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26.01.08 / Orgel der Superlative eingeweiht / Im Königsberger Dom fand ein Festkonzert mit bekannten Künstlern statt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Orgel der Superlative eingeweiht
Im Königsberger Dom fand ein Festkonzert mit bekannten Künstlern statt
von Jurij Tschernyschew

An einem Januarabend fand unter dem Gewölbe des Doms in Königsberg ein besonderes Ereignis statt. Die Leute strömten lange vor Beginn der Feier dorthin. Alle warteten in geduldiger Erwartung darauf, das Königsberger Wunder zu sehen und zu hören – den neuen Orgelkomplex. Eigentlich hatte er schon vor einem Monat eingeweiht werden sollen, aber aufgrund von technischen Problemen hatte die feierliche Einweihung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden müssen. Besonders aufgeregt hatte dieses vor allem diejenigen, die am Entstehen der Königin der Musik, der großen Orgel, mitgewirkt hatten.

In diesem Moment stellte sich an jenem Januarabend der erste Organist ein, der auf der neuen Orgel spielen würde: der Professor des Kasaner Staatlichen Konservatoriums Rubin Abdullin. Den Journalisten sagte er: „Ich habe auf vielen Orgeln in verschiedenen Ländern gespielt, aber die Königsberger Orgel ist für mich etwas ganz Besonderes“, und dann bat er höflich darum, ihn mit der Orgel allein zu lassen, damit er seine Gedanken für den Auftritt sammeln könne.

Gleichzeitig bereitete sich in einer anderen Ecke des Saales Professor Pawel Lando vom Moskauer Staatlichen Tschajkowskij-Konservatorium, der eigens für die Eröffnungszeremonie eine Sinfonie in drei Sätzen für zwei Orgeln, Symphonieorchester, Klavier und Gesang komponiert hatte, auf das Konzert vor. Seinem eigenen Bekenntnis nach hat er zum ersten Mal in seinem Leben für die Orgel komponiert. Unter den Zuschauern befanden sich überwiegend Vertreter der kulturellen Elite der Stadt: Diplomaten, Schriftsteller, Künstler, Professoren und Musiker. Als sie den Saal betraten, blickten sie zuerst nach oben, wo sie den Schuldigen für das Fest vermuteten – die große Orgel. Begeistert riefen sie: „Welch eine Schönheit, welch ein Wunder, was für ein Kunstwerk!“

Bei der Eröffnungszeremonie blieben die üblichen langen Reden der Stadtvertreter aus, und es gab auch keine roten Bänder, wie sie bei allen möglichen Neu-Eröffnungen üblich sind. Nach einer kurzen Rede in Form einer Exkursion in die Geschichte der Orgel, welche die Musikwissenschaftlerin Jelena Romanowa hielt, und den Danksagungen an die Menschen und Firmen, die sich aktiv an der Verwirklichung des Orgelprojekts beteiligt hatten, ertönte endlich Musik.

Diesem Musikfest waren jedoch lange und mühsame Arbeiten vorausgegangen. Die Idee, die große Orgel wiederaufzubauen, wurde schon vor zehn Jahren geboren, als die Restaurierung des Doms in vollem Gange war. Die Entscheidung, die große Orgel wiederherzustellen, war während der Vorbereitungen zur 750-Jahrfeier Königsbergs gefallen. Für die Finanzierung der Arbeiten waren auf Anordnung des russischen Präsidenten Wladimir Putins 150 Millionen Rubel (gut vier Millionen Euro) aus dem Staatshaushalt bereitgestellt worden.

Die Orgel sollte nach Vorkriegzeichnungen rekonstruiert werden. Deshalb ging den Restaurierungsarbeiten eine mühsame Suche und Forschung in deutschen und russischen Archiven voraus, dank derer der dekorative Teil der Orgel mit kunstvollen Holz-Schnitzereien im Barockstil ausgestattet wurde. Die Figuren der Jungfrau Maria und der Engel wurden von Königsberger Meistern hergestellt; sie sind mit Blattgold überzogen. Die ganze Orgel ist mit einigen Dutzend geschnitzter Figuren geschmückt. Während die Musik erklingt, werden sie von einer speziellen Mechanik in Bewegung gesetzt. Am Sockel der Orgel ist das Wappen Königsbergs angebracht.

Mit der Wiedererrichtung der großen Orgel wurden Spezialisten der bundesdeutschen Firma „Alexander Schuke“ beauftragt. Allein für den Bau des einzigartigen Instruments benötigten die deutschen Orgelbauer acht Monate. Instrumente dieser Firma wurden schon in Moskau, Irkustk und Nischnij Nowgorod aufgestellt. Die deutschen Meister verwendeten für die Dekoration der Orgel schwarzes Holz und Kirsche. Der Aufbau der Orgel erinnert an eine Ikonostase, deren biblische Themen sich jedoch mit antiken verflechten. Die große Orgel ist in der Tat ein bedeutendes Kunstwerk geworden, das nicht nur Königsberger, sondern auch kunstbegeisterte Gäste der Stadt beeindruckt. Ihre Höhe gleicht einem dreistöckigen Gebäude. Äußerlich ist die große Orgel eine genaue Kopie der Vorkriegsorgel – die während der Bombenangriffe der englischen und US-amerikanischen Luftstreitkräfte im April 1944 verbrannte – doch das Instrument selbst ist mächtiger und moderner. Die Vorkriegsorgel wurde 1721 im Königsberger Dom errichtet. Sie hatte 5400 Pfeifen und 62 Register. Die neue große Orgel wurde, nicht nur in Ostpreußen, sondern in ganz Europa die größte und mächtigste in ihrem Klang. Sie hat 90 Register und 6500 Pfeifen. Jede Orgelpfeife besteht aus einem Zinn-Blei-Gemisch. Die kleinste hat eine Länge von etwas über einem Zentimeter, die größte ist über zehn Meter hoch.

Die Montage der Orgel hat im vergangenen Jahr begonnen und wurde erst im Dezember beendet, weil für den Bau der Orgel mehrere Monate benötigt wurden. Sie wurde nun an ihrem historischen Ort aufgestellt, im zweiten Flügel des Königsberger Doms, gegen­über dem Altar. Schon 2006 gab es eine kleine Chororgel im Dom, die neben dem Altar aufgebaut worden war.

Die neue große Orgel ist mit einem modernen Computersystem zur Steuerung der Register ausgestattet. Die große Orgel ist mit Glasfaserkabeln mit der kleinen Orgel verbunden, so daß es möglich ist, daß zwei Organisten gleichzeitig spielen. Sie können sich während eines Konzerts unterhalten und sehen sich gegenseitig auf Computermonitoren. Darüber hinaus ist die große Orgel rund um die Uhr übers Internet mit dem Büro der Firma „Alexander Schuke“ verbunden, und im Fall eines Defekts am Instrument erfährt die Firma in der Bundesrepublik Deutschland dies sofort und schickt einen Spezialisten zur Fehlerbehebung nach Königsberg.

Die Gäste, welche die Einweihung der großen Orgel miterlebten, hatten für knapp zwei Stunden die Möglichkeit, sich von ihrem unverwechselbaren Klang zu überzeugen. Außer den Gästen nahmen am feierlichen Konzert die in Königsberg bekannten Künstler Wladimir Slobodjan und Artem Chatschaturow und sowie Königsberger Symphonieorchester unter Leitung von Arkadij Feldman teil. Nach dem Konzert mochten die Zuschauer lange nicht gehen, sondern tauschten ihre Eindrücke aus, obwohl es schon sehr spät am Abend war.

Fotos: Neue Orgel im alten Glanz: Die Vorkriegsorgel diente hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes als Vorbild, aber die neue ist dank des zwischenzeitlich erfolgten technischen Fortschritts leistungsfähiger; Einweihungskonzert: Viele Musiker und Angehörige des kulturellen Establishments folgten dem Ruf in den Dom.


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