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26.01.08 / Das Geheimnis der Pferdehufe / Havannas Reiterstandbilder berichten über die Art des Todes ihrer Reiter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Das Geheimnis der Pferdehufe
Havannas Reiterstandbilder berichten über die Art des Todes ihrer Reiter
von Edmund Ferner

Wie in einer jeden historischen Stadt, stehen auch in Havanna Reiterstatuen, die an die Taten großer Persönlichkeiten erinnern. Die meisten dieser Monumente stehen in der kubanischen Hauptstadt in der Nähe der etwa fünf Kilometer langen, geschwungenen Meeresbucht mit ihrem „Malecon“ genannten Kai.

Spaziert man hier entlang und weidet die Augen am herrlichen Anblick, den die Synthese von Natur und menschlichem Geschmack geschaffen hat, fällt einem etwas auf: Die Reiterstatuen stehen bald mit dem Rücken und bald mit der Vorderseite zum Meer! Dies erscheint sehr ungewohnt, ja unverständlich. (Warum kehrt jemand dem Meer den Rücken zu, wo man sich daran doch nie satt sehen kann?) Die kubanische Reisebegleitung erklärt, daß die Reiterdenkmäler eine Zeichensprache, eine Art Choreographie haben. Sieht der abgebildete General zum Meer hinaus und das Pferd hat das Vorderbein in der Luft, so bedeutet das, daß der Held außerhalb Kubas im Kampf sein Leben gelassen hat. Stehen alle vier Beine des Pferdes auf dem Postament, ist der Abgebildete (ebenfalls außerhalb seiner Heimat) bei einem Unfall oder eines natürlichen Todes gestorben. Steht das Denkmal mit dem Rücken zum Meer, so bedeutet das den Heldentod in der Heimat (wenn ein Pferdebein in der Luft ist) oder den Unfall – beziehungsweise natürlichen Tod in Kuba. Eine interessante Art jedenfalls, auf die Lebensumstände großer Männer hinzudeuten. Diese Art war im 19. Jahrhundert und vielleicht noch Anfang des 20. Jahrhunderts dort üblich, heute ist das nurmehr ein Kuriosum.

Die Wohnungsfrage ist eines der brennendsten Probleme auf Kuba. Natürlich kam sie in Havanna auch gleich aufs Tapet. Ein junger Kubaner, der diesen Herbst seine erste Stellung als Englischlehrer antritt, gab gern und ausführlich Auskunft: „Wollen zum Beispiel zwei junge Menschen heiraten und brauchen eine Wohnung, so begeben sie sich in das zuständige Amt und reichen dort ihr Anliegen ein. Ein Vertrag wird abgeschlossen, in dem der junge Mann sich verpflichten muß, ein volles Jahr als Bauarbeiter an einer Wohnsiedlung zu arbeiten. Er bekommt dafür den üblichen Lohn und nach Ablauf eines Jahres eine moderne, komplett eingerichtete Wohnung (mit Fernseher, Herd, Kühlschrank). Arbeitet jemand auf einem Posten, von dem er unabkömmlich ist, so wird der Vertrag auf volle zwei Jahre abgeschlossen. Der Betreffende muß jedes Wochen-ende als Bauarbeiter tätig sein, dann bekommt er auch eine Wohnung ohne Entgelt.“

Eine jede Baufläche wird sofort phantastisch bemalt. Dadurch erhält die Stadt ein fröhliches Bilderbuch-Gepräge. Und die Zündholzschachtelbauten bestimmen auf diese Weise nicht das Gesamtbild. Die eigenständige kubanische Architektur ist das Reizendste, was man sich vorstellen kann. Spanisch-kolonial, leicht und graziös mit vielen Arkaden, schon wegen des tropischen Regens und der Hitze. Vor der Haustür ist jeweils ein Portikus mit vier Säulen, schön bunt gekachelt. Dort stehen ein, zwei Schaukelstühle aus Holz, abends sitzt man vor der Haustür und schaut der bunten Menschenmenge zu, die in Havanna bis in die späten Nachtstunden mit Kind und Kegel auf den Straßen schwärmt.


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