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16.02.08 / Kalte Enteignung, die zweite / Brandenburg zog still das Land toter Bodenreform-Begünstigter ein – Erben klagen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-08 vom 16. Februar 2008

Kalte Enteignung, die zweite
Brandenburg zog still das Land toter Bodenreform-Begünstigter ein – Erben klagen
von Markus Schleusener

Es wird wieder über die Bodenreform gestritten. Nach dem Krieg wurden auf dem Gebiet der späteren DDR Grundbesitzer enteignet, das Land an „kleine Leute“ verteilt.

Jetzt ist ein Skandal ans Tageslicht gekommen, der dieser damaligen Enteignung in nichts nachsteht.

Es geht dabei um das selbe Land,  das Bodenreformland. Denn die Erben derjenigen, die damals ein Grundstück bekommen haben, sind nun auch wieder enteignet worden. Diesmal hat sich der Staat, konkret das Land Brandenburg, als Erbe eingesetzt, wenn die Erben der Bodenreform-Begünstigten nicht zu ermitteln waren.

Nun ist es die ganz normale Vorgehensweise, daß Besitz, dessen Erben nicht auffindbar sind, an den Staat fällt. Im Falle des Bodenreformlandes haben sich die Behörden aber nicht die geringste Mühe gegeben, diese Erben auch zu ermitteln, was ihre juristische Pflicht gewesen wäre.

Offenbar herrschte eine Haltung in den Brandenburger Amtsstuben, die sich so zusammenfassen läßt: „Wenn wir die ursprünglichen, eigentlich rechtmäßigen Besitzer schon einmal enteignet haben, dann können wir so etwas auch ein zweites Mal tun.“

„Sittenwidrig“ nennt der Bundesgerichtshof diese Aneignung durch das Land und gab jetzt den Brüdern Horst und Egon N. aus Strausberg recht. Die beiden haben erst vier Jahre nach der Aneignung durch das Land Brandenburg erfahren, daß das Bodenreformland ihres verstorbenen Vaters inzwischen Staatsbesitz war. Sie wären leicht zu ermitteln gewesen, da sie seit 1960 durchgehend an der selben Adresse wohnten.

Insgesamt geht es um bis zu 10000 vererbte Grundstücke. Die Praxis reicht bis in die Zeit nach der Wiedervereinigung zurück. Diese neuerliche Bodenreformland-Enteignung ist damit ein handfester politischer Skandal, der auch politische Konsequenzen hat. Erst befaßte sich das Landeskabinett und am vergangenen Dienstag der Landtag mit der Problematik.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft laut der Tageszeitung „Die Welt“, ob sie Ermittlungen wegen Untreue aufnimmt. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kritisierte die Praxis als „beschämend“ und forderte umgehende Aufklärung. Finanzminister Rainer Speer (SPD) kündigte an, die Anträge auf Grundbucheintragung in 1000 laufenden Fällen (!) sofort zurückzuziehen. Die Linkspartei, die sich selbst als politischer Arm der Bodenreform und der dadurch Begünstigten sieht, wird Speer mit bohrenden Fragen in Bedrängnis bringen.

Das ursprüngliche Unrecht der Bodenreform spielt unterdessen weder in der Rechtsprechung noch in der öffentlichen Debatte eine Rolle. Immerhin ist das Land, um das es geht, zwischen 1945 und 1949 schon einmal gegen alles Recht enteignet worden!

Diese Enteignungen wurden von der westdeutschen Regierung im Ei­nigungsvertrag 1990 jedoch ausdrück­lich anerkannt. Helmut Kohl hat immer wieder behauptet, dies sei eine Bedingung der Sowjets gewesen, ohne die es keine Wiedervereinigung gegeben hätte. Beweise oder Zeugen, die diese Behauptung stützen würden, konnte er jedoch nie präsentieren. Der damalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow indes hat stets heftig bestritten, den Deutschen irgendwelche Vorschriften hinsichtlich des Umgangs mit dem gestohlenen Privatgrund gemacht zu haben.

Der Rechtsstaat, der die Bodenreform für juristisch falsch, aber für politisch unvermeidbar hält, hätte jetzt die Chance, das erbenlose Land an die ursprünglichen Eigentümer zurückzugeben. Wenigstens eine solche Mini-Wiedergutmachung hätte er leisten können. Aber nichts da.

Zu denen, die in den 90er Jahren mit viel Aufwand vergeblich versuchten, die Bodenreform rückgängig zu machen, gehört Markus Roscher. Der Berliner Rechtsanwalt hatte diese Angelegenheit „resigniert abgehakt“, wie er sagt, und war umso überraschter von den sittenwidrigen Neuaneignungen. In einer der PAZ vorliegenden Stellungnahme schreibt er: „Daß nunmehr aber das Land Brandenburg die Dreistigkeit besitzt, nach guter alter DDR-Art den Erben des Bodenreformlandes dasselbe noch einmal zu stehlen, ist geradezu eine Ironie des Schicksals.“

Die politischen Reaktionen der Brandenburger Landesregierung hält Roscher für unangemessen. So meint er über Rainer Speer, der noch nicht vollzogene Einträge in die Grundbücher zurückziehen möchte: „Eine sehr gnädige Haltung des Finanzministers, der damit ankündigt, sich nunmehr endlich um die Einhaltung des Rechtes zu bemühen. Eigentlich müßte er sofort zurücktreten, denn die Schadenersatzansprüche gegen das Land Brandenburg dürften aufgrund des Verhaltens seiner Behörde beträchtlich sein.“

Foto: Als das Recht zum  ersten Mal gebrochen wurde: Wie hier in Sachsen erhielten Klein­bauern ab 1945 Land aus der Beute der enteigneten Güter.


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