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26.01.08 / Ost-Deutsch (50): Reißverschluß

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Ost-Deutsch (50):
Reißverschluß
von Wolf Oschlies

Menjam rajfersluse na vasoj garderobi“ (Ich ändere Reißverschlüsse an Ihrer Garderobe) – diese Belgrader Annonce hat unlängst Heiterkeit ausgelöst. Allerdings nicht wegen des Wortes: Der „rajferslus“ ist bei allen Südslawen längst fest eingeführt und provoziert keine Fragen mehr.

Was bei uns anders war. „Wie sieht der Erfinder des Reißver-schlusses aus?“ fragte Kurt Tu-cholsky im Oktober 1928 in der „Vossischen Zeitung“ und gab darauf eine phantasievoll-witzige Antwort, gipfelnd in der weiteren Frage, wie ein Reißverschluß eigentlich funktioniert. Das, lieber Tucho, weiß heute jedes Kind. Erfunden hat ihn 1893 der amerikanische Ingenieur Whitecomb Judson aus Chicago, und er funktioniert als gegenüberstehende Gliederketten, die durch einen Schieber verhakt oder gelockert werden.

International bekam die Erfindung den lautmalerischen Namen „Zipp“, nur im Deutschen bürgerte sich der sperrige Begriff „Reiß-verschluß“ ein. Ausgerechnet den haben Südslawen übernommen, wie der Belgrader „Telegraf“ be-reits im Februar 1999 erklärte: „Das Wort rajsferslus ist deut-schen Ursprungs (Reißver-schluß), aber bei uns wird es oft in der verschlampten, jedoch leichter zu sprechenden Form rajfer-slus verwendet.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert: Der „raj(s)ferslus“ – mit oder ohne „s“, kyrillisch oder lateinisch geschrieben – ist bei Kroaten, Bosniern, Serben und anderen in alltäglichem Gebrauch. Das geht bis zu Witzen: „Kad dve stonoge vode ljubav dobije se – rajferslus“ (Wenn sich zwei Tausendfüßler paaren, entsteht ein – Reißver-schluß). Üblicher ist der Begriff in textilen Bezügen: „Jedno urto nije mogla da zatvori rajsferslus“ (Ei-nes Morgens konnte sie den Reißverschluß nicht schließen). Aus Bosnien kam ein Bericht, daß es einträglicher sei, zu betteln, als in einem Laden „konce, igle, cesljeve i rajfersluse“ zu verkaufen, also Fäden, Nadeln, Kämme und Reißverschlüsse. Daneben bestehen neue Überlegungen, ob man zum Beispiel in der Chirurgie einen „rajsferslus za rane“ (Reißverschluß für Wunden) einsetzen könne. Das erinnert mich an un-zählige Witze, wie man verlorene oder verletzte Körperteile per „rajferslus“ wiederherstellen kön-ne. Aber da setze ich mir lieber einen „rajferslus na usta“ – einen Reißverschluß auf den Mund.


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