16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
01.03.08 / Fragwürdiger Sieg der Demokratie / Präsident Muscharrafs Partei verliert bei Parlamentswahlen in Pakistan – Bhutto-Partei gewinnt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-08 vom 01. März 2008

Fragwürdiger Sieg der Demokratie
Präsident Muscharrafs Partei verliert bei Parlamentswahlen in Pakistan – Bhutto-Partei gewinnt
von R. G. Kerschhofer

Kaum jemand vermag zu sagen, wieviele Personen bei Anschlägen und Zusammenstößen während des Wahlkampfs ums Leben kamen. In Erinnerung bleiben wohl nur die Attentate auf Benazir Bhutto – das gescheiterte bei ihrer Rückkehr nach Pakistan und das „geglückte“ Ende Dezember.

Die Wahlen selbst verliefen vergleichsweise ruhig, und trotz etlicher „Unregelmäßigkeiten“ scheint es keinen Wahlbetrug größeren Stils gegeben zu haben. Das jedenfalls schließt man daraus, daß die Partei von Präsident Muscharraf eine Niederlage einstecken mußte. Daß in islamistischen Grenzregionen Frauen am Wahltag vielfach am Verlassen ihrer Häuser gehindert wurden, mag man bedauern, ist aber unerheblich für das Resultat.

Von den 81 Millionen Wahlberechtigten gingen am 18. Februar nur 40 Prozent zu den Urnen – 2002 waren es noch 42 Prozent. 272 der 342 Parlamentssitze werden in Pakistan nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben. Die übrigen Sitze – reserviert für Frauen und Minderheiten – werden proportional den Parteien zugeordnet.

Wie aber sieht die Parteienlandschaft aus? Ausgangspunkt war einst die „Pakistan Muslim League“ (PML) von Staatsgründer Ali Jinnah. Es gab mehrere Spaltungen, deren wichtigste Produkte heute die PML-Q und die PML-N sind. Das „Q“ steht für „Qaid-i-Azam“, den Ehrentitel von Ali Jinnah, und diese PML-Q ist die Partei von Präsident Muscharraf. Bei der PML-N steht das „N“ für den Parteiführer Nawaz Scharif – womit man sich den Unterschied leicht merken kann. Die dritte Großpartei ist die „Pakistan Peoples Party“ (PPP), die „Bhutto-Partei“, die seit dem Tod von Benazir Bhutto theoretisch von ihrem in London studierenden 19jährigen Sohn Bilawal Bhutto Zardari geleitet wird, praktisch aber von dessen Vater, dem Bhutto-Witwer Asif Ali Zardari.

Nicht zuletzt dank des „Märtyrer-Tods“ von Benazir Bhutto wurde die PPP mit 113 Sitzen klarer Wahlsieger, gefolgt von der PML-N mit 84 Sitzen und der PML-Q mit nur 55 Sitzen. Daneben ziehen noch mehrere Kleinparteien ins Parlament ein. Einige Parteien hatten zum Wahlboykott aufgerufen – mit ein Grund für die niedrige Wahlbeteiligung.

PPP und PML-N haben sich bereits auf eine Koalition geeinigt. Ministerpräsident soll aber nicht der höchst zwielichtige Zardari werden, sondern Machdum Amin Fahim, der ein enger Vertrauter von Benazir Bhutto war. Das Hauptziel, zusammen eine Zweidrittelmehrheit zu erlangen und über ein Verfassungsgesetz Präsident Muscharraf abzusetzen, wurde aber verfehlt. Und um es doch noch zu erreichen, müßte man mindestens zwei weitere (islamische) Kleinparteien in die Regierung nehmen.

Außer dem Feindbild Muscharraf haben die „linke“ PPP und die „konservative“ PML-N kaum Gemeinsamkeiten. Nawaz Scharif hatte versprochen, die von Muscharraf gefeuerten Richter wieder einzusetzen, Zardari ist aber schon allein wegen der gegen ihn anhängigen Vorwürfe nicht sonderlich interessiert. Auch in der Gegnerschaft zu Muscharraf ist Zardari weniger deutlich, vermutlich weil er einem „Angebot“ zugänglich wäre. Die Wirtschaft, die unter Muscharraf zunächst hohe Wachstumsraten verzeichnete, aber durch die Unruhen Einbußen erlitt, kann von einer solchen Regierung wenig erhoffen. Hauptproblem ist heute die Inflation.

Die international gezeigte Schadenfreude über Muscharrafs Niederlage ist zwar eine demokratische Pflichtübung, aber der Demokratie, geschweige denn der Bevölkerung oder gar der Wirtschaft ist mit dem Wahlergebnis kaum gedient. Je mehr Parteien an der Regierung beteiligt sind, umso mehr Leute müssen mit Pfründen bedacht werden, das ist auch in Europa nicht anders. In Ländern wie Pakistan ist das Klientel-Unwesen aber noch viel stärker ausgeprägt und folglich auch die Zahl derer, die mit Begünstigungen bei Laune gehalten werden müssen.

Manches ist auch noch im Fluß: Opportunisten, die früher zur PML-Q überliefen, könnten wieder zurück zur PML-N. Umgekehrt könnte Muscharraf versuchen, Abgeordnete der PML-N zu kaufen, und dann ginge dies in einer Koalition seiner PML-Q mit der PPP aus. Für die USA, denen die Entwicklung in Pakistan im Magen liegt, wäre dies zweifellos die am wenigsten unangenehme Lösung. Und nicht zu vergessen: Der Präsident kann laut Verfassung jederzeit das Parlament auflösen oder den Ministerpräsidenten absetzen.

Foto: Von Gewalt überschattet: Benazir Bhutto war nicht das einzige Opfer.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren