29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
16.02.08 / Diskriminiert? / Abgelehnte Bewerber können Unternehmen teuer zu stehen kommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-08 vom 16. Februar 2008

Diskriminiert?
Abgelehnte Bewerber können Unternehmen teuer zu stehen kommen
von Mariano Albrecht

Können abgelehnte Bewerber, die sich bei der Stellenvergabe benachteiligt fühlen, den Arbeitgeber, der sich für eine andere Besetzung entschieden hat, belangen? Kann ein Arbeitnehmer seine Einstellung erzwingen, für eine Ablehnung sogar Schadenersatz einfordern? Anscheinend ja. Das Hamburger Arbeitsgericht entschied kürzlich zugunsten einer jungen Frau, die sich um eine Stelle als „Integrationslotse“ beim Diakonischen Werk beworben hatte und nicht eingestellt wurde. Die Diakonie muß ihr nun drei entgangene Monatsgehälter zahlen. Was war passiert?

Zum Profil für die ausgeschriebene Stelle gehörte neben einem Hochschulabschluß auch die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche. Die abgelehnte Bewerberin ist gebürtige Muslimin und praktiziert nach ihren eigenen Angaben gegenwärtig keine Religion. Die Frage, ob sie sich vorstellen könne, Mitglied einer Kirche zu werden, verneinte sie. Die Einstellung kam nicht zustande, die Türkin fühlte sich diskriminiert und klagte unter Berufung auf das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG), das die Benachteiligung wegen der Zugehörigkeit zu Ethnien, Religionen oder Minderheiten verbietet, auf Schadenersatz. Gewöhnlich ist die Beweislage in einer solchen Situation schwierig.

Wie konnte die junge Türkin den Vorwurf der Diskriminierung beweisen? Überhaupt nicht, es reichte die pure Behauptung.

Über den in der Stellenausschreibung geforderten Studienabschluß verfügte sie jedenfalls nicht. Doch für das Hamburger Arbeitsgericht reichte der Vorwurf einer Diskriminierung für einen Urteilsspruch zugunsten der Klägerin. Lag eine Diskriminierung wirklich vor?

Im Artikel 140 des Grundgesetzes ist das Recht auf kirchliche Selbstbestimmung verankert, auch EU-Richtlinien stellen Gemeinschaftsrecht unter das nationale Kirchenrecht. Danach ist den Kirchen die Autonomie unter anderem bei der Besetzung von Stellen im sogenannten „verkündungsnahen Bereich“ zugesichert. Daß eine Sekretärin nicht unbedingt im verkündungsnahem Bereich tätig ist, mag einleuchten, daß eine Sozialpädagogin, die mit der Integrationsarbeit von Einwanderern betraut ist, den Grundsätzen einer christlichen Organisation fern sein kann, ist schon schwerer nachvollziehbar.

Wäre ein guter Kulturjournalist wohl die richtige Besetzung für eine Sportredaktion einer Zeitung, noch zumal wenn er im Bewerbungsgespräch zugeben hätte, sich nicht für Fußball zu interessieren? Diese Frage stellt Unternehmensberater Ullrich W. und erklärt: „Ganz eindeutig wird hier vom Arbeitgeber nicht nur ein fachspezifisches Profil, sondern auch ein Kompetenzprofil erwartet.“ Könnte wohl ein Christ im sozialpädagogischen Bereich einer muslimischen Organisation arbeiten? Es geht um die glaubwürdige Vertretung religiöser Werte als Einstellungsvoraussetzung.

Im Gleichstellungsgesetz ist dies auch im Paragraphen 9 geregelt. Demnach ist eine Ungleichbehandlung zulässig, wenn eine Religion oder Weltanschauung im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Worum geht es also?

Es geht um Kompetenzen, die offensichtlich durch die Rechtsprechung als solche nicht gesehen werden. Personalmanager benutzen für die nicht fachspezifischen Eigenschaften eines Bewerbers den Begriff „Soft Skills“, zu Deutsch Schlüsselqualifikationen im weiteren Sinne soziale Kompetenz. Daß diese der Bewerberin offensichtlich fehlten, übersah das Gericht und gab den Kritikern des umstrittenen Gesetzes einmal mehr Recht. Sie sehen das Gleichstellungsgesetz als Türöffner für Abzocker. Schon kurz nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2006 registrierten viele Arbeitgeber sogenannte Scheinbewerbungen, die darauf abzielten, mit dem Gesetz Schindluder zu treiben. Der Arbeitgeber-Verband in Olpe warnte bereits im Jahr 2006 seine Mitglieder in einem Schreiben: „Es zeigt sich immer deutlicher, daß die zahlreichen Mißbrauchsmöglichkeiten des AGG mit anwaltlicher Unterstützung gegen Unternehmen eingesetzt werden.“

Eine Stuttgarter Anwaltskanzlei hat dem Mißbrauch einen Namen gegeben: AGG-Hopping. In einer Internetdatenbank dokumentiert die Kanzlei mißbräuchliche Bewerbungen. Die Kanzlei geht derzeit zirka 200 Fällen nach, die auf fingierte Bewerbungen schließen lassen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren