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26.01.08 / »Drei Möwen als Widmung« / Nachruf für den ostpreußischen Seefahrtsschriftsteller Kurt Gerdau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

»Drei Möwen als Widmung«
Nachruf für den ostpreußischen Seefahrtsschriftsteller Kurt Gerdau
von Ruth Geede

Es gibt Menschen, denen man im Laufe eines langen Lebens begegnet ist, die auch nach Jahr und Tag präsent sind, selbst wenn man sich lange nicht gesehen hat. Ein Telefongespräch genügt manchmal, um die alte Verbindung wieder aufzunehmen, die trotz beiderseitigen Schweigens niemals gekappt wurde. Sie haben einmal unseren Lebensbereich oder Arbeitskreis tangiert, es sind Bekannte, Kollegen, Nachbarn, Gesprächspartner – für das Wort Freundschaft wäre die Latte zu hoch gesetzt, vielleicht wurde sie manchmal berührt. Solch ein Mensch war für mich Kurt Gerdau – leider muß ich die Vergangenheitsform wählen, denn der Schriftsteller aus dem ostpreußischen Saalfeld ist nicht mehr unter uns. Kurt Gerdau verstarb jetzt 77jährig in seinem letzten Wohnort Tostedt in der Lüneburger Heide.

Lange hat er in Hamburg gelebt, die Stadt, die in ihm die Liebe zur See weckte. Die vielleicht schon auf der Flucht begann, als der 14jährige auf dem Eisbrecher „Preußen“ in den Westen kam. Die Hansestadt wurde für ihn zum Heimathafen, denn seinen Berufswunsch – Lehrer – hatte er aufgegeben und er ging als Offiziersanwärter auf die Viermastbark „Padau“. Sieben Jahre fuhr er als Kapitän zur See, Jahre, die auch dann, als er 1962 für immer an Land ging, sein weiteres Leben und Schaffen bestimmten, denn Kurt Gerdau wurde zu einem der bekanntesten Seefahrtsschriftsteller der Nachkriegszeit. Er schrieb ein Buch nach dem anderen, 25 wurden es im Laufe der Zeit, und alle haben sie mit der Seefahrt zu tun. Ebenso die meisten seiner rund 200 Erzählungen und viele Fachbeiträge, von denen auch Das Ostpreußenblatt profitierte. Kurt Gerdau hat jahrelang den maritimen Sektor unserer Zeitung bestritten, war immer präsent, wenn es um Schiffahrtsfragen ging. Besonders lagen ihm die Windjammer am Herzen, die große Zeit der Segelschiffahrt dokumentierte er in Büchern wie „Padua“, „Cimbria“ und „Rickmer Rickmers“. Sein bekanntestes Werk ist wohl „Weihnachten auf See“, das für uns Ostpreußen wichtigste aber das Buch „Albatros“, das die Flucht über See im Rahmen der größten maritimen Rettungsaktion der Geschichte behandelt: Am 25. Januar 1945 lief der Fördedampfer „Albatros“ in den Königsberger Seekanal ein, um die von der russischen Armee Eingeschlossenen vor der tödlichen Bedrohung zu retten. Als nach 115 Tagen die Aktion „Rettung über See“ endete, waren von der „Albatros“ und weiteren rund 790 Schiffen über zwei Millionen Soldaten und Flüchtlinge in den Westen gebracht worden. Ihre letzte Fahrt führte die „Albatros“ noch einmal auf die Ostsee, wo sie in Damp 2000 an Strand gesetzt und damit ihrer neuen Aufgabe zugeführt wurde: als „Erinnerungsstätte Albatros – Rettung über See“. Zur Realisierung dieses 1980 gefaßten Planes hat der damalige Chefre­dakteur des Ostpreußenblattes, Hugo Wellems, maßgeblich beigetragen. Kurt Gerdau behandelt in seinem Buch die Geschichte dieser für uns Vertriebenen so wichtige Erinnerungsstätte in allen Einzelheiten. Deshalb ist es für mich das wichtigste Buch aus seiner Feder, vor allem, weil es auch eine persönliche Widmung enthält: kurz und knapp: „Für Ruth von Kurt“. Aber ergänzt durch drei wie hingeworfen gezeichnete Striche in Wellenform, die unschwer als Möwen zu erkennen sind.

Sie sind bezeichnend für die Verbindung, die wir jahrelang hatten,  als wir nachdem er in Hamburg – ähnlich wie ich – als Publizist die Mitarbeit an Tageszeitungen aufgenommen hatte, uns eine zeitlang auf den verschiedensten Veranstaltungen fast wöchentlich begegneten. Neben den aktuellen Themen kam aber immer wieder das Gespräch auf unsere gemeinsame Heimat, das verband uns über den journalistischen Alltag. Und auch später, als er Hamburg verließ, um sich in der Heide endgültig eine Heimstatt zu schaffen, blieb der Kontakt bestehen, wenn ich ihn anrief, um seine auf Erfahrung beruhende Meinung zu erfragen, die er dann auch sehr deutlich artikulierte – kurz und knapp wie die Widmung. In Tostedt entstanden dann auch seine letzten Bücher wie „Der Choral der Zeit“, das einzige in seiner langen Schaffensliste, das nichts mit Seefahrt zu tun hat. Kurt Gerdau verarbeitet in ihm seine Jugendjahre in Saalfeld, „ein Buch, das mitreißt, das betroffen macht, dessen erzählerischer Kraft man sich nicht entziehen kann“. So die Kritik, die für sein gesamtes Schaffen stehen könnte.

Nun hat er die letzte Fahrt angetreten. Farewell, Kurt Gerdau.


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