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16.02.08 / Kitt für die Ehe / Warum manche Paare beieinander bleiben / Das bleibt in der Familie (Folge 16)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-08 vom 16. Februar 2008

Kitt für die Ehe
Warum manche Paare beieinander bleiben / Das bleibt in der Familie (Folge 16)
von Klaus J. Groth

Kuschlige Zweisamkeit ist nicht unbedingt familien- oder ehefreundlich. Im Gegenteil. Loki Schmidt, Frau des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt, beantwortete die Frage nach dem Geheimnis einer langen Ehe lapidar: „Getrennte Schlafzimmer“.

Loki Schmidt dürfte aus eigener Erfahrung wissen, was Neurowissenschaftler durch umfassende Befragungen und Versuchsreihen herausfanden: Getrennt schläft es sich besser. Alleine verbrachte Nächte fördern einen „deutlich besseren Schlaf“. Und der ist wichtig für ein harmonisches Zusammenleben. Schließlich sind es nicht die großen Verfehlungen, an denen viele Ehen scheitern, sondern die Summe der vielen kleinen Störungen. Zum Beispiel das Schnarchen.

Jeder fünfte Erwachsene schnarcht. Allerdings dreimal so viele Männer wie Frauen. Jenseits des 50. Lebensjahres werden Männer erst richtig zum Schnarchsack. Alles wird dann ein bißchen schlaffer, leider auch das Gaumensegel, das dann nächtens mächtig vibriert. Schnarchen ist die häufigste Ursache für gestörten Schlaf.

Wenn trotzdem 93 Prozent der Deutschen zu den Gemeinsamschläfern zählen, sollte das nicht unbedingt auf eine besondere nächtliche Anhänglichkeit zurückgeführt werden. Eher auf einen Mangel an Alternativen. Unsere Architekten konzipieren nun mal vorzugsweise Wohnungen mit einem Schlafzimmer. Die großen Altbauwohnungen, in denen es noch ein Herrenzimmer und ein Zimmer für die Dame gab, werden heute von Singles als Untermieter bevölkert. Aber was soll’s, Männer würden vermutlich ohnehin nicht ins eigene Schlafzimmer ziehen. Sie glauben nämlich mehrheitlich, an der Seite der Partnerin besser schlafen zu können. Frauen sehen das allerdings vollkommen anders.

Zugegeben, das Schnarchproblem ist ein ziemliches Luxusproblem. Mit einem kräftigen Schlag auf die Bettdecke läßt sich das (zumindest vorübergehend) durchaus beheben. Meist aber braut sich der Unmut wegen Defiziten zusammen, die sich weniger leicht beheben lassen. Beispielweise der Streit um das Geld. Chronischer Geldmangel ist sehr häufig Auslöser heftiger Auseinandersetzungen.

Angesichts der ständig wachsenden Zahl der Scheidungen – in den vergangenen 15 Jahren nahmen sie um 40 Prozent zu (!) – wird verstärkt auf die Ursachen der Trennungen geblickt. Dabei wäre es angebrachter, einmal zu prüfen, was alte (Ehe-)Paare trotz alledem zusammenbleiben läßt. Bei einer Umfrage schätzten nur 38 Prozent der Ehemänner und 29 Prozent der Ehefrauen die deutschen Ehen als glücklich ein. Seltsam nur, daß 94 Prozent derselben Männer und 89 Prozent der Frauen den verblüfften Meinungsforschern erklärten, ihre eigene Ehe sei sehr glücklich.

Vielleicht erklärt sich dieser Widerspruch daraus, daß sich die Ansprüche an die eigene Partnerschaft im Laufe des Zusammenseins ändern. Die große Liebe ist nicht von Dauer (außer in Romanen), aber das Gefühl gegenseitiger Geborgenheit wächst mit der Zeit. Und so sind es die ganz profanen Dinge, die eine Partnerschaft bestehen lassen. Dazu zählt eine schöne Wohnungseinrichtung, ein gutes (Familien-)Einkommen, nette Nachbarn, Nähe der Wohnung zum Arbeitsplatz, die Möglichkeiten, Haus- und Berufstätigkeit zu vereinbaren. Das sind Dinge, die durchaus wie Kitt für die Partnerschaft wirken können.

In einer Untersuchung mit langgedienten Ehepaaren betonten die glücklich Verheirateten immer wieder die starken freundschaftlichen Anteile in ihrer Beziehung, die auf lange Sicht als wichtiger erlebt wurden als die romantische Liebe. Als wichtige Faktoren wurden auch Fürsorglichkeit, Aufrichtigkeit, die Bereitschaft zum Geben und nicht zuletzt der Humor genannt, der eine Ehe glücklich macht.

So prosaisch eine derartige Auflistung auch klingen mag, die klassischen Denker der Antike kamen zu keinem anderen Ergebnis, wenngleich sie ihre Erkenntnisse in sehr viel schönere Worte kleideten. Unter den alten Philosophen hat wohl niemand so gründlich über das Wesen Liebe gegrübelt wie Platon. Das Glück der Liebe könne nur halten, erkannte er, wer durch die Liebe verständiger, weniger egoistisch und hilfsbereiter werde. Das läßt sich 1:1 auf die Gegenwart übertragen.

Nach den Erkenntnissen von Eheberatern sind viele junge Ehen bereits nach dem ersten Jahr gefährdet, weil es genau an diesen Dingen – Verständnis und Hilfsbereitschaft – mangelt. Zärtlichkeit, Offenheit und Zustimmung nehmen bereits nach einem Ehejahr ab, gleichzeitig sehen sich die Partner zunehmend kritischer. Zudem entwickeln sich die traditionellen Rollenmuster, Trotz aller Bekenntnisse der Männer für eine partnerschaftliche Aufteilung der Hausarbeit, bleibt die Verantwortung dafür bei der Frau. Die Geburt des ersten, noch stärker des zweiten Kindes verstärkt diese traditionellen Rollen. Die Ehezufriedenheit der Frauen nimmt schneller ab als die der Männer.

Zwei Drittel der Klienten in den Eheberatungsstellen sind Frauen. Gleichzeitig werden zwei Drittel aller Scheidungen von Frauen eingereicht. Das liegt aber, so die Erfahrungen der Eheberater, nicht daran, daß Frauen sich leichteren Herzens zu einer Trennung entschließen. Sie reagieren vielmehr auf eine für sie unerträgliche Situation. Männern fällt es allem Anschein nach leichter, zum Beispiel durch Beruf oder Hobby, der angespannten Atmosphäre zu Hause zu entfliehen.

Der römische Dichter Ovid brachte es in seiner Schrift „Liebeskunst“ auf die Formel „Liebe, um geliebt zu werden“. An Gleichberechtigung hat Ovid dabei wohl kaum gedacht, zu seiner Zeit war das noch kein Thema. Aber er muß genau das gemeint haben, denn einer seiner Schlüssel zum Herzen eines anderen Menschen paßt dazu: Den anderen behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte, ihm die gleiche Achtung und Anerkennung entgegenbringen, die man für sich selbst erwartet.

Auf die Gegenwart übertragen bedeutet das: Die Einstellung beider Partner zur Gleichberechtigung in der Ehe spielt eine Schlüsselrolle für das gegenseitige Verständnis und die Haltbarkeit der Partnerschaft. Ehen, in denen die Gleichstellung der Frau eine Selbstverständlichkeit ist, gelingen besser. Negativ entwickelt sich das Verhältnis häufig, wenn die Frau gleichberechtigt leben möchte, der Mann aber an traditionellen Vorstellungen festhält.

Trotzdem: Manche Paare sind unzertrennlich, andere – immer wieder – scheidungsgefährdet. Untersuchungen der Familien-Soziologie benennen die stabilisierenden und die gefährdenden Punkte:

– Vollzeitbeschäftigung der Frau: Die finanzielle Selbständigkeit und die größeren Chancen, einen anderen Mann am Arbeitsplatz kennenzulernen, erhöhen das Risiko.

– Leben in der Großstadt: Größere Chancen, jemand anderes kennenzulernen, aufgeschlossener für Zeitströmungen, geringere soziale Kontrolle der Mitmenschen = stark erhöhtes Risiko.

– Schwangerschaft bei Heirat: Verringertes Risiko, Kinder sind immer eine Barriere vor einer Scheidung.

– Gemeinsames Wohnungseigentum: Besitz verringert die Scheidungswilligkeit.

– Späte Heirat: Wer lange sucht, trennt sich nicht so leicht. Wenn bereits die Eltern geschieden wurden, erhöht sich das Risiko der Trennung. Die Scheidung wird eher als Mittel der Konfliktlösung akzeptiert.

Ein Ehevertrag ist für den Bestand einer Ehe eher gefährdend als schützend. Da die Folgen geregelt sind, werden die Barrieren als weniger hoch angesehen.

Eine Heirat in der Kirche kann schützend für die Ehe sein. Religiöse Menschen haben Vorbehalte gegen eine Scheidung. 

