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02.02.08 / Mit zehnfacher Überlegenheit / Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes analysieren Vorgänge an der Ostfront 1943

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Mit zehnfacher Überlegenheit
Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes analysieren Vorgänge an der Ostfront 1943

Der achte Band über den Zweiten Weltkrieg, herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MFGA) in Potsdam, gibt die Lesart der offiziellen Geschichtsschreibung wieder, gestaltet durch eine Autorengruppe. Die politisch-strategische Gesamtsicht bestreitet der Geschichtsprofessor Bernd Wegner. Den Hauptteil des Buches vermitteln die operativen Darstellungen des Oberst Karl-Heinz Frieser. Die Ereignisse an der Südostfront beschreiben Krisztian Ungvary für Ungarn, Klaus Schmider für Jugoslawien und Oberstleutnant Klaus Schönherr Kampfhandlungen auf der Krim, in Galizien und dem südlichen Balkan. Der Beitrag von Fregattenkapitän Gerhard Schreiber soll es ermöglichen, „die Interdependenzen zwischen Ostfront und der Mittelmeerregion herauszuarbeiten“. Den Autoren ist gemeinsam, daß sie alle, bis auf Ungvary, Mitarbeiter der MGFA waren oder sind. Frieser beschreibt in groben Zügen den blutigen Verlauf der Kämpfe im Osten. In Schlachten von unvorstellbarer Grausamkeit und Stärke der Sowjetkräfte sind nur die technisch überlegenen deutschen „Tiger“ und „Panther“, so vorhanden, den Massen von „T 34“- und „Stalin“- Panzern gewachsen. Wertvolle Gebiete und Ressourcen für die Kriegswirtschaft müssen 1943 aufgegeben werden. Auch im Sommer 1944 zeigte sich die Rote Armee unbeeinflußt von Menschen- und Materialverlusten. Taktisch gefestigt, mit weiten Zielen im Hinterland, rannte sie erneut mit mehr als zehnfacher Überlegenheit gegen ausgedünnte deutsche Linien. Die „schwerste Niederlage in der deutschen Militärgeschichte“, grauenvoller als Verdun, vernichtender als Stalingrad, bahnte sich an. Infolge der Katastrophe erreichten die Sowjets die Weichsel bei Warschau und die Ostseeküste bei Riga. Im Raum Gumbinnen stießen sie bis zur deutsche Staatsgrenze vor und überschritten sie. Nemmersdorf wurde zum Final für das Wüten der Roten Armee.

Man wird Karl-Heinz Frieser folgen, wenn er in Hitlers Haltestrategie den Hauptfehler der deutschen Abwehr sieht. Generäle wie Zeitzler und Manstein hatten heftige Zusammenstösse mit dem „Oberbefehlshaber“; ebenso die Nachfolger Guderian, Model, Schörner, die sich letzten Endes über Hitlers Befehle hinwegsetzten. Wenn trotzdem die schweren und verlustreichen Abwehrkämpfe mit gelegentlichen „verlorenen Siegen“ überstanden wurden, so lag es zum einem an einer elastischen Führung der mit Auftragstaktik kämpfenden Truppe, die sich immer noch in kleinen Einheiten und zusammenhängenden Verbänden verzweifelt schlug und meist schneller reagierte, als es den schwerfälligen Kolonnen der geballten Angriffsmacht möglich zu sein schien; zum anderen lag es auch an dem perversen Verhalten der Roten Armee, die wehrlose Verwundete und sich ergebende Soldaten wie in einem Blutrausch mordete und selbst Frauen verstümmelte, vergewaltigte und wegwarf.

Die eindrucksvollen Fotos von Gleiszerstörmaschinen und dem Kraftwerk am Dnjepr, das in die Luft gejagt wurde, sind nur Teile eines Zerstörungswerks, das vorher von zurückweichenden Sowjets schon einmal angerichtet worden war. Der Krieg war längst nicht mehr ein politischer Akt mit militärischen Mitteln, wie Wegner mit Bezug auf Clausewitz feststellt, sondern sein Ziel war die Vernichtung Deutschlands und der zivilen Strukturen Europas. So hatte Churchill 1940 die nach der Haager Landkriegsordnung verbotenen Untergrundbewegungen in Belgien, Frankreich und Norwegen herbeigeführt und auf die besetzten Gebiete im Balkan und Griechenland ausgeweitet. Stalin hatte 1941 Partisanen zu schlagkräftigen Einheiten im Untergrund geformt. Die Terrorangriffe der Alliierten galten der Vernichtung von Bevölkerung und der Verwüstung von Heimstätten und Kulturwerten.

Der Weg des Untergangs ist gepflastert mit den Namen Orel, Woronesch, Tscherkassy, Welikije Luki und vielen anderen. Etwas verwirrend, daß diese historischen Bezeichnungen gelöscht und durch die aktuelle nationale Schreibweise ersetzt wurden. So ist Kertsch – Kerc’ und Saporoshje zu Zaporoze geworden. Schukow, der Feldmarschall wird Zukov geschrieben, und die Wolga verbirgt sich hinter Volga. Warum?

Wegners langatmige Betrachtungen am Ende des Bandes richten sich auf Hitler und sein Ende. Man kann dem folgen, es bieten sich aber auch noch andere Sichtweisen an. Nachdem die Alliierten 1943 in Casablanca „Unconditional Surrender“ gefordert und in der Konferenz von Quebeck 1944 den Morgenthau-Plan beschlossen hatten, blieb dem von Zersetzungen getriebenen Diktator nur der Weg in den Untergang. Die Männer vom 20. Juli 1944 konnten diese fatale Entwicklung für Deutschland nicht ändern, denn keiner aus der Front der Alliierten stützte sie. Im Gegenteil, Churchill gab die Namen von Hintermännern im Radio preis.                Hans-Otto Ebner

Karl-Heinz Frieser, Klaus Schmider, Klaus Schönherr: „Das deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg – Die Ostfront 1943/44“, DVA, München 2007, 1319 Seiten, Kartenmaterial und Quellenapparat, 49,80 Euro


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