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23.02.08 / Integration auf Türkisch / Nicht alle Einwanderergruppen passen sich problemlos dem deutschen Schulsystem an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-08 vom 23. Februar 2008

Integration auf Türkisch
Nicht alle Einwanderergruppen passen sich problemlos dem deutschen Schulsystem an
von Rebecca Bellano

Ich denke, das Problem existiert in der dritten Generation nicht mehr“, sagt Aylin Selcuk selbstbewußt in die Kamera, als es darum geht, die Forderung des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan nach türkischen Schulen in Deutschland zu kommentieren. Die junge Türkin ist Gründerin der „Deukischen Generation e. V.“, die den Standpunkt vertritt, daß sich die dritte Generation der damaligen Einwanderer mittlerweile von dem Rollenbild des Migranten losgelöst hat und sich als ein fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft sieht. Und für sich und ihre Freunde, die wie sie Berliner Gymnasien besuchen oder schon studieren, hat die junge Aylin recht, allerdings stellt sie eine Minderheit dar, denn türkischstämmige Jugendliche sind an Gymnasien unterrepräsentiert, sogar an Realschulen sind es weniger, als es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht. Dafür sind in Deutschland geborene Kinder türkischstämmiger Eltern an Hauptschulen überrepräsentiert.

Daß etwas dagegen unternommen werden muß, daß gerade Jugendliche mit türkischen Wurzeln kaum höhere Schulabschlüsse anstreben, häufig sogar ohne Hauptschulabschluß die Schule verlassen und dann auch keinen Ausbildungsplatz erhalten, ist kein neues Problem. Leider hat es hierfür bisher noch keine überzeugenden Lösungen gegeben. Der Vorschlag des türkischen Ministerpräsidenten, türkische Schulen zu gründen, damit die jungen Menschen in ihrer Muttersprache eine höhere Schulbildung erreichen können, ist allerdings höchst umstritten. „Wir haben ein Bildungsproblem, weil wir es vor allem mit Nachkommen bildungsferner Menschen zu tun haben, die auch in der Türkei als bildungsfern gelten. Das Problem kann man nicht lösen, indem man hier türkische Schulen aufbaut“, wehrt die türkischstämmige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün den Vorschlag ab. Wenn man türkische Kinder auch noch vollständig von ihren deutschen Mitschülern trennen würde, würde dies das Problem nur verschlimmern.

Und die Realität gibt der Integrationsbeauftragten recht, denn nicht umsonst sind gerade jene Schulen besonders verschrien, in denen der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund besonders hoch ist. Die skandalträchtige Berliner Rütli-Schule hat einen Ausländeranteil von über 80 Prozent.

Abgesehen davon würde ein türkischer Abschluß, mag er auch noch so hoch sein, von dem deutschen Arbeitsmarkt kaum angenommen werden. Deutsch ist nun einmal Landessprache und somit Schlüssel für eine gelungene Integration. Zwar schadet muttersprachlicher Unterricht nicht, so der Mannheimer Soziologe Hartmut Esser, doch: Bilingualität biete im Vergleich zu sprachlicher Assimilation Einwanderern keinen Vorteil. Bestenfalls sei sie nicht von Nachteil, so der Wissenschaftler. Doch Assimilation wird offenbar von vielen nicht angestrebt, nicht von ungefähr jubelten Tausende Deutsch-Türken Erdogan zu, als er Assimilation als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnete. Das wiederum führt bei vielen Deutschen zu einem unguten Gefühl, denn auch wenn Überfremdungsängste als unfein und rechtsradikal abgetan werden, so lösen Bilder von türkischstämmigen Deutschen, die lieber Erdogan als ihrer Bundeskanzlerin Merkel zujubeln, ein mulmiges Gefühl aus. Kommt dann auch noch die Tatsache hinzu, daß von türkischer Seite empfohlen wird, türkische Schulen einzurichten, also mehr Türkisch statt Deutsch zu lernen, dann wird es sogar zahlreichen SPD-Politikern zu gewagt. „Wir brauchen keine türkischen Gymnasien in Deutschland, sondern mehr türkische Schüler in deutschen Gymnasien“, meldete sich Sebastian Edathy zu Wort.

Auch die baden-württembergische SPD-Vorsitzende Ute Vogt sprach sich dagegen aus, allerdings sorgte sie mit ihrem Vorschlag, Türkisch als zweite Fremdsprache anzubieten, für Wirbel. Da junge Menschen mit türkischen Wurzeln zumeist Türkisch können, hilft ihnen das Fach als Fremdsprache an der Schule nicht weiter. Sollen jetzt also deutsche Kinder Türkisch lernen, damit sie sich mit ihren türkischstämmigen Mitschülern unterhalten können? Da die Idee nicht neu ist, gab es sogar bereits Schulen, die Türkisch als Wahlfach angeboten haben, aber die Resonanz der deutschen Schüler in Berlin und Frankfurt / M. war so gering, daß die Kurse gar nicht zustandekamen. Und auch die Wirtschaft, die Ute Vogt ausdrücklich angesprochen hat, schließlich würde der Handel mit der Türkei immer wichtiger, sieht „keine Veranlassung für die Etablierung von Türkisch als verpflichtende zweite Fremdsprache“. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag ist der Meinung, daß für jene Außenhandelsaktivitäten genügend türkischstämmige Arbeitskräfte vorhanden seien.

Die Tatsache, daß die Befürworter türkischer Schulen damit argumentieren, jene Einrichtungen würden den Familien die Angst vor dem Verlust der eigenen kulturellen Tradition nehmen, offenbart Beängstigendes. Anscheinend gibt es noch viele Menschen, die, obwohl schon in der zweiten und dritten Generation in Deutschland lebend, noch nicht hier angekommen sind.

Foto: Erdogan in Köln: Tausende junge Deutsch-Türken jubelten dem türkischen Ministerpräsidenten zu.


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