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09.02.08 / Ein Stück Preußengeschichte auf Rädern / Die IG Hirzbergbahn hat in Thüringen einen Eisenbahnwaggon aus Ostpreußen vor der Verschrottung gerettet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

Ein Stück Preußengeschichte auf Rädern
Die IG Hirzbergbahn hat in Thüringen einen Eisenbahnwaggon aus Ostpreußen vor der Verschrottung gerettet

Einem Eisenbahnverein in Thüringen – der IG Hirzbergbahn e. V. – ist es kürzlich buchstäblich in letzter Minute gelungen, ein historisches, aus Ostpreußen stammendes Fahrzeug vor der Verschrottung zu retten. Es handelt sich um einen Eisenbahnwagen, der 1918 die Werkshallen der Waggonfabrik L. Steinfurt verlassen hat.

Diese befand sich in Königsberg im Stadtteil Ratshof. Nördlich begrenzte die Bahnlinie nach Pillau die Werksanlagen, südlich der Pregel. Über den Holsteinischen Damm beziehungsweise die Arndtstraße erreichte man das Werk. Dieses wurde bereits 1830 als „Metallspritzen- und Maschinenfabrik“ durch Benjamin Leopold Steinfurt gegründet, zunächst auf einem Grundstück in der Baadergasse, ab 1843 dann auf neuem Gelände am Weidendamm. Im Jahre 1865 wurde die Fertigung von Eisenbahnwaggons aufgenommen, acht Jahre später wurde bereits der 1000. Wagen ausgeliefert, 1891 der 5000., 1903 zog die Fabrik dann an den genannten Standort in Rathshof um, wo sowohl Bahnanschluß wie auch Verlademöglichkeiten aufs Schiff bestanden. Ihre Aufträge erhielt die Waggonfabrik von den Staats- sowie Klein- und Privatbahnen, die dem eher ländlichen Eisenbahnverkehr in den Ostgebieten dienten. Dies erklärt, warum man Wagen von Steinfurt im mittel- und westdeutschen Raum weniger antreffen konnte, nur vereinzelt wurden sie auch hier verwandt.

Eine Ausnahme bildet eine Serie von Schmalspurgüterwagen, die 1918 für die Heeresfeldbahnen (Schmalspurbahnen) geliefert wurden. Schmalspurbahnen dienten jedoch nicht nur dem Heer, sondern kamen deutschlandweit im öffentlichen Verkehr zur Anwendung. Sie hatten den Vorteil, daß sie im Bau und Betrieb billiger waren, da die Anforderungen an sie nicht so hoch waren. Eine solche Bahn befand sich bei Gera in Thüringen, sie diente vorrangig dem Güterverkehr (Kohle, Quarzsand).

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieg veräußerte die Reichstreuhandgesellschaft die nicht mehr von den Streitkräften benötigten Wagen, und so gelangten vier nach Gera. Ein weiterer fand eine neue Verwendung im Brohltal im Rheinland.

All diese Wagen haben mittlerweile schon lange ausgedient und sind den Weg des alten Eisens gegangen, bis auf eine Ausnahme! Einer gelangte, nachdem er 1968 von der damaligen Deutschen Reichsbahn der DDR ausgesondert worden war, auf ein Privatgrundstück bei Gera und diente fortan als Gartenschuppen. Im Oktober 2007 allerdings beabsichtigte der Grundstücksbesitzer den Wagen der günstigen Schrottpreise wegen zu zerlegen. Der Zufall wollte es, daß genau an dem Tag, an dem er mit der Verschrottungsaktion beginnen wollte, ein Eisenbahnfreund vorbeischaute und dem Verein Hirzbergbahn sofort den entscheidenden Tip gab. Telefonisch konnte ein Stop bezüglich der Verschrottung vereinbart werden. Ein Besuch von Vereinsmitgliedern vor Ort brachte dann die Entscheidung: Dieses historisch wertvolle Fahrzeug muß der Nachwelt erhalten bleiben! Nachfolgende Recherchen ergaben, daß dies der letzte schmalspurige sogenannte gedeckte Wagen aus der Königsberger Waggonfabrik ist, der in Deutschland – vermutlich sogar europaweit – noch existent ist!

Die Interessengemeinschaft Hirzbergbahn ist ein Eisenbahnverein, dessen Ziel in der baldigen Aufnahme eines musealen Bahnbetriebes auf der derzeit stillgelegten Strecke von Georgenthal nach Tambach besteht. Diese Bahnlinie liegt am Fuße des Thüringer Waldes, in unmittelbarer Nähe von Gotha und nicht weit von der Landeshauptstadt Erfurt entfernt, in einer touristischen Wander- und Urlauberregion. Der Museumsbetrieb soll Bahnfreunde, Touristen und Urlauber, aber auch Einheimische gleichermaßen anlocken. Das Besondere ist, daß der Verein in Georgenthal ein Museum aufbaut, welches seltene Schmalspurfahrzeuge aus ganz Thüringen beherbergt. Das Fahrzeug aus Ostpreußen mit seiner Geschichte ist dabei eine besondere Bereicherung. Allerdings ist es nicht das einzige Projekt.

Die Kaufsumme für den Wagen konnte bereits aufgebracht werden, doch fehlen dem Verein noch finanzielle Mittel zum Transport von seinem jetzigen Standort ins Museum nach Georgenthal sowie für die Restaurierung des Fahrzeuges. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. E. B.

Nähere Informationen erteilt gerne die IG Hirzbergbahn e. V., Friedensstraße 16, 99887 Georgenthal / Thür.

Foto: Der Waggon: Nach der Rettung vor der Verschrottung soll er nun restauriert werden.


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