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02.02.08 / Der Himmel über Berlin ist dicht / Verkehrspolitik des rot-roten Senats setzt dem Flugverkehr in der Hauptstadt stark zu – Wowereit ignoriert wachsende Kritik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Der Himmel über Berlin ist dicht
Verkehrspolitik des rot-roten Senats setzt dem Flugverkehr in der Hauptstadt stark zu – Wowereit ignoriert wachsende Kritik
von Harald Fourier

Die Flughafenpolitik des Berliner Senats gestaltet sich zunehmend chaotischer, undurchschaubar für die wachsende Zahl von Kritikern. Hat sich Berlins Landesregierung selbst in eine so enge Sack-gasse manövriert, daß sie jetzt versuchen muß, dies durch das Herbeiführen eines gewaltigen Verkehrschaos zu übertünchen?

Grund des allgemeinen Unverständnisses: Der Senat bleibt stur bei der Schließung des Flughafens Tempelhof zum 31. Oktober dieses Jahres, mißachtet klar den Wunsch der Berliner und tut so, als benötigte die Metropole den traditionsreichen Flugplatz nicht mehr

Eine folgenschwere Fehlkalkulation, wie sich zeigt: Die Engpässe im Berliner Flugverkehr werden immer gravierender. Jetzt wurde auch noch bekannt, daß die geplante Schnellbahnverbindung vom Hauptbahnhof nach Schönefeld nicht pünktlich fertig wird. Und es kommt noch schlimmer: Wegen der umfangreichen Umbauarbeiten am Bahnhof Ostkreuz wird auch kein S-Bahn-Verkehr auf der Strecke möglich sein. Trotzdem soll der Zentralflughafen Tempelhof unbedingt in wenigen Monaten geschlossen werden.

Dabei hat auch der größere, modernere Flughafen Tegel Probleme. Er platzt aus allen Nähten. Die Leidtragenden in Tegel, dem momentan wichtigsten Berliner Luftkreuz, sind natürlich die Passagiere, die – wenn sie nicht das zweifelhafte Vergnügen haben, zu so fiesen Uhrzeiten wie 6.20 Uhr zu fliegen – oft mit Verspätung starten und dementsprechend verspätet am Zielort eintreffen.

Vor allem Air-Berlin-Kunden kennen das nur zu gut. Die Flughafengesellschaft leugnet die Mißstände zwar unbeirrt. Doch für jeden, der öfter von und nach Berlin fliegen muß, ist die Misere offensichtlich. Air-Berlin hat nun, um den Platzmangel in Tegel zu verringern, einige ältere Maschinen vom Typ Fokker nach Tempelhof überführt. Dort warten sie jetzt, bis sie wieder gebraucht werden.

Das Problem ist, daß Tegel für nur fünf Millionen Fluggäste pro Jahr konzipiert ist. Inzwischen reisen dort aber 13 Millionen Fluggäste jährlich. Auch ein großer Anbau der Air-Berlin hat die drangvolle Enge bei der Abfertigung kaum spürbar entspannen können.

Wie nur soll der ganze Flugbetrieb der Metropole eines Tages einzig vom Flughafen Schönefeld abgewickelt werden, fragen sich immer mehr Berliner. Dort stehen gerade einmal je zwei Lande- und Startbahnen zur Verfügung, sobald Tempelhof und Tegel geschlossen sind.

Währenddessen herrscht in Tempelhof Leerstand. Die wenigen Passagiere, die vergangene Woche ihre Reise in dem alten Zentralflughafen antraten (von wo derzeit noch Maschinen nach Brüssel oder Mannheim starten), staunten nicht schlecht, als sie die Riesenbühne inmitten der Empfangshalle sahen. Sogar zu nachtschlafender Zeit werkelten die Veranstaltungstechniker, damit das Metallgerüst pünktlich fertig wird.

„Was wird denn das?“ fragten die Besucher beim Bodenpersonal nach. „Das ist eine Bühne für eine Hugo-Boss-Schau am kommenden Wochenende.“ An diesem Sonntag fand tatsächlich eine Modenschau in der Tempelhofer Empfangshalle statt. Nach Filmpartys und -preisvergaben, Präsidentenempfängen und Kunstausstellungen war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis das Gebäude auch zu diesem Zweck einmal zweckentfremdet würde.

Noch hoffen Tausende Berliner, den Senat auf seiner Geisterfahrt in den verkehrspolitischen Kollaps stoppen zu können – per Volksbegehren. Derzeit geht das Begehren gegen die für Oktober geplante Tempelhof-Schließung  in die letzte, die entscheidende Phase. Mit derzeit 160000 Unterschriften könnte das erforderliche Quorum erreicht werden. Gerade so. Schon diesen Monat müßten über 170000 zusammengekommen sein.

Immer mehr Prominente wenden sich voller Unverständnis an die Öffentlichkeit, um für die Offenhaltung Tempelhofs zu werben. So plädierte Wolfgang Wieland, einer der bekanntesten Grünen der landespolitischen Szene Berlins, in einem Interview für den Flughafen. Wieland war im ersten rot-grünen Kurzzeit-Kabinett Klaus Wowereits Justizsenator.

Der Sozialdemokrat Michael Naumann aus Hamburg machte wiederum zum Ärger seiner Berliner Genossen den Vorschlag, Tegel weiter zu betreiben. Und auch der brandenburgische Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) sprach sich dafür aus, wenigstens einen innerstädtischen Flughafen – und zwar Tempelhof – offenzuhalten.

Begleitet wird die heiße Phase des Volksbegehrens von einer beinahe schon aufdringlichen Pro-Tempelhof-Kampagne der Springer-Presse, deren Boulevardblatt „BZ“ die Leser kürzlich auf der Titelseite fragte: „Und wann unterschreiben SIE?“

Aber auch die Berliner Flughafengesellschaft, die Tempelhof dichtmachen will, wirbt sinnigerweise für den City-Flughafen. Aber nicht für den in Berlin, sondern den in London. Der wird nämlich zur Freude der Berliner Airportmanager jetzt von Tegel aus direkt angeflogen. Den Vorteil des eigenen innerstädtischen Flughafens dagegen ignorieren die selben Leute weiterhin beharrlich.


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