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09.02.08 / In Preußen Impulse empfangen / Vor 125 Jahren starb der Komponist Richard Wagner in Venedig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

In Preußen Impulse empfangen
Vor 125 Jahren starb der Komponist Richard Wagner in Venedig
von Silke Osman

Es ist ein prachtvoller Palazzo, wenn er gewiß auch schon einmal bessere Tage gesehen haben mag. Seine Lage ist jedoch traumhaft – direkt am Canale Grande in Venedig. Dort, im Palazzo Vendramin-Calergi, starb vor 125 Jahren der Komponist Richard Wagner (1813–1883). Er hatte die Uraufführung seiner Oper „Parsifal“ am 26. Juli 1882 in Bayreuth noch erlebt und war nach der zweiten Aufführung mit den Worten „Hiermit nehme ich von Ihnen Abschied“ vor sein Publikum getreten. Sein Werk war vollendet. Während der letzten Aufführung des „Parsifal“ dirigiert er, unbemerkt vom Publikum, den letzten Aufzug und verabschiedete sich auch als Dirigent.

Am 14. September ging er schließlich mit der Familie nach Italien, um den Winter in Venedig zu verbringen. Seine Gesundheit verschlechterte sich rapide. Wagner gab nicht zuletzt auch dem schlechten Wetter die Schuld, das unerwartet in Venedig herrschte. Doch ließ er es sich nicht nehmen, Anfang Februar mit der Familie zum Markusplatz zu gehen, um dem dortigen Karnevalstreiben zuzusehen.

Am 13. Februar fühlte er sich nicht wohl, Herzkrämpfe machten ihm zu schaffen. Nach einem Streit mit seiner Frau Cosima zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück. Mitten in seiner Arbeit zu dem Aufsatz „Über das Weibliche im Menschen“ erlitt er einen weiteren Herzanfall. Der eilends herbeigerufene Arzt konnte gegen 15 Uhr nur noch den Tod feststellen.

Aus Wien wurde ein Sarkophag herbeigeschafft und per Gondel zu einem aus zwei Wagen bestehenden Sonderzug gebracht. Am 17. Februar 1883 erreichte der Zug Bayreuth. Am folgenden Tag begleitete ein Trauerzug die sterblichen Überreste des Komponisten nach Wahnfried, wo Wagner im Garten der Villa beigesetzt wurde.

Wenn auch die Meinungen über Richard Wagner und sein Schaffen noch heute weit auseinandergehen, so ist doch zweifellos nicht von der Hand zu weisen, daß viele Komponisten bis in die Gegenwart hinein nachhaltig von ihm beeinflußt wurden. Auch der Streit um die Nachfolge auf dem Hügel ist für echte Wagnerianer nur deshalb wesentlich, kommt es doch vor allem darauf an, daß das Erbe des Meisters recht verwaltet wird.

Richard Wagner hat zeitlebens um Anerkennung kämpfen müssen. Er war ein ruheloser Geist, oft auf der Flucht vor seinen Gläubigern. Mit großer Konsequenz und mit Energie aber verfolgte er seine Pläne – und schuf Opern von Weltgeltung.

Nicht viele Musikfreunde werden wissen, daß der am 22. Mai 1813 in Leipzig geborene Wagner auch eine kurze Zeit seines Lebens im ostpreußischen Königsberg verbrachte, eine Zeit, die er selbst als „verloren“ betrachtete, die ihn aber als Mensch wie als Künstler hat reifen lassen.

Wagner kam Anfang Juli 1836 nach Königsberg; er war seiner Angebeteten, der Schauspielerin Minna Planer, gefolgt, die ein Engagement am dortigen Schauspielhaus erhalten hatte. Auf Betreiben Minnas sollte der junge Komponist (seine Oper „Das Liebesverbot“ war gerade in Magdeburg mit nicht großem Erfolg aufgeführt worden) die Stelle des Musikdirektors erhalten.

Doch Wagner hatte in Königsberg kein Glück; die Stelle wurde nicht frei und Wagner mußte sehen, wie er im „preußischen Sibirien“ , so in einem Brief an Robert Schumann, seinen Lebensunterhalt bestritt. Als Hilfskapellmeister kam er einigermaßen über die Runden. Um so mehr klammerte er sich an Minna und überredete sie zur Eheschließung.

In der „Königlich Preußischen Staats-, Kriegs und Friedenszeitung“, der späteren „Hartungschen Zeitung“, las man am 19. November 1836, daß am 23. November zum Hochzeitsbenefiz für Fräulein Minna Planer „Die Stumme von Portici“, eine Oper von Daniel

François Esprit Auber, die bei der Aufführung 1830 in Brüssel zur belgischen Revolution führte, gegeben werden sollte (von Wagner inszeniert und dirigiert). Am 24. November 1836 dann wurden Minna Planer und Richard Wagner in der Tragheimer Kirche von Pfarrer Johann Friedrich Haspel getraut.

In seiner Autobiographie „Mein Leben“, die er übrigens seiner zweiten Frau Cosima diktierte, erinnerte sich der Komponist an dieses denkwürdige Ereignis: „Der Traurede des Pfarrers … hörte ich wie im Traume zu. Mir wurde nach einigen Tagen gemeldet, man trage sich in der Stadt mit dem Gerücht, daß ich den Pfarrer wegen in seiner Rede enthaltener gröblicher Beleidigung verklagt hätte: Ich begriff nicht, was man meinte, und vermutete, daß ein Passus, welchen ich allerdings mit einiger Verwirrung vernommen hatte, zu jener Übertreibung Veranlassung gab. Der Prediger nämlich verwies uns für die leidvollen Zeiten, denen auch wir entgegengehen würden, auf einen Freund, den wir beide nicht kennten. Einigermaßen gespannt, hier etwa von einem heimlichen einflußreichen Protektor, der auf diese sonderbare Weise sich mir ankündigte, Näheres zu erfahren, blickte ich neugierig auf den Pfarrer: Mit besonderem Akzent verkündigte dieser wie strafend, daß dieser uns unbekannte Freund – Jesus sei, worin ich keineswegs, wie man in der Stadt vermeinte, eine Beleidigung, sondern nur eine Enttäuschung fand, während ich andererseits annahm, daß derlei Ermahnungen dem Ritus bei Trauungsreden entsprächen.

Doch war im ganzen meine Zerstreutheit bei dem im tiefsten Grunde mir unbegreiflichen Akte so groß, daß, als der Pfarrer uns das geschlossene Gebetbuch hinhielt, um darauf unsere Trauringe zu sammeln, Minna mich ernstlich anstoßen mußte, um mich zur Nachfolge ihres sofort gegebenen Beispiels zu ermuntern. Mir wurde es in diesem Augenblick wie durch eine Vision klar, daß sich mein ganzes Wesen wie in zwei ineinanderfließenden Strömungen befand, welche in ganz verschiedener Richtung mich dahinzögen: die obere, der Sonne zugewendete, riß mich wie einen Träumenden fort, während die untere in tiefem unverständlichen Bangen meine Natur gefesselt hielt.“

Es war wahrlich keine Ehe aus dem Bilderbuch, die Minna und Richard Wagner führten. Stieftochter Natalie wußte sich zu erinnern: „... wenn er es recht toll und roh getrieben“, lag er „vor ihr auf den Knien und weinte und bettelte um Verzeihung wie ein Kind. Doch währte der Friede nur ein paar Stunden; dann ging diese rohe, entwürdigende Behandlung von neuem los.“

Hinzu kam die berufliche Ungewißheit. Erst im April 1837 übernahm Wagner die ihm versprochene Stelle. Im August des gleichen Jahres noch ging er allerdings nach Riga ans dortige Stadttheater. Bis Bayreuth ist es von da noch ein weiter Weg voller Höhen und Tiefen.

Doch so verloren, wie Wagner seine Zeit im preußischen Königsberg ansah, war diese denn doch nicht. Neben der Orchesterouvertüre „Rule Britannia“ nennt Dr. Erwin Kroll in seinem Buch „Musikstadt Königsberg“ (Freiburg, 1966) eine Musik zu dem romantisch-historischen Schauspiel „Die letzte Heidenverschwörung in Preußen“ oder „Der deutsche Ritterorden in Königsberg“, die Wagner in der alten Krönungsstadt der preußischen Könige schuf. Weiter fand man Wagner als Dirigenten von Orchesterkonzerten, auch entwarf er einen Operntext nach einem Roman „Die hohe Braut“ von Heinrich König und stellte nach einer Erzählung aus „Tausendundeine Nacht“ den Text für eine zweiaktige komische Oper  mit dem Titel „Männerlist ist größer als Frauenlist“ oder „Die glückliche Bärenfamilie“ zusammen. Er verfaßte weiter eine Abhandlung über „Dramatischen Gesang“ und eine Einführung zu einer Aufführung von Bellinis Oper „Norma“. Im Sommer 1837 begegnete Wagner auch dem Roman „Rienzi, der letzte Tribun“ des englischen Schriftstellers Edward Bulwer-Lytton. Wagners Oper „Rienzi“ wurde schließlich zu seinem ersten großen Erfolg (1842) und begründete seine Berufung als Kapellmeister an die Dresdner Hofoper.

Am Ende seines Lebens hatte sich Wagner  mit Königsberg offensichtlich ausgesöhnt, schrieb er doch noch zwei Tage vor seinem Tod in einem Brief aus Venedig anläßlich der Aufführung des „Nibelungenringes“ in Königsberg über „das treffliche Benehmen“ der Stadt.

Als Wagner mit seiner Frau Minna 1839 Riga Hals über Kopf verlassen mußte – die Gläubiger sind ihm wieder einmal auf den Fersen – und sie über Pillau per Schiff nach London und Paris flohen, war es die stürmische Seefahrt, die derart tiefe Eindrücke hinterließ, daß Wagner sie in seiner Oper „Der fliegende Holländer“ verarbeiten konnte. „So ist ein ostpreußischer Fischertanz für den Matrosentanz in dieser Oper Vorbild geworden“ (Kroll).

 Vom 25. Juli bis 28. August werden sich wieder die Schönen und Berühmten, die Reichen und Einflußreichen in Bayreuth treffen, um den Klängen wagnerscher Musik zu lauschen. Zum Auftakt der diesjährigen Bayreuther Festspiele wird „Parsifal“ zu hören sein, die Oper, mit der Richard Wagner sich 1882 von seinem Publikum verabschiedete. Seine Musik ist eben unsterblich …

Rechtzeitig zum 125. Todestag ist im Deutschen Taschenbuch Verlag ein Bildband erschienen, in dem Wagner-Experte Walter Hansen die Höhenflüge und Höllen-stürze des exentrischen Komponisten und Dirigenten aufzeigt (Richard Wagner – Ein Leben in Bildern, dtv 34457, München 2007, 186 Abb., 176 Seiten, brosch., 15 Euro). Unterhaltsam und kenntnisreich erzählt.

Foto: Letzte Ruhestätte: Im Garten der Villa Wahnfried wurde Richard Wagner bestattet. Die Grabplatte trägt keinen Namen.


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