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08.03.08 / Kampf dem Schleier / In der Türkei ist das Kopftuchverbot gefallen, doch die Eliten wehren sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008

Kampf dem Schleier
In der Türkei ist das Kopftuchverbot gefallen, doch die Eliten wehren sich
von Mariano Albrecht

Mit gleich zwei Verfassungsänderungen hat das türkische Parlament nun den Weg für die Aufhebung des Kopftuchverbots an Universitäten frei gemacht. 403 der 550 Abgeordneten stimmten für die Änderung des Artikels 10 der türkischen Verfassung, der die „Gleichheit vor dem Gesetz“ regelt, und des Artikels 42: „Niemandem darf sein Recht auf Erziehung und Bildung verweigert werden.“ Doch Trägerinnen von Kopftüchern bleibt der Zugang zu Universitäten und Bildungseinrichtungen auch nach dem Fall des Kopftuchverbotes in den meisten Fällen verwehrt, denn in der Verfassung heißt es auch: „Erziehung und Unterricht erfolgen im Sinne der Prinzipien und Reformen Atatürks“, und diese lassen keinen Platz für Kopftücher an Universitäten. Das Stück Stoff gilt in kemalