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02.02.08 / Anleitung zum Sozialbetrug / »ZDF-Reporter« deckten kriminelle Energie bei Beratungsstellen auf, doch die Aufregung ist gering

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Anleitung zum Sozialbetrug
»ZDF-Reporter« deckten kriminelle Energie bei Beratungsstellen auf, doch die Aufregung ist gering
von Rebecca Bellano

Eigentlich ist es doch gut, wenn eine Sozialberatungsstelle Leistungsempfängern Tipps gibt, wie sie am meisten Unterstützung beziehen können? Daher war die Aufregung auch eher mäßig, als die „ZDF-Reporter“ Mitte Januar gleich mehrere Fälle von bewußt falscher Beratung aufdeckten. Irgendwie schien es die Nation, ihre Medien und ihre staatlichen Behörden nur bedingt zu interessieren, daß gleich vier von fünf getesteten Sozialberatungsstellen Anstiftung zum Sozialbetrug leisteten. Daß dies eine Straftat ist, regte nur wenige auf, denn schließlich ging es ja darum, dem Staat und seinen – in den Augen vieler –nutzlosen Hartz-IV-Gesetzen ein Schnippchen zu schlagen. Daß der Staat nur das Geld der Steuerzahler umverteilt, also die Sozialberatungsstellen Tipps gaben, wie man mehr von dem Geld dieser Bürger einkassiert, und daß diese Beratungsstellen fast immer auch noch mit Steuergeldern finanziert werden, schien kaum einen zu stören.

Als Pärchen getarnt hatte ein Team der „ZDF-Reporter“ fünf Arbeitslosenberatungsstellen in Berlin und Potsdam aufgesucht. Die Journalisten gaben sich als unverheiratetes Paar aus, das zusammenziehen wolle. Der Mann gab an, Hartz-IV-Empfänger zu sein, der aber aufgrund des zu hohen Gehaltes seiner Freundin nun keine staatlichen Leistungen mehr erhalten würde. Der Berater in einem Parteibüro von Bündnis 90 / Die Grünen in Berlin riet sofort, die eheähnliche Beziehung zu verschleiern, so daß er weiter Hartz IV beziehen könnte. Der Berater empfahl sogar eine Art Wohngemeinschaft anzumelden und ein Mietverhältnis vorzutäuschen. Als monatliche Miete sollte das vermeintliche Paar 150 Euro angeben, da die Behörden diese vergleichsweise niedrige Summe ohne Kontrollen akzeptieren würden. Für den Fall, daß es doch zu einer Kontrolle käme, sollte besagtes Zimmer auch eine Schlafmöglichkeit bieten, so daß die getrennten Wohnverhältnisse besser vorgetäuscht werden könnten.

Ähnliche Tipps gab es auch im Büro der Berliner Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft BEQUIT und im Wahlkreisbüro des Landtagsabgeordneten der Linkspartei, Hans-Jürgen Scharfenberg. Seine Mitarbeiterin war sogar noch hilfsbereiter. Jana Schulze riet, auch den Verkauf des angeb-lichen Autos zu verschleiern, um wegen der Einnahmen von 10000 Euro nicht auf staatliche Leistungen verzichten zu müssen. So meinte die Beraterin, es sei besser, mit einem Freund einen fingierten Kaufvertrag über 500 Euro abzuschließen. Das Amt frage nicht nach, ob die Summe stimme, wenn ein Vertrag vorliege. Der tatsächliche Verkauf solle dann bar abgewickelt werden, damit nichts nachweisbar sei.

Während die Grünen sich nach der Sendung wenigstens schockiert gaben, die Beratung vorerst einstellten und den Mitarbeiter beurlaubten, zeigte sich der Landtagsabgeordnete Scharfenberg nur gering betroffen. Zwar wollte er die Methoden seiner Mitarbeiterin „in keiner Weise gut reden“, sprach ihr aber für die Ausübung ihres Mandats als Vize-Vorsitzende des Sozialausschusses in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung das Vertrauen seiner Fraktion aus. Auch in Foren wurde das Verhalten von Jana Schulze als eine Lapalie gesehen. „Ich denke, Frau Schulze hat hier nicht vorsätzlich falsch beraten, sondern sich eher vom realen Leben leiten lassen. Und das reale Leben unserer Bürger hat wenig mit den Gesetzen unseres Landes zu tun. Wer hat nicht selbst schon daran gedacht, wie sich aus dem staatlichen Geldsäckel mehr herausholen läßt“, redete ein Internet-Besucher das Verhalten der Vize-Vorsitzenden schön. Daß es gar keinen staatlichen Geldsäckel im wörtlichen Sinne gibt, sondern es um Betrug am Steuerzahler geht, der eben besagtes Geldsäckelchen füllt, scheint gerade die Linke nicht zu bedenken.

Aber auch die Arbeitsagentur verweist darauf, daß derartige Tipps zum Sozial-Betrug offenbar keine großen Aufreger liefern. Schließlich gäbe es zahlreiche Seiten im Internet – ob Foren, Seiten von Interessenvereinigungen oder von offiziellen Sozialverbänden –, auf denen Ratschläge zum unrechtmäßigen Erschleichen von sozialen Leistungen aufgeführt werden. Natürlich sei dies „kein Kavaliersdelikt“, nur tue der Staat zuwenig gegen derartige Aufrufe zum Betrug. Selbst die Betrüger haben keine schlimmen Strafen zu erwarten. Wird eine derartige Täuschung aufgedeckt, wird in den meisten Fällen nur eine Rückzahlung der fälschlich erhaltenen Gelder gefordert. 2006 haben die Agenturen für Arbeit zwar 200000 Fälle von Leistungsmißbrauch aufgegriffen, doch nur 40000 endeten mit Verwarnungsgeldern und Geldbußen in Höhe von insgesamt 13 Millionen Euro. Das sind im Durchschnitt gerade einmal 325 Euro pro Verfahren.

Die Frage, ob es eine staatliche Zertifizierungsstelle gäbe, die Beratungsstellen auf ihre sachgemäße und gesetzeskonforme Beratung hin teste und auszeichne, wird vom Ministerium für Arbeit und Soziales verneint. Für die Abstrafung und die Entziehung von Fördergeldern bei falscher Beratung seien zudem Länder und Kommunen zuständig. Die wiederum sind überwiegend der Meinung, daß bei ihnen derartige Defizite nicht existierten.

Offenbar ist man in Deutschland also doch der Meinung, daß das Erschleichen staatlicher Leistungen ein Kavaliersdelikt ist.

Foto: Hart IV trotz hohen Gehalts der Partnerin: Vor allem die Linke und die Grünen nannten Tricks.


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