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16.02.08 / Meuterei in der Strafkolonie / Russische Gefangene entdecken Hungerstreik als oppositionelles Kampfmittel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-08 vom 16. Februar 2008

Meuterei in der Strafkolonie
Russische Gefangene entdecken Hungerstreik als oppositionelles Kampfmittel
von M. Rosenthal-Kappi

Das dürfte Putin und seiner Regierung so kurz vor der Präsidentenwahl wohl kaum in den Kram passen: Neben den berühmt-berüchtigten Ex-Oligarchen Michail Chodorkowskij und Platon Lebedew haben nun Insassen weiterer sibirischer Gefängnisse den Hungerstreik als Kampfmittel entdeckt, um auf ihre unwürdigen Haftbedingungen aufmerksam zu machen. So nahmen in der vergangenen Woche etwa 100 Häftlinge von knapp 2000 an einer solchen Protestaktion teil, weil die neu eingesetzte Leitung der Haftanstalt im südsibrischen Kemerowo zu derart harten Disziplinarmaßnahmen gegriffen hatte, daß ein Häftling anschließend im Krankenhaus behandelt werden mußte. Außerdem wollten sie auf ihre schlechte Nahrungsmittelversorgung aufmerksam machen. Die Gefängnisleitung tat den Aufstand als Provokation ab, wie sie bei einem Wechsel in der Zuchthausleitung häufiger vorkomme. Möglicherweise spekulieren diese Gefangenen tatsächlich darauf, auf diese Weise eine Generalamnestie erwirken zu können, da sich erfahrungsgemäß russische Regierungen in der Geschichte vor einem Machtwechsel gerne als Wohltäter zeigten.

Hungerstreik als Druckmittel der Opposition scheint in Rußland gerade jetzt in Mode zu kommen, besonders bei politischen Häftlingen, wie im Falle des Ex-Oligarchen Michail Chodorkowskij, der eine achtjährige Haftstrafe im Zuchthaus von Tschitinsk absitzt. Immer wieder macht der ehemalige Chef des Jukos-Konzerns, der auf Drängen der russischen Regierung im vergangenen Jahr zerschlagen wurde und in dem Staatskonzern Rosneft aufging, von sich reden. Das Internet bietet ihm und seinen Unterstützern mit einer eigenen Seite ein ideales Forum. Chodorkowskij trat aus Solidarität mit einem ehemaligen Mitarbeiter in den Hungerstreik. Gegenwärtig könnte sein Fall für die Präsidentenwahl sogar an Brisanz gewinnen.  Es hatte Spekulationen über eine vorzeitige Begnadigung der inhaftierten Ex-Oligarchen gegeben. Statt dessen wurde Chodorkowskijs Gnadengesuch nun abgelehnt und ein neuer Prozeß gegen ihn und Lebedew wegen des Diebstahls von Öl angekündigt, also hat man sich nichts Neues einfallen lassen, denn der bisherige Vorwurf lautete „Wirtschaftskriminalität“.

Seit April 2006 sitzt der damalige Jukos-Justiziar Walerij Alexanjan in der Moskauer „Matrosenstille“ in Untersuchungshaft. Als kürzlich bei ihm Aids und Lymphknotenkrebs diagnostiziert wurden, nahm man seine schwere Krankheit zum Anlaß, ihn zu erpressen, indem man ihm drohte, ihm so lange jede medizinische Hilfe zu verweigern, wie er keine Kooperationsbereitschaft zeigte, sprich Chodorkowskij und Lebedew belastete.

Das lehnte Alexanjan ab und erklärte, er habe keinerlei kriminelle Handlungen beider bemerkt und könne eine solche deshalb auch nicht bezeugen. Während Chodorkowskij hungerte, wurde Alexanjan doch in ein Krankenhaus gebracht, allerdings wußte niemand, nicht mal seine Anwälte, in welches. In jedem anderen zivilisierten Land wäre der Prozeß gegen einen dem Tode Geweihten niedergelegt worden. Nicht jedoch in Rußland, obwohl Todesstrafe und Folter offiziell abgeschafft sind. Oppositionelle als Kriminelle abzustempeln hat in Putins Rußland Methode. Ganz gleich, ob es um einen Kasjanow, Kasparow, Chodorkowskij, Beresowskij oder einen Litwinenko geht, die Botschaft ist immer die Gleiche: Wer gegen den Strom schwimmt, geht unter.

Dies mußte auch ein ganz kleiner Fisch erleben, der Bürgermeister von Archangelsk, Alexander Donskoj, einer der letzten gewählten Bürgermeister, der sich mit der geänderten Regel, der zufolge der Präsident die Gouverneure und Bürgermeister ernennt, nicht anfreunden konnte. Er wurde in Untersuchungshaft gesteckt und wartet nun auf einen Prozeß, gegen den auch er mit einem Hungerstreik prostestiert.


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