelt sich um eine extrem robuste Truppe“, klärt der norwegische Oberstleutnant John Inge Øglænd auf. Zudem sei die schnelle Eingreiftruppe viel besser geschützt als die Soldaten anderer Einsatztruppen am Hindukusch.

Und während sich deutsche Parlamentarier noch darüber streiten, wie weit deutsche Soldaten ihr Isaf-Mandat einhalten müssen, dürfen oder sollen, machte die Wochenzeitung „Die Zeit“ einen Bericht publik, der offenbarte, daß es in der Bundeswehr-Führung Probleme von existentieller Art gibt, die das Leben eines jeden deutschen Soldaten im Auslandseinsatz gefährden können.  Und das Allerschlimmste an den Offenbarungen ist, daß sie keineswegs neu, sondern nur geheimgehalten worden sind. So wurde den Journalisten der Wochenzeitung ein 55 Seiten starker Bericht bekannt, der dem Verteidigungsministerium schon seit Sommer 2007 vorliegt. Hierin kritisiert eine Expertengruppe aus hochrangigen ehemaligen Generälen eine Vielzahl von gravierenden Organisationsmängeln. So leide die Bundeswehr unter einem Defizit an abgestimmter Führung, fehlender strategischer Planung, teilweise bizarrer Bürokratie und einer Kontrollwut des Berliner Ministeriums, so die „Zeit“.

Wie geheim dieses für das Verteidigungsministerium desaströse Zeugnis war, zeigt auch die Tatsache, daß selbst der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, erst über den Artikel in der „Zeit“ von der Existenz des Berichtes erfuhr. Erst auf diesem Wege erlangte er Details, wie daß die Bundeswehr am Hindukusch drei Jahre lang auf angeforderte Störsender warten mußte. Diese schützen Konvois vor Sprengfallen, die mit einem Handy gezündet werden. Derartige „Lieferschwierigkeiten“ können Leben kosten. Die quälend langen Befehlsstränge und das Kompetenzgerangel von fünf für die Auslandseinsätze zuständigen Stellen, nämlich dem Verteidigungsministerium, dem Einsatzführungskommando in Potsdam und den drei Teilstreitkräften Heer, Marine und Luftwaffe waren Robbe allerdings bereits bekannt.

Das vernichtendste Urteil ist jedoch die Auffassung der Experten, daß es der Bundeswehr vor allem an einer ressortübergreifende Strategie fehle.

Foto: Hart getroffen: Bundeswehr-Soldaten klagen über Ausrüstungsmängel und unklare Aufträge.


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