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09.02.08 / Stasi im Landtag?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

»Moment mal!«
Stasi im Landtag?
von Klaus Rainer Röhl

Das war ein Abend! Der Wahlausgang in Hessen war noch nicht sicher. Im ZDF lief der lange angekündigte Spielfilm über den banalen und verbrecherischen Alltag in der DDR-Diktatur, „Das Wunder von Berlin“. Ein Melodram mit Guten und Bösen, schlimmen Schicksalen und glücklichen Zufällen. Auch das hat es gegeben: das gute Ende für den einzelnen und das gute Ende für die Bewohner des Kommunistenstaats, die Gefangenen im 17-Millionen-Lager, die am Ende befreit werden. Der gute Kommunist, der fanatische, aber ehrliche Kämpfer gegen die Pinochet-Diktatur setzt sich eine Kugel. Klare Sache und ex. Der Kommunismus hat ausgespielt. Die erbärmlichen Stasi-Funktionäre mit ihren schäbigen Liebesabenteuern verschwinden, irgendwohin. Die gute Mutter, Veronika Ferres, die ihren Sohn aus den Händen des Systems befreien wollte, hatte gesiegt, zumindest im Film. Die Stasi und ihr System, pfui Deubel, war das eine Zeit, dachten wir. Bis 1990 dauerte sie.

Dann schalteten wir wieder das Fernsehen an, im Januar 2008: Die Stasi ist im Landtag! Jedenfalls die SED, deren Schild und Schwert das MfS war. Gewählt von 5,1 Prozent der Wähler in Hessen. In Niedersachsen sitzt sie ebenfalls im Landtag. Die Wähler waren vergeßlich. Die Neuwähler bestimmt. 18 Jahre haben genügt, um die Nachfolger der SED wieder zu wählen, die soviel Unglück über die Deutschen gebracht hat. Und Mord und Totschlag.

Das Regime Lenins und Stalins, das für die Massentötungen von wenigstens 20 Millionen russischer Bauern und politischer Gegner verantwortlich ist, wie schwarz auf weiß lange bewiesen ist, im „Schwarzbuch des Kommunismus“, war mörderisch aus Prinzip. Anhänger des Massenmörders Stalin – das waren die Mitglieder und Anhänger der SED nun einmal, bis zu seinem Tode 1953 und eigentlich bis zum Ende der sogenannten DDR. Dreimal umbenannt, heißt diese Partei jetzt „Die Linke“ und tritt auch im Westen der Bundesrepublik auf. Im Osten des Landes ist sie stark, in einigen Ländern sogar die zweitstärkste Partei.

Nun ist die Linke auch in den Landtagen zweier großer Länder im Westen. Keine Bange, meint die Sozialdemokratische Partei unter Kurt Beck, das haben wir schon im Griff. Laßt sie doch. Die demokratischen Parteien dürfen sie nur nicht hochkommen lassen.

Ein ganz normaler Vorgang, behaupten viele unserer Politiker, wiederholen fast alle Medien. Sie, die vorwiegend linksdrehenden Meinungsmacher, sind die eigentlichen Sieger der Wahl in Hessen. Sie haben, wie sie am anderen Tag dann selber triumphierend berichteten, die politische Landschaft grundlegend verändert. Es hat weniger mit Roland Koch zu tun als mit einem allgemeinen Trend nach links, der durch eine geglückte Kampagne der Genossen Journalisten, Kommentatoren, Kabarettisten, kleiner und großer linker Stammtische erzielt wurde, mit Roland Koch als bösen „Populisten“, als Buhmann. Buhmann für wen?

Warum gingen die Wahlen für die CDU in Hessen verloren? Weil endlich einmal offen ausgesprochen wurde, daß Jugendliche aus Einwandererfamilien überdurchschnittlich an Gewalttaten und schweren Körperverletzungen beteiligt sind? Haben die Überfälle auf alte Mitbürger in U-Bahnen nicht stattgefunden, die Gewalt an den Schulen, die Raubüberfälle auf Mitschüler, neuerdings mit frechen, deutschfeindlichen Sprüchen? Alter Sack. Scheißdeutscher. Schweinefleischfresser! War es falsch, darüber zu sprechen und zu schreiben? War es übertrieben, härteres Durchgreifen dagegen von Polizei und Justiz zu fordern? Haben die Rentner und Behinderten, die Frauen und Mädchen jetzt weniger Angst, bei Dunkelheit in die U-Bahn zu steigen oder nachts durch einen dunklen Park zur Haltestelle zu gehen und einen Bus zu besteigen? Nein.

Die Alten und die über die steigende Zahl von Überfällen empörten Frauen haben schon richtig gewählt. Sie wählten alle CDU – oder FDP. Dieses Wählerpotential wurde voll ausgeschöpft. Aber die meisten alten oder invaliden Deutschen fahren eben nicht nachts allein mit der U-Bahn. Und die meisten würden sich hüten – auch ohne die zynische Ermahnung eines deutschen Journalisten wie Jens Jessen von der „Zeit“, man dürfe die ausländischen, schnell reizbaren Jugendlichen eben nicht provozieren, die türkischen und arabischen Schläger auch nur schief ankucken. Aber die Alten sind ohnehin viel zu eingeschüchtert, als daß sie auf die Idee kämen, einen jugendlichen Rowdy zu bitten, seinen MP3-Player leiser zu stellen oder die Zigarette auszumachen.

