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26.01.08 / Arm bleibt arm, reich wird reicher / Die galoppierende Inflation in Rußland gerät außer Kontrolle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Arm bleibt arm, reich wird reicher
Die galoppierende Inflation in Rußland gerät außer Kontrolle
von M. Rosenthal-Kappi

In Moskau  und anderen russischen Städten  stehen Menschen an Marktständen Schlange, um sich mit dem einzudecken, was es zu kaufen gibt. Zenterweise schleppen sie Säcke mit Kohlköpfen nach Hause. Es sind  Bilder, die an längst vergessene Zeiten erinnern. Der Grund für diese Art von Hamsterkäufen ist die Angst vor immer weiter steigenden Preisen.

Seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres stieg die Inflation in Rußland sprunghaft an, die Preise auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs verteuerten sich durchschnittlich um bis zu 30 Prozent.  Entgegen der von der Regierung vorausgesagten Inflationsrate von sechs bis sieben Prozent für 2007 wurde jetzt die tatsächliche offiziell mit zwölf Prozent  bekanntgegeben.

Eine Inflationsrate in dieser Höhe hat verheerende Auswirkungen für die russische Binnenwirtschaft und den Wohlstand der Bürger, vor allem der Rentner und Geringverdiener. Bereits 2007 sah die Regierung sich daher gezwungen einzugreifen. Sie fror die Preise für Grundnahrungsmittel ein und versprach, die Renten an das Existenzminimum von 3809 Rubel monatlich (entspricht 106 Euro) anzuheben. Weil allein in den ersten zwei Wochen des Januar der Preisanstieg weitere 1,4 Prozent betrug, beschloß die Regierung, den Rentnern nun 3961 Rubel (110 Euro) zu zahlen. Daß dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein bedeuten kann, beweist die Tatsache, daß die zunächst zeitlich begrenzte Maßnahme zur Einfrierung der Grundnahrungsmittelpreise auf unbestimmte Zeit verlängert wird.

Das Einfrieren der Preise hilft den Menschen allerdings nicht wirklich, da sie nur für eine sehr beschränkte Warenpalette gilt. Die Hersteller und Einzelhändler gleichen ihre Verluste aus, indem sie den gewährten Nachlaß bei anderen Produkten wieder aufschlagen. Da seit Oktober in Rußland Milch  aufgrund der gestiegenen Nachfrage in Ländern wie China knapp geworden ist, bleibt die Situation bei den Preisen für Milch und Käse trotz der staatlichen Maßnahme schwierig. Sie verteuerten sich im Schnitt um 20 Prozent. Außerdem müssen russische Bürger für Energieversorgung, öffentliche Verkehrsmittel und kommunale Dienste höhere Preise zahlen.

Insgesamt war das Jahr 2007 für die Regierung Putin innenpolitisch eher angespannt. Der Ölpreis wurde sowohl im Inland als auch bei den benachbarten „Freundesstaaten“ (Ukraine, Weißrußland) angepaßt, Geld aus dem Stabilisierungsfonds mußte zur Unterstützung der Bevölkerung locker gemacht werden. Die Opposition hat das Thema Inflation für den Wahlkampf auf ihre Fahnen geschrieben. Es  könnte 2008 das Hauptthema werden.

Die eilig ergriffenen Maßnahmen zur sogenannten Kontrolle und Säuberung der Märkte haben nicht zur Besserung der Lage beigetragen, auch nicht, daß die Regierung in einem Rundumschlag sowohl Hersteller als auch Groß- und Einzelhändler beschuldigte, an den Preissteigerungen schuld zu sein.

Der Grund für die explodierende Inflation ist in Rußlands anhaltendem Wirtschaftsboom zu suchen. Öl und Gas tragen paradoxerweise zu Rußlands Erfolg und Problemen gleichermaßen bei. Der im vergangenen Jahr rasant gestiegene Ölpreis hat zum einen die Produktionskosten russischer Hersteller verteuert, zum anderen mußten Russen für Benzin und Heizung mehr zahlen. Zugleich flossen übermäßig Petrodollars nach Rußland. Da insgesamt der Zuzug von ausländischem Kapital nach Rußland zugenommen hat, – es könnte mit 85 Milliarden Dollar ein Rekordjahr gewesen sein –, sah sich die russische Zentralbank gezwungen, zusätzliche Rubel zu drucken, um den Devisenwechsel gewährleisten zu können. Dies bedeutet, daß mehr Geld im Umlauf ist, als an Waren und Dienstleistungen angeboten werden kann – besonders der einheimischen Produktion. Der Vorteil, den die Stärkung des Rubel und seine Konvertierbarkeit zunächst brachten, ist durch die hohe Inflation zunichte gemacht worden: Ggegenüber ausländischen Herstellern hat sich ihre Konkurrenzfähigkeit  russischer Produzenten verringert. Dies trifft besonders für Branchen außerhalb des Energiesektors zu.

Obwohl die Gehälter der arbeitenden Bevölkerung vielfach den gestiegenen Preisen angepaßt wurden, ist das Leben im Land nicht besser geworden. Ihre Gehaltserhöhungen verdanken sie verschärften Kontrollen durch die Finanzbehörde, die Firmeninhaber anhielt, angemessene Löhne zu zahlen und für ihre Mitarbeiter Sozialabgaben und Steuern abzuführen. Das Wahlgeschenk der Regierung an die Rentner – laut Finanzminister Kudrin wurden 30 Milliarden Rubel aus dem Budget des Pensionsfonds zur Verfügung gestellt, die er durch höhere Beiträge zur Rentenversicherung gegenfinanzieren will.

Laut Analysten wird es Rußland 2008 nicht gelingen, die Inflationsrate auf unter sieben Prozent zu bringen. Umfragen beweisen, daß es Armen schlechter gehen wird, und Reiche profitieren.

Foto: Rußland im Jahr 2008: Rentner stehen nach Lebensmitteln direkt vom Produzenten an, um Vorräte anzulegen.


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