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16.02.08 / Das Land der roten Wüste / Auf deutschen Spuren in Namibia

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-08 vom 16. Februar 2008

Das Land der roten Wüste
Auf deutschen Spuren in Namibia
von Thomas Winzker

Viel Land um nichts“ ist der erste Gedanke bei der Landung in Namibias Hauptstadt Windhoek. Scheinbar endlos dehnt sich karges Land in alle Richtungen aus, in sämtlichen Erdtönen, mit spärlichem Grün durchwirkt. Der Frühling hält im Oktober Einzug, aber noch beherrscht die Trockenheit das Land. Dies sei die beste Reisesaison, sagte man, obwohl es auf den ersten Blick nicht so erscheint.

Windhoek eine afrikanische Metropole? Weit gefehlt. Die Hauptstadt gleicht eher einem verschlafenen Nest, wo die Bürgersteige bereits vor Einbruch der Dunkelheit hochgeschlagen werden: Ladenschluß spätestens um 17 Uhr. So begnügen die meisten Touristen sich mit den Sehenswürdigkeiten, allem voran, den Zeugnissen deutscher Kolonialvergangenheit: die weiße Feste mit deutschem Reiterdenkmal, die wilhelminische Christuskirche, der ehrwürdige Tintenpalast (die gründliche deutsche Bürokratie hat hier unendlich viel Papier verschrieben …), ein bescheidener Uhrturm. Schnell hat man die Runde gemacht, und die Einkehr in ein deutsches Restaurant bietet sich an. Sehr hübsch anzusehen ist das „Gathemann“, ein Jugendstil-Tempel vom feinsten: Springbock-Ragout und Oryx-Steak, serviert mit Spätzle, dazu ein „Windhoek“-Bier – nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut. Windhoek ist sicher nicht der erste Grund, Afrikas Südwesten zu bereisen. Doch es ist der erste Tag, und man muß ja klein anfangen. Und wo auf der Welt gibt es eine Bismarckstraße, die sich mit der Fidel Castro-Straße kreuzt!

Die Rundreise führt zunächst Richtung Süden. Hier, am Rande der rotfarbenen Kalahari erwartet den Reisenden der erste Höhepunkt. Inmitten bizarr verstreuter, sich auftürmender Felsbrocken, die zu Recht den Namen „Spielplatz der Giganten“ tragen, wachsen nicht wenige eigentümliche Pflanzen, die es nur hier gibt: die Köcherbäume, eine Aloen-Art, die wie Skeletthände in den Himmel ragen. Entzückend anzusehen sind die drolligen Erdmännchen, die, obwohl sonst sehr scheu, sich hier an die Menschen gewöhnt haben. Noch weiter im Süden wartet das wüste Land mit dem zweitgrößten Canyon der Welt auf. Von oben läßt sich die tief in die Berge eingegrabene Flußschleife des Fish Rivers gut betrachten. Leider pfeift ein eisiger Wind aus den Schluchten hoch. Sogar etwas Schnee fällt. Normal im Frühling? Nein, die Klimaveränderung ist auch hier spürbar. Die Fahrt durch weiße Wüsten nach Lüderitz erwärmt die Glieder wieder. Unwirklich liegt das vergessene deutsche Städtchen an der Skelettküste, vom einstigen Diamantenfieber keine Spur mehr, doch liebevoll restaurierte deutsche Architektur allenthalben. Deutsche Vergangenheit ist hier viel spürbarer als in der Hauptstadt, vor allem in Kolmanskop, der Geisterstadt nahe Lüderitz, die mehr und mehr von den Dünen verschluckt wird: Deutsch-Wildwest statt Deutsch-Südwest! Was mag einem deutschen Auswanderer durch den Kopf gegangen sein, als er sich in dieser lebensfeindlichen Gegend wiederfand?

Die ersten rosarot leuchtenden Dünen in der Ferne sieht man im Naukluft-Nationalpark, der sich entlang der gesamten Küste in den Norden zieht. Faszinierende weite und menschenleere Landschaften begleiten uns bei Tagesfahrten, die selten unter 400 Kilometern sind. Namibia ist eben doppelt so groß wie Deutschland. Sicher einer der Höhepunkte ist Sossusvlei im Herzen der Namib: Terrakottafarbene Dünen türmen sich hier zu ungeahnter Höhe auf, die sich wunderbar gegen den Azur-Himmel absetzen. Dazwischen das beginnende Grün hartnäckiger Bäume, weiß-sandige Flußläufe, die sich alle paar Jahre auf wundersame Weise füllen, und flüchtende schwarz-graue Oryxe, die elegantesten unter den Antilopen und Namibias Nationaltier.