Vielleicht sind es die Beispiele der lange anhaltenden glücklichen Partnerschaften, vielleicht zeichnet sich nach Jahren der zerbröselnden Partnerschaften ein erneuter Gezeitenwechsel ab: Die jungen Männer in Deutschland wollen wieder verstärkt ein Leben mit der Familie, mit der eigenen Familie. Geradezu sprunghaft stieg der Wunsch nach Kindern bei den jüngeren Männern an. Mehr als zwei Kinder sind erwünscht – das ist deutlich mehr als in allen anderen europäischen Ländern. 2001 gaben bei einer Untersuchung der Europäischen Kommission die Männer in Deutschland einen durchschnittlichen Kinderwunsch von 1,7 Kindern an. Aktuell steht das Wunschbarometer bei 2,2 Kindern, und zwar bei Männern und Frauen gleichermaßen. Offenbar gibt es so etwas wie einen neuen familiären Optimismus. Und Vertrauen in eine lange anhaltende Partnerschaft.

In der nächsten Folge lesen Sie: Verlust der Autorität – Veränderte Erziehungsmodelle – Die Wiederentdeckung des Laufstalles

 

Familienmenschen und andere

Hannelore „Loki“ Schmidt (* 3. März 1919 in Hamburg) kann aus Erfahrung sagen, was für eine langjährige Ehe förderlich ist. Schließlich ist sie seit 1942 mit Helmut Schmidt, dem früheren Bundeskanzler, verheiratet. Und verbunden ist sie mit ihm schon sehr viel länger. „Mein Mann und ich“, erinnert sie sich, „sind 1929 zusammen in eine Schulklasse gekommen und wir waren von Anfang an befreundet, obwohl er damals körperlich sehr klein war und ich war die Längste in der Schule.“ Nach der Schule studierte Loki Schmidt, von 1940 bis 1974 unterrichtete sie in Hamburg an Volks- und Hauptschulen. Das Ehepaar Schmidt hatte zwei Kinder. Der 1944 geborene Sohn Walter starb noch vor seinem ersten Geburtstag. Hannelore Schmidt erlitt fünf Fehlgeburten, verursacht durch die damals noch unbekannte Infektionskrankheit Toxoplasmose. Durch ihren Einsatz für gefährdete Pflanzen erwarb sich Hannelore Schmidt bleibende Verdienste. Über Liebe und Partnerschaft sagt sie: „Es gibt Verliebtheit, und es gibt Liebe. Liebe ist etwas, das sehr langsam wächst und das gut gepflegt werden muß, von beiden Seiten. Aber es lohnt sich.“

Ovid (* 20. März 43 v. Chr. in Sulmo; † 17 oder 18 n. Chr. in Tomis) ist unter diesem Namen als römischer Dichter bekannt. Sein vollständiger Name  lautete Publius Ovidius Naso. In seinen Dichtungen beschäftigte er sich – wie man heute sagen würde – intensiv mit den Beziehungen der Geschlechter zueinander. Eines seiner bekanntesten Werke ist  „Ars amatoria“ (Liebeskunst). In diesem Lehrgedicht wird die Liebe als zu erlernende Kunst dargestellt. Die beiden ersten Bücher wenden sich an die Männer, das dritte Buch des Bandes enthält Ratschläge für die Frauen. Vermutlich war dieses Gedicht der Grund, aus dem Kaiser Augustus Ovid im Jahr 8 n. Chr. in die Verbannung nach Tomi am Schwarzen Meer, dem heutigen Constanta, schickte. Jedenfalls vermutete Ovid selbst „carmen et error“ – ein Gedicht und ein Irrtum seien Anlaß für die Verbannung. Die erotisch lockeren Darstellungen in den „Ars amatoria“ müssen für die strenge Moralauffassung des Kaisers ein Ärgernis gewesen sein, zumal Augustus gerade bemüht war, die traditionellen Begriffe von Ehe und Familie wieder in Kraft zu setzen. Die Sache mit dem „error“ (dem Irrtum) ist nie aufgeklärt worden. Er habe etwas gesehen, deutete Ovid an, was er besser nicht gesehen hätte. Möglicherweise war es der Ehebruch der Enkelin des Kaisers, Julia. Auch sie wurde von Augustus in die Verbannung geschickt. Ovid, der Kenner der zärtlichen Bande, heiratete früh, doch die beiden ersten Ehen scheiterten. Mit seiner dritten Frau aber blieb er bis an sein Lebensende verheiratet. Zu den vielen Werken, die Ovid verfaßte, und zu denen auch Abhandlungen über das Schminken und den Fischfang gehören, schrieb er auch „Remedia amoris“. Und das ist nun gewissermaßen das Gegenstück zur „Ars amatoria“ – das Heilmittel gegen die Liebe.

Foto: Alte Liebe rostet nicht: Vertrauen und Gleichberechtigung sind die Eckpfeiler.


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