Aber die potentiellen Opfer sind eben nur eine Minderheit der Bevölkerung. Die anderen fühlen sich nicht betroffen. Die meisten Wähler, mit fünf Jahrgängen von Neuwählern, waren junge Leute, Arbeitslose und Berufstätige, Studenten und Schüler und Lehrlinge, U-Bahnfahrer und Busbenutzer ohne Angst und als junge Menschen ohne Grund zur Angst. Die Schläger sind, wie man weiß, feige und schlagen am liebsten Schwächere. Die Überfälle und Übergriffe an den Schulen betrafen die über 18jährigen Jungwähler kaum, ihren Frust und ihre Emotionen zeigen sie eher auf dem Fußballplatz oder in den Großkonzerten der Rock-gruppen. 1,56 Millionen Wähler blieben zu Hause, darunter 790000 der früheren CDU-Wähler.

Die meisten Deutschen fanden Koch gar nicht so übel, die Kriminalität von Jugendlichen und der übermäßige Anteil von Ausländern daran wurde sogar von einer Mehrheit der Bevölkerung als Problem angesehen, und die Hessen hätten ihm und der FDP eine klare Mehrheit verschafft, zwei Wochen zuvor hatte er einen hohen Sieg fast schon der Tasche. Die Zustimmung war klar. Wodurch verschwand sie? Durch eine „Glaubwürdigkeitslücke“, sagen die Wahlforscher. Man hätte ihm das Engagement für die Sicherheit alter Menschen auch in der eigenen Partei nicht abgenommen, weil dieses Thema erst plötzlich aufgegriffen worden und er als Ministerpräsident in den Jahren seiner Regierung nicht mit spektakulären Maßnahmen gegen die Jugendkriminalität hervorgetreten sei. Erfolgreich konnten seine Gegner ihn beschuldigen, die Ausländerfrage nur gestellt zu haben, um seinen durchschlagenden Erfolg mit dem Thema der doppelten Staatsbürgerschaft bei der letzten Hessenwahl zu wiederholen.

Der Einzug der Linken in zwei Landtage der alten Bundesrepublik aber ist das Neue und eigentlich Bedenkliche an den Länderwahlen. Die SED ist wieder gesellschaftsfähig, 18 Geburtsjahrgänge nach der Wende. Wie sehr, das hätten die Zuschauer des ZDF-Films „Das Wunder von Berlin“ um ein Haar am Wahlabend erleben können. Einen Verharmloser des Schießbefehls als Wahlsieger. Aber in letzter Minute hatten die Manager der Linken noch den Spitzenkandidaten von Hessen, Pit Metz, von der Liste gestrichen, nachdem er den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze mit dem Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan verglichen hatte! Wenigstens er war ehrlich. Die Partei wird einen gut dotierten Posten im Landtag für ihn finden. Seine Partei wird schon gewußt haben, warum sie ausgerechnet ihn zum Spitzenkandidaten machen wollte. Er wird nicht der einzige Altstalinist sein. Der jetzige Spitzenkandidat war Funktionär der von Ost-Berlin gegründeten Tarnorganisation „Deutsche Friedensunion (DFU)“.

Nicht der Stimmenverlust für Roland Koch in Hessen, sondern das neuerliche Auftauchen der Kommunisten in der alten Bundesrepublik seit 1951 ist das Neue im Jahr 2008. Das Neue hat seine Ursachen und seine Verursacher. Es ist die Folge der schleichenden Aushöhlung aller Vereinbarungen der Großen Koalition und die Vorbereitung eines „Rucks nach links“ durch SPD-Chef Beck und seine linke Mannschaft beziehungsweise Frauschaft. Gegen die gemäßigte und sicherlich von vornherein als befristet angesehene Zusammenarbeit mit der marktwirtschaftlich orientierten Union rückt zunehmend das alte sozialistische Modell einer Verteilergesellschaft (Gleichheit statt Leistung) – von der Schule bis zur Produktion – wieder in den Vordergrund sozialdemokratischer Träume. Bei Führung und Mitgliedschaft.

Je mehr die Wähler feststellen mußten, daß die SPD auf immer mehr Feldern eine schrittweise Annäherung an die Linke vollzieht und vorantreibt, und je mehr linke Intellektuelle und Demagogen behaupten, daß die beiden Linksparteien in ihrer Zielsetzung „gar nicht so weit auseinander“ seien, macht sich, besonders unter Jungwählern, die Neigung breit, gleich die radikalere, konsequentere Gleichheits- und Gerechtigkeits-Partei zu wählen: Links ist, wo die Reichen zahlen! Vom Bafög bis zur Rente. Gleicher Lohn für alle.

Ein normaler Vorgang? Wenn das Auftauchen antidemokratischer Parteien in Landtagen der Bundesrepublik ein normaler Vorgang ist, wäre auch der Wahlerfolg der Rechten in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern und gar in Sachsen, wo die NPD die drittstärkste Partei wurde, ein normaler Vorgang. Extrem bleibt extrem. Da hilft kein Schminken.

Foto: „Das Wunder von Berlin“: Während in Hessen und Niedersachsen die SED-Nachfolgepartei „Die Linke“ in den Landtag gewählt wurde, sendete das ZDF einen bewegenden Film über das Leben in der DDR unter dem Stasi-Regime.


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