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23.02.08 / Die Schätze der Könige / Spektakuläre Neufunde führten zur umfangreichsten Skythen-Ausstellung aller Zeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-08 vom 23. Februar 2008

Die Schätze der Könige
Spektakuläre Neufunde führten zur umfangreichsten Skythen-Ausstellung aller Zeiten
von Helga Schnehagen

Es ist nicht das erste Mal, daß die sagenhaften Gold-Schätze der Skythen auf Europa-Tournee gehen und dabei auch Hamburg besuchen. Doch die Mammutausstellung, die – nach Berlin und München – im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen ist, zeigt erst- und vorläufig letztmalig die Kultur aller skythischen Stämme, die lange vor unserer Zeitrechnung die Geschichte des eurasischen Steppenraums prägten. Museen und Institutionen aus Deutschland, dem Iran, Kasachstan, Rumänien, verschiedenen Teilen Rußlands, der Ukraine und Ungarn beteiligen sich mit insgesamt über 6000 Leihgaben – fast alles Originale – an dem Unternehmen. Einen umfassenderen Blick auf die Welt der antiken Reiternomaden hat es noch nie gegeben!

Von 850 bis 200 vor Christus durchstreiften die Skythen die unendlichen Steppen vom Altai-Gebirge bis auf die Krim, vom Jenissej bis zur Oder, um danach im Dunkel der Geschichte zu verschwinden.

Spurlos geschah dies jedoch nicht. Von der äußeren Mongolei über Sibirien bis zum Schwarzen Meer hinterließen sie mächtige Grabhügel, sogenannte Kurgane, die einen Durchmesser von 120 und eine Höhe von 20 Metern und mehr erreichen konnten. Starb ein König oder Fürst, wurde er unter größtem Aufwand bestattet.

Dabei konnten ihn nicht nur die Lebenspartnerin und das Lieblingsroß begleiten, sondern auch der Hofstaat mit bis zu 50 Bediensteten und die berittene Leibgarde mit zum Teil ebenso vielen der schönsten Pferde.

Wie freiwillig sich das Gefolge erdrosseln ließ, ist nicht überliefert. Denn Schrifttum war den Skythen fremd. Nur in Herodots „Historien“ aus der Zeit von 450 v. Chr. findet man zeitgenössische Berichte über das ebenso prunksüchtige wie barbarische Reitervolk.

Die Erforschung der Skythen-Gräber begann erst im 18. Jahrhundert. Neufunde aus den letzten Jahren haben das Bild seiner Kultur auf spektakuläre Weise erweitert. Deutschland war daran nicht unbeteiligt. 1995 wurde Hermann Parzinger als Gründungsdirektor der Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts nach Berlin berufen. In dieser Position nahm der Archäologe zusammen mit seinen in- und ausländischen Kollegen an diversen Ausgrabungen teil.

Zur Sensation wurde dabei die 2004 endgültig abgeschlossene Untersuchung eines Grabhügels im „Tal der Könige“ von Arzan in der südsibirischen Republik Tuva, nahe der russisch-mongolischen Grenze. Mit etwa 9300 Objekten – nicht gerechnet die zahllosen Perlen –, von denen über 5600 aus Gold bestehen, ist der herausragende Komplex zweifellos in einem Atemzug zu nennen mit dem Grab des Tutanchamun. Zusammen mit den bedeutendsten Prunkinventaren skythenzeitlicher Fürstengräber anderer Regionen steht er im Mittelpunkt der Ausstellung.

Weitere sensationelle Neufunde mit eindrucksvoll erhaltenen Mumien haben die Dauerfrostböden in den Höhen des Altai-Gebirges, das Rußland, China, die Mongolei und Kasachstan durchzieht, hervorgebracht und mit ihnen Orte ins Rampenlicht gerückt, die nicht auf allen Karten zu finden sind. In den 1940er Jahren öffneten russische Archäologen in der Nähe des Dorfes Pazyryk eine der größten und reichsten Eisbestattungen.

50 Jahre später wurde die Ausgrabung in 2500 Meter Höhe auf dem Ukok-Plateau im äußersten Süden der kleinen, halbautonomen Republik Altai zur Sensation. Im Sommer 1992 taute man auf dem Friedhof von Ak-Alacha die Mumie einer ganz allein bestatteten jungen Skythin auf. Das Eis hatte ihre Tätowierungen ebenso bewahrt wie Teile der Kleidung. Jüngster spektakulärer Erfolg in Sachen Mumiensuche ist die Entdeckung des Kriegers von Olon-Kurin-Gol auf der mongolischen Seite des Altai-Gebirges. Ende Juli 2006 fand ein internationales Wissenschaftler-Team um Hermann Parzinger die ebenfalls über 2500 Jahre tiefgekühlte Mumie eines blonden Kriegers. Der zwischen 30 und 40 Jahren alte Mann war in einen prachtvollen Pelzmantel gehüllt und mit vergoldeter Filzhaube, Hosen und Filzstiefeln bekleidet. Im Köcher trug er die Pfeile für seinen Bogen, am Gürtel Dolch und Streitaxt. Das Grab enthielt sogar Fleischreste und Geschirr.

Seit Mitte Dezember 2006 versucht ein internationales Wissenschaftler-Team unterschiedlichster Fachrichtungen mit den mo-dernsten Methoden, ihm auch sein letztes Geheimnis zu entlocken. Erste Ergebnisse werden frühestens in diesem Jahr erwartet. Neuste Erkenntnisse über Umweltbedingungen, Ernährungsgewohnheiten, Krankheiten und Verwandtschaftsbeziehungen der Skythen fließen schon jetzt in die Ausstellung ein.

Ausstellungsleiter Hermann Parzinger wird die Kultur der skythenzeitlichen Reiternomaden auch zukünftig nicht loslassen, wie er in einem Internet-Interview verriet. Selbst wenn seine Amtszeit als Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts (seit 2003) am 29. Februar endet und für ihn als neuem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ab 1. März Fragen der Kultur- und Wissenschaftspolitik und -organisation im Vordergrund stehen werden.

Die Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, 20099 Hamburg, ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr geöffnet, bis 25. Mai.

Foto: Kostbarkeiten: Goldener Halskragen mit szenischen Darstellungen aus dem Kurgan Tolstaja Mogila und goldener Aufsatz der Zipfelhaube des Mannes aus Issyk mit antithetischen Fabeltieren aus dem 6. bis 5. Jahrhundert v. Chr.


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