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02.02.08 / Zahnärzte als Lehrer / Ein sauberer Zahn wird selten krank

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Zahnärzte als Lehrer
Ein sauberer Zahn wird selten krank

Hartnäckige Aufklärung und konsequente Vorbeugung nutzen also doch. Binnen eines Vierteljahrhunderts wurde in Deutschland die Karies in allen Altersstufen zurückgedrängt, insbesondere bei den Kindern, wo im internationalen Vergleich eine Spitzenposition erreicht wurde. „Das heißt aber nicht, daß wir die Prophylaxe hinter uns lassen können“, stellt Prof. Matthias Hannig, Direktor der Klinik für Präventive Zahnmedizin am Universitätsklinikum Homburg klar. Denn trotz aller Erfolge sei eine Schieflage entstanden. „Bei den Kindern gibt es eine kleine Gruppe, die fast die gesamte Karies auf sich vereint“, so Hannig.

Der Präsident der Bundeszahn-ärztekammer, Dr. Jürgen Weitkamp, hatte bereits zu Jahresbeginn darauf hingewiesen, daß 60 Prozent aller Kariesfälle sich gerade mal auf zehn Prozent der Kinder, zumeist aus sozial schwachen Familien, verteilen. Weitkamp wörtlich: „Neben der gesundheitspolitischen stellt sich hier auch eine sozial- und bildungspolitische Aufgabe.“ Diese Forderung läßt sich mühelos auch auf die Gruppe der Senioren übertragen. Denn die erfolgreiche Kariesbekämpfung hat eine paradoxe Kehrseite: Weil die Menschen heute ihre Zähne länger behalten, steigt ihr Risiko für chronisch-entzündliche Erkrankungen von Zahnfleisch und Kieferknochen, die häufig zu Zahnverlust führen. Etwa 20 Prozent der Erwachsenen und

40 Prozent der Senioren in Deutschland leiden nach Erkenntnissen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung unter einer schweren Parodontitits. „Auch eine ausgedehnte Zahnwurzelkaries ist bei älteren Patienten häufig anzutreffen“, so Hannig. Wenn auch die allgemeine Gesundheit immer besser wird, so kommt es doch altersbedingt zu Veränderungen, die auch Auswirkungen auf die Mundhöhle und die Zahngesundheit haben. So können die bei Herz-Kreislauferkrankungen verordneten Medikamente den Speichelfluß senken und Diabetes mellitus kann eine Verschlechterung des parodontalen Zustandes verursachen. Aber auch andere Medikamente, die täglich eingenommen werden, beeinflussen zusammen mit der Grunderkrankung oftmals auch die Mundgesundheit. Hinzu kommt oft noch eine eingeschränkte Beweglichkeit, die die tägliche Mundhygiene beeinträchtigt. Daher sind bei älteren Menschen Erkrankungen des Zahnhalteapparates, Wurzelkaries und Entzündungen der Mundschleimhaut sehr häufig anzutreffen. Der individuellen Prophylaxe gilt daher auch in den nächsten Jahren das Hauptaugenmerk der Zahnärzte. „Prophylaxe auch deshalb, weil Erkrankungen der Zähne und der Mundhöhle in direktem Zusammenhang mit anderen Krankheiten, vor allem von Herz und Lunge stehen“, machte beim ersten Prophylaxetag in Homburg Daniela Wiedemann deutlich. Über das Blutsystem verteilte Keime aus der Mundhöhle stehen auch in Zusammenhang mit Hirnschlag und einem geringen Gewicht bei Frühgeborenen. So wundert es nicht, wenn in den USA bereits Patienten wegen unterlassener Prophylaxe-Infos gegen ihre Zahnärzte klagen. „Ein sauberer Zahn wird nicht krank“, ist längst zu einem geflügelten Wort und die Prophylaxe zum wichtigsten Zweig der Zahnmedizin geworden. „Ohne Prophylaxe sind alle anderen Maßnahmen wirkungslos“, betonte Dr. Alice Kiss, die den Prophylaxetag organisiert hatte. Noch haben das nicht alle Zahnärzte in Deutschland verinnerlicht. Für viele steht nach wie vor die Diagnostik und Behandlung kranker Zähne im Vordergrund. Doch die beim Prophylaxetag anwesenden Vertreter der Industrie versuchten deutlich zu machen, daß die Schwerpunktsetzung auf orale Gesundheitsfürsorge sich auszahlt, weil Zahngesundheit und vor allem auch schöne Zähne inzwischen als Karriere-Faktor gelten.

Zahnärzte, die sich mehr als Lehrer denn als Reparateur verstehen, werden also die künftige Zahnmedizin bestimmen. Solche Ratgeber sind deshalb unerläßlich, weil inzwischen immer wieder auch deutlich wird, daß viele Zahnpflegeprodukte bei falscher Anwendung kontraproduktiv sind. Eine Mundspülung zum Beispiel braucht niemand, der gesunde Zähne hat. Wird sie dennoch verwendet, verändert sie die gesamte Mundflora, häufig zum Nachteil. Auch stellen Zahnärzte vermehrt Putzschäden fest, weil Zähne mit den falschen Bürsten und falschen Techniken gereinigt werden. R. Kappler


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