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09.02.08 / Die Städte sind heilbar / Planer und Architekten besinnen sich auf die Rekonstruktion historischer Bauten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

Die Städte sind heilbar
Planer und Architekten besinnen sich auf die Rekonstruktion historischer Bauten
von Peter Westphal

Zunehmend ist in der deutschen Gegenwart das Bemühen spürbar, den Raum der historischen Innenstadt wiederzugewinnen. Neben den Beispielen Berlin und Potsdam, wo die Wiedererrichtung der einstigen Stadtschloßkubaturen mit den Barock­fassaden geplant ist, gilt dies auch für das Beispiel Hessen. So schickt sich Gottfried Kiesow, einer der führenden europäischen Denkmalpfleger, an, mit Kurhaus und Innenstadt der Landeshauptstadt Wiesbaden erstmals in Deutschland ganze Ensembles aus dem historistischen 19. Jahrhundert zum Weltkulturerbe anzumelden.

In der benachbarten Bankenmetropole arbeitet inzwischen das „Altstadtforum Frankfurt am Main“. Dessen Ziel ist es, ein Quartier mit 48 historischen Bürgerhäusern zumindest äußerlich originalgetreu wiederaufzubauen. Von den etwa 1200 Gebäuden der einstmals schönsten gotischen Innenstadt Deutschlands war nach dem Bombardement im Zweiten Weltkrieg nur ein Haus erhalten geblieben. Der jetzt möglich gewordenen Wiederaufbau des Altstadtensembles auf den mittelalterlichen Fundamenten erscheint den kompromißlosen Verfechtern der architektonischen Moderne als Bankrotterklärung. Hatte doch auf dem vorgesehenen Bauareal bislang das „Technische Rathaus“ gestanden, das – noch 1980 vom Architektenverband mit einer Plakette für vorbildliches Bauen ausgezeichnet – Ende vergangenen Jahres abgerissen worden ist.

Der Gründer des Frankfurter Altstadtforums, Jürgen E. Aha, begreift sein Wirken als Dienst am Gemeinwesen, als den Versuch, „das wieder her­zurichten, was vor 62 Jahren vergessen wurde“. Dabei steht das Beispiel Frankfurt am Main auch beispielhaft  für die ideologischen Widerstände, die sich der Rückgewinnung historischer Stadträume mit allen Mitteln entgegenstemmen. So blase der Bund Deutscher Architekten (BDA) zu einer „Hexenjagd gegen jene Mitglieder, die sich der Rekonstruktion verschreiben“, berichtet Aha.

Angesichts dessen beklagt der einstige Senatsbaudirektor Berlins, Hans Stimmann, daß Meinungen für oder gegen die Rekonstruktion fast ausschließlich als dogmatische Glaubensfragen ausgetragen würden, die eine Übereinkunft unmöglich machten. Stimmann selbst stammt aus Lübeck, einer Stadt mit der „zweitschönsten gotischen Altstadt Deutschlands“, wie der Stadtplaner mit Blick auf das Vorkriegs-Frankfurt bemerkt. Ausdruck dessen sei die Aufnahme der Lübecker Altstadt in das Weltkulturerbe.

Leider, so Stimmann weiter, werde der Aufgabe der Rekonstruktion heute nicht angemessen gewürdigt, viel zu oft werde sie von einer Phalanx modernistischer Architekten und Denkmalschützer diskreditiert. Dabei seien Rekonstruktionen heute „eine Hauptaufgabe für Architekten“, und, fügt Stimmann an: „Nur die besten können das.“

Wie anspruchsvoll diese Aufgabe tatsächlich ist, zeigt sich bei den Planungen zum „Humboldt-Forum“, dem Berliner Stadtschloß. Für den vom Bundesbauministerium ausgerufenen Architektenwettbewerb wagten statt der erwarteten 1000 Bewerber gerade einmal 158 Büros, eigene Vorschläge einzureichen – davon etliche aus Frankreich und England. Im Frühsommer werden davon zirka 40 Büros mit Detailentwürfen in die engere Wahl genommen.

Im November 2008 soll dann die Entscheidung fallen. Die geringe Zahl der teilnehmenden Architektenbüros erklärt Arno Sighart Schmid, Präsident der Bundesarchitektenkammer, denn auch damit, daß die Verbindung „historischer Repliken mit modernen Nutzungen“ äußerst anspruchsvoll sei.

Gleiches gilt für das Potsdamer Stadtschloß, in das der Landtag Brandenburgs einziehen soll. Nachdem die zweckgebundene 20-Millionen-Euro-Spende des Software-Unternehmers Hasso Plattner die Rekonstruktion der Barockfassaden finanziell garantiert und damit quasi erzwingt, sieht sich das Land genötigt, den sechs sich bewerbenden Baukonsortien neue Vorgaben zu erteilen.

Denn da nun die Fassade weitgehend historisch gestaltet werden wird, müssen die Planungen für den gesamten Bau verändert werden. Hintergrund: Die Stadtschloßfassade besitzt nur drei Stockwerke, in der bisherigen Planung aber waren derer fünf geplant gewesen. Wie überaus wichtig die Errichtung der Knobelsdorffschen Barockfassade für Potsdams Stadtbild ist, unterstreicht der Architekt Christo­pher Kühn, der eine Machbarkeitsstudie zu ihrer Rekonstruktion erarbeitet hat. Aus seiner Sicht kann das historische Stadtschloß „analog zur Frauenkirche in Dresden die Initialzündung für den Wiederaufbau des Stadtkernes sein“.

Den trostlosen Zustand unserer heutigen Städte hatte bereits Hermann Hesse in den 50er Jahren vorausgesagt, als er die Zerstörung der historischen Stätten in Deutschland als „traurige(n) Krankheitsherd“ beschrieben hatte. „Damit“, so Hesse, sei „auch die Seelenwelt dieser Nachkommen einer Substanz beraubt, ohne welche der Mensch zwar zur Not leben, aber nur ein hundertfach beschnittenes, verkümmertes Leben führen kann.“

Hans-Joachim Kuke vom Förderverein Potsdamer Stadtschloß teilt die Sicht des weltberühmten deutschen Autors, der durch die äußere Häßlichkeit der Städte in die ebenso verkrüppelte Seele der Deutschen blickte. In Ost wie in West, so Kukes Tenor, sei eine „Psychopathologie der Deutschen“ festzustellen, wie sie nach 1945 die eigene historische Bausubstanz abgeräumt und zerstört haben. Das alliierte Verdikt, demzufolge Preußen als Hort des Militarismus definiert wurde, wirke unheilvoll bis heute fort. Eine wissenschaftliche Beschäftigung damit stehe eigentlich noch aus.

Foto: Nach Berlin, Potsdam und Dresden jetzt auch Frankfurt am Main: Zwei italienische Touristinnen betrachten auf dem Frankfurter Römerberg eine Postkarte mit dem Motiv des zerstörten Frankfurt von 1945. Die Bankenmetropole will sich das Herz wiedergeben, das 1944/45 aufgehört hatte zu schlagen. Bis 2014 wird im Zentrum auf dem Terrain der verschwundenen Altstadt ein neues Viertel entstehen. Baumonster wie das „Technische Rathaus“ werden fallen.


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