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23.02.08 / Vater des Schlieffenplans / Vor 175 Jahren kam der Chef des Großen Generalstabs zur Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-08 vom 23. Februar 2008

Vater des Schlieffenplans
Vor 175 Jahren kam der Chef des Großen Generalstabs zur Welt
von Manuel Ruoff

Alfred Graf von Schlieffen kam am 28. Februar 1833 in Berlin zur Welt. Sein Vater war hoher Offizier in der preußischen Armee und sein Großvater mütterlicherseits Rittergutsbesitzer. Vater wie Mutter standen der Herrnhuter Brüdergemeine nahe. Der Pietismus wird neben Adelsstolz denn auch als prägend für Schlieffen bezeichnet. Es war die Erziehungsanstalt der Brüdergemeine zu Nieskyb, in der Schlieffen seine erste Schulbildung genoß. Dort beurteilte man den Zwölfjährigen wie folgt: „Der Hauptzug seines Charakters ist eine große Schüchternheit mit einer leicht erregbaren Empfindlichkeit gemischt. Lange Zeit ist er in der Anstalt gewesen, ohne mit seinen Vorgesetzten sich bekannt zu machen. Er hat sehr gute Talente, ist in ihrer Ausbildung aber doch etwas durch ein ihm eigenes Phlegma zu­rück­gesetzt worden.“ Jahre später bescheinigt man dem Obersekundaner am Joachimsthalischen Gymnasium zu Berlin gleichfalls einen „Hang zu geistiger Trägheit, ja Schläfrigkeit“.

Es reicht jedoch für das Abitur, und Schlieffen schlägt die Berufslaufbahn seines Vaters ein. 1854 tritt er in die preußische Armee ein. 1858 wird er an die allgemeine Kriegsschule kommandiert, 1863 Generalstabsoffizier. Am Deutschen Krieg nimmt er als Hauptmann, am Deutsch-Französischen Krieg als Major teil. Als Soldat wird Schlieffen anfänglich ähnlich ambivalent beurteilt wie als Schüler. Der damalige Chef des Großen Generalstabs, Helmuth Graf von Moltke, schreibt 1871: „Major Graf Schlieffen wird durch seinen ritterlichen Charakter, sein taktvolles bescheidenes, zwar förmliches und abgeschlossenes Wesen, durch seine gewissenhafte Zuverlässigkeit wie durch seine ganze Persönlichkeit überall Anerkennung finden. Ich glaube aber nicht, daß der Generalstab sein eigentliches Element ist; es fehlt ihm die Lebendigkeit und Frische des Geistes, und seine übergroße Zurückhaltung dürfte im Gefühle dieser Mängel wurzeln. In der Front wird er ein ehrenhafter und tapferer Führer sein.“ Diese Mischung, Schlieffen als einen charakterlich guten Mann zu loben, ihn für die Aufgaben eines Generalstäblers jedoch ungeeignet zu halten, findet sich auch in Moltkes Beurteilungen der beiden darauffolgenden Jahre. Wieder wird Schlieffen mangelnde Entschlußfreudigkeit, wenn nicht gar Lustlosigkeit vorgeworfen.

1872 verliert Schlieffen seine geliebte Ehefrau. Es gibt die These, daß Schlieffen sich nach diesem schmerzlichen Verlust in die Arbeit gestürzt habe und nun den Beruf nicht mehr als Möglichkeit zum Unterhalt von ihm und seiner Partnerin begreift, sondern als sinnstiftende Berufung. Jedenfalls kommt Moltke 1875 auf einmal zu einem völlig anderen Urteil über Schlieffens Generalstabstauglichkeit: „Während der diesjährigen Übungsreise des Großen Generalstabes zeigte Major Graf Schlieffen so klares Verständnis und so richtiges Urteil, daß ich ihn – bei seinen allseitig anerkannten Charaktereigenschaften – für vollständig befähigt zum Chef eines Generalstabes erachten muß.“

Schlieffens Karriere im Großen Generalstab kann beginnen. So wird er nach diesem Lob nicht nur Kommandeur des 1. Garde-Ulanenregimentes in Potsdam, sondern auch Mitglied des Großen Generalstabes. Ab 1884 widmet er sich als Abteilungschef ganz der Arbeit im Großen Generalstab.

Auch Moltkes Stellvertreter ab 1882, Alfred Graf von Waldersee, weiß Schlieffen von seiner Eignung zu überzeugen. Als Waldersee 1888 Moltkes Nachfolger wird, wird Schlieffen sein Generalquartiermeister und damit Stellvertreter. Und als 1891 Waldersee in den Ruhestand versetzt wird, wird Schlieffen als dessen Nachfolger selber Chef des Großen Generalstabes. Diese Funktion behält er bis 1906. 72jährig tritt er in den Ruhestand. 1911 wird er mit der Beförderung zum Generalfeldmarschall geehrt. Am 4. Februar 1913 stirbt er in seinem Geburtsort Berlin.