Sossusvleis Dünen-Meer gehört zur schönsten aller Wüsten – und ist allein schon eine Reise wert. Froh ist allerdings der Urlauber, der sich den Sand im Pool der Namib-Desert Lodge abspülen kann. Die Herberge ist am Fuße einer monströsen versteinerten Düne gelegen – übrigens ist diese Wüste die älteste der Welt.

Die Fahrt nach Swapokmund, der dritten „deutschen Stadt“, führt vorbei an einer botanischen Sensation: die Welwitschia mirabilis, einem wahrlich seltsamen Gewächs. Das „lebende Fossil“ bildet in seinem bis zu 1500 Jahre (!) währenden Leben ganze zwei Blätter aus, die unaufhörlich wachsen. Auch so kann man sein Dasein fristen … Swapokmund ist im übrigen die Sommerfrische der Windhoeker: der stetige Nebel, der vom eiskalten Meer aufsteigt, sorgt für ein auch in den unerträglich heißen Südsommermonaten für ein angenehm kühles Klima. Büßen muß man dies allerdings mit dem meist grauen Himmel. Restaurants, Häuser, Denkmale und Straßen mit deutschen Namen zeugen auch hier von der deutschen Vergangenheit. Einige der Bewohner weigern sich hartnäckig, eventuelle Namensänderungen hinzunehmen. So ziert so manches Haus noch immer das Straßenschild „Kaiser Wilhelm Straße“, obwohl es die schon längst nicht mehr gibt. Keinesfalls versäumen sollte man das interessante Aquarium, einen Strandspaziergang an der Skelettküste, wo rostige Wracks liegen, die an eine unbarmherzige See gemahnen, und Cape Cross, nördlich der Stadt gelegen, wo sich unzählige Seehunde tummeln, die sich durch die Besucher in keinster Weise stören lassen.

Östlich von Cape Cross beginnt das Damara-Land. Nun ändert sich die Landschaft dramatisch. Zwar immer noch sehr trocken, schließt sich die Pflanzendecke zusehends, werden aus niedrigen Büschen Bäume, dazwischen vereinzelt Oryxe, Warzenschweine, Strauße, Paviane und Bergzebras. Und man sieht endlich Menschen, Herero, Damara, Himba und andere Stämme, das haben wir im Süden Namibias schmerzlich vermißt. Hier ist Namibia Schwarzafrika, wie wir Deutschen es uns vorstellen. Der Berg Twyfelfontein weist Spuren früherer Besiedlung – uralte Felsritzungen nomadisch lebender Völker – und weitere Besonderheiten auf, wie Basaltsäulen, die wie Orgelpfeifen aussehen und versteinerte Baumstämme, die noch Äste, Rinde und Jahresringe erkennen lassen.

Dann ist es soweit: der in einer riesigen Salzpfanne gelegene Etosha-Nationalpark, einer der tierreichsten Afrikas, der einen Vergleich mit der Serengeti, dem Ngorongoro-Krater und dem Krüger-Park nicht zu scheuen braucht. Neben den Sossuvlei-Dünen sicher die spektakulärste Sehenswürdigkeit des Landes. Jetzt in der Trockenzeit kurz vor den ersten Regenfällen, drängt sich das Großwild an den wenigen verbleibenden Wasserstellen: riesige Zebraherden, die wundervoll mit der knochenfarbenen Landschaft korrespondieren, vorsichtige Giraffen, die nirgends so gut zu beobachten sind, riesige Springbock-Herden, die bei der Flucht die aberwitzigsten Sprünge vollführen, Oryxe, Gnus, Kuhantilopen, Impalas, Dik-Diks, Warzenschweine, Geparden, Hyänen, Strauße, Paradieskraniche, Riesentrappen … Und natürlich die Krönung einer jeden Safari: Elefanten und Löwen in großen Familienverbänden, und die Einzelgänger Leoparden und Nashörner. Nur Büffel gibt es keine zu sehen: aus Wassermangel gibt es sie hier nicht.

Foto: Beeindruckend: Neben der deutschen Architektur fasziniert auch die artenreiche Tierwelt.


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