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02.02.08 / Danziger Kunst in Nürnberg / Es fehlt ein zentrales Museum, das die Gesamtheit der ostdeutschen Kultur auf höchstem Niveau präsentiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Danziger Kunst in Nürnberg
Es fehlt ein zentrales Museum, das die Gesamtheit der ostdeutschen Kultur auf höchstem Niveau präsentiert
von Rüdiger Ruhnau

Des Deutschen Reiches Schatzkästlein“ hat man die fränkische Metropole und heute zweitgrößte Stadt Bayerns genannt, in der auf einmalige städtebauliche Weise die Kraft und der Glanz mittelalterlicher Kultur ausgebildet waren. „Waren“, müssen wir schreiben, denn sinnlose Luftangriffe der Alliierten hatten während des letzten Krieges das innere Stadtbild Nürnbergs völlig zerstört. 

Blickt man heute von der Kaiserburg auf die Altstadt herab, dann erweckt diese den Anschein eines harmonisch gewachsenen Stadtorganismus. Kein häßlicher Hochhausbau stört das einheitliche Bild der Giebelhäuser. Erst beim näheren Hinzutreten wird die Illusion eines mittelalterlichen Stadtbildes aufgehoben, nur schätzungsweise jedes 40. Gebäude ist originalgetreu entstanden, darunter das bekannte Dürer-Haus.

Die frühere Freie Reichsstadt Nürnberg hat mit der Freien Stadt Danzig vieles gemeinsam. Beide beherbergten in ihren Mauern bedeutende Konvente des Deutschen Ritterordens, beide Städte waren keinem Fürsten untertan, und in beiden führte ein selbstbewußtes Patriziat das Stadtregiment. Schließlich hatten sowohl Danzig wie Nürnberg infolge der mittelalterlichen Stadtkerne ein so unverwechselbares deutsches Aussehen, daß sie geradezu als typische Beispiele für die Städtebaukunst im alten Reich gelten konnten.

Das im Gründungsjahr 1852 aus spätromantischem Geist heraus entstandene Germanische Nationalmuseum (GNM) strebte eine großdeutsch verstandene nationale Vision an, es sollte den gesamten deutschen Sprachraum umfassen. Der Gründer des Nationalmuseums, Freiherr von Aufseß, beklagte 1853: „Die gebildeten europäischen Nationen haben ein Nationalmuseum, nur wir Deutschen nicht.“ Es sollte ein „Hort zur Sammlung von Gegenständen für die deutsche Geschichte, Literatur und Kunst, bestehend aus Archiv, Kunst- und Altertumssammlung entstehen“. Die Lieblingsidee des Freiherrn von Aufseß war es, die Gesamtheit der historischen Vereine Deutschlands zum Träger des zu gründenden Museums zu machen. Aus Ost- und Westpreußen beteiligten sich die Prussia, der Copernicus Verein für Kunst und Wissenschaft, der Verein für Geschichte und Altertumskunde des Ermlandes. Später trat hinzu der Westpreußische Geschichtsverein für Stadt und Regierungsbezirk Danzig. Um die Idee des Germanischen Nationalmuseums im Bewußtsein der Deutschen zu verankern, bildeten sich in den Städten sogenannte Pflegschaften, die neben der Propaganda Geld zum Ankauf der Kunstgegenstände sammelten. Nach der erzwungenen Abtrennung Westpreußens und Danzigs vom Reich erhielten die Sammlungen des GNM erhöhte Bedeutung, die in der Ausstellung des Jahres 1939 „700 Jahre Deutschtum im Weichselbogen“ zum Ausdruck kam. In mehreren Sälen zeigte die Nürnberger Schau welche Schätze sich zwischenzeitlich angesammelt hatten. Den Blickfang nahm ein kompletter Beischlag mit ornamentalen Reliefs eines Danziger Patrizierhauses ein.

Natürlich durften auch die bekannten prachtvollen  Altargewänder aus dem Paramentenschatz der Marienkirche nicht fehlen. Mittelalterliche Chormäntel, Dalmatiken und Alben hatten ihren Weg nach Nürnberg gefunden. Die erstaunlich hohe Zahl an Meßgewändern wird verständlich, wenn man bedenkt, daß vor der Reformation an den 50 verschiedenen Altären der Danziger Marienkirche 123 Geistliche für die Patrizierfamilien oder Zünfte täglich die Messe lasen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann für das Germanische Nationalmuseum ein neuer Abschnitt der Sammeltätigkeit und der Präsentation. Während das ursprüngliche Museumsgebäude die alliierten Kriegseinwirkungen nicht überstanden hatte, erfuhren die kostbaren Sammlungen glück-licherweise nur geringe Schmälerung. Jetzt bekam der Terminus „National“ im Namen des Museums eine neue Bedeutung, galt es doch, den ostdeutschen Provinzen eine „Heimatgedenkstätte“ zu schaffen, die das Eingebundensein der ostdeutschen Kultur in den gesamtdeutschen Rahmen dokumentieren sollte. Man begann durch Ankauf vermehrt ostdeutsche Altertümer und Kunstobjekte zu sammeln, wobei es schwierig war, Spitzenstücke zu erwerben. Wenn sie überhaupt auftraten, dann zu kaum erschwinglichen Preisen. Leichter fiel es schon, kunsthandwerkliche Gegenstände aus Silber oder Bernstein anzukaufen. Von dem Danziger Goldschmied Johann Gottfried Schlaubitz (1700–1771) besitzt das GNM zwei große Kerzenleuchter und eine vergoldete Monstranz.

Bemerkenswert ist auch die reichhaltige Sammlung von Deutschordensmünzen und Barockmedaillen des Weichsellandes. Es treten, wie auch bei anderen künstlerischen Arbeiten, ausschließlich die Namen deutscher Medailleure auf.

1959 gelang dem Museum der Ankauf eines Tafelbildes in Form eines Diptychons. Das Tafelbild ist aufklappbar und zeigt auf der Außenseite das Porträt eines Danziger Patriziers von 1518. Gemalt hat das Bild Meister Michel, von dem auch der Hochaltar der Marienkirche stammt. Der Name des Patriziers ist umstritten, obwohl in der linken Ecke über dem Porträtierten ein Wappen und die Initialen „IRD“ abgebildet sind.

Merkwürdig sind die Bilder der Innenseiten, die eine Anzahl Frauen in auffallender Kleidung zeigen, wie sie uns auch in dem Trachtenbuch von Anton Möller begegnen.

Neben den seltenen Kupferstichen ostdeutscher Städte und Landschaften ist als größter Komplex Danziger Kunst in Nürnberg das neunteilige Deckengemälde von Isaak von dem Blocke zu nennen. Dieser Künstler ist in den Jahren zwischen 1589–1626 in Danzig nachweisbar, wo er an der Ausgestaltung der prächtigen Kassettendecke im Roten Saal des Rathauses mitwirkte.

Das Nürnberger Deckengemälde, welches die ganze Saaldecke des Ausstellungsraumes ausfüllt, ist durch Holzleisten in neun selbständige Szenen unterteilt, die dem Alten und Neuen Testament zugeordnet sind. Ganz typisch für die ostdeutsche Malerei jener Zeit sind die perspektivischen Aspekte. Nicht bekannt ist allerdings, welche Zweckbestimmung das neunteilige Gemälde in Danzig hatte. Vermutlich schmückte es ein Patrizierhaus in der Hansestadt und ist über den Kunsthandel nach Nürnberg gelangt.

So begrüßenswert die Präsentation ostdeutscher Kunstwerke im Germanischen Nationalmuseum auch ist, so muß man es doch bedauern, daß infolge der politischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland der Gedanke einer Heimatgedenkstätte aufgegeben worden ist.

Der damalige Generaldirektor des GNM, Dr. Erich Steingräber, selbst aus Danzig stammend, stand dem Gedanken einer Dauerausstellung ostdeutscher Kunstwerke positiv gegenüber. Zwar unterhalten die einzelnen Landsmannschaften aus privater Initiative entstandene Heimatstuben, auch respektable Heimatmuseen, die das Kulturgut einer ostdeutschen Provinz zeigen. Was fehlt, ist jedoch ein zentrales Museum, das die Gesamtheit der ostdeutschen Kulturgüter auf höchstem Niveau präsentiert.

Welche Schwierigkeiten dem entgegenstehen, zeigt sich an den Vorbereitungen zur Errichtung eines „Zentrums gegen die Vertreibung“. Die Menschenrechte sind aber unteilbar.

Jeder aufrechte Deutsche bleibt aufgefordert, die geplante Gedenkstätte für die Millionen von Heimatvertriebenen zu unterstützen. Daneben sollte auch die Idee eines zentralen Ostdeutschen Museums weiter verbreitet werden.

Foto: Schon damals europäisch: Der Stoff des Meßgewands aus St. Marien in Danzig   stammt aus Italien, das Futter aus Spanien, die Stickerei aus Prag. Das Exponat  ist eine Leihgabe der Union Evangelischer Kirchen in der EKD.


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