 

Der Schlieffenplan

Alfred Graf von Schlieffen hat der Nachwelt etwas hinterlassen, das bis heute untrennbar mit seinem Namen verbunden ist und ihn selber an Berühmtheit weit übertrifft – den Schlieffenplan. Schlieffen entwickelte den Plan in seiner Amtszeit als Chef des Großen Generalstabes.

Schlieffen ging von folgenden Prämissen aus: Der nächste große Krieg ist angesichts des russischen Panslawismus und des französischen Revanchismus sowie des französisch-russischen Zweibundes ein Zweifrontenkrieg mit Rußland wie Frankreich als Gegnern. Rußlands Armee gleicht einer Dampfwalze. Sie kommt nur allmählich in Gang, aber wenn sie einmal in Gang ist, hat sie eine solche Kraft, daß Deutschland alle seine Kräfte braucht, um sie zu stoppen. Deutschland muß also Frankreich niederwerfen, solange die russische Dampfwalze noch nicht da ist, um dann im Westen den Rücken frei zu haben, wenn die Dampfwalze Deutschland niederzuwalzen droht. Für eine schnelle Niederwerfung Frankreichs fällt eine Offensive an der deutsch-französischen Grenze wegen des dortigen französischen Festungsgürtels aus. Soweit die im großen und ganzen durchaus realistische Lageanalyse Schlieffens.

Sein Plan sah nun vor – ähnlich einem Sichelschnitt – in die heutigen Beneluxstaaten einzumarschieren, um dann von dort aus, also vom Norden her, Frankreich anzugreifen. Das Gros des französischen Heeres sollte im Westen überflügelt und umfaßt werden und dann Richtung deutsch-französische Grenze getrieben werden, um schließlich dort umschlossen und vernichtet zu werden.

Bei Beginn des Ersten Weltkrieges war Schlieffen schon tot, aber sein Plan noch gültig. In der Praxis lief allerdings nicht alles nach Plan. Schlieffen hatte in der Einschätzung des französischen Revanchismus zwar wohl nicht unrecht, aber nach dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges tat Frankreich Deutschland nicht den Gefallen, diesem den Krieg zu erklären. Deutschland mußte also um des Schlieffenplans willen Frankreich den Krieg erklären und war damit formal der Aggressor. Der Einmarsch in das neutrale Belgien war ein Völkerrechtsbruch. Ihm folgte die britische Kriegserklärung. So lieferte das Reich dem Empire einen Grund, zumindest jedoch einen Anlaß, ihm den Krieg zu erklären. Das sind die kaum bestreitbaren politischen Nachteile des Schlieffenplanes.

Doch auch militärisch war der Schlieffenplan nicht ohne Tücken. Die russische Dampfwalze kam schneller in Bewegung, als es der Schlieffenplan vorsah. Den Deutschen gelang es jedoch unter Hindenburg und Ludendorff, mit minimalen Kräften den ersten russischen Ansturm nicht nur zu stoppen, sondern sogar zurückzuwerfen, so daß in der Tat das von Schlieffen eingeplante Zeitfenster zur Konzentration der Kräfte auf die Westfront bestand.

Dafür blieb die von Schlieffen geplante schnelle Niederwerfung Frankreichs aus. Nicht nur, daß der Zeitplan nicht eingehalten wurde, die Niederringung des Feindes im Westen gelang überhaupt nicht.

Der rechte Flügel der deutschen Westfront erfüllte nicht seine Aufgabe, das Gros der französischen Armee und Paris zu umfassen. Er kam vielmehr über den Norden Frankreichs nicht hinaus, und die Zangen-, die Sichelschnittbewegung wurde an der Marne durch das sogenannte Wunder an der Marne gestoppt.

Der Vollständigkeit und Redlichkeit halber darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß der Schlieffenplan nicht eins zu eins umgesetzt wurde. „Macht mir den rechten Flügel stark“, diese Forderung Schlieffens war das A und O seines Plans. Schlieffens Nachfolger als Chef des Großen General­stabes zu Beginn des Weltkrieges, Helmuth von Moltke, wagte es jedoch nicht, die Grenze zu Frankreich und zu Rußland in der vom Vorgänger geforderten Konsequenz zu entblößen, so daß der rechte Flügel nicht die ursprünglich vorgesehene Stärke erhielt. Vom Ausgang des Ersten Weltkrieges Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten und die Realisierbarkeit des Schlieffenplanes zu ziehen, ist also so ohne weiteres nicht möglich.                               M. R.

Foto: Generalfeldmarschall Alfred Graf von Schlieffen: „Viel leisten, wenig hervortreten – mehr sein als scheinen“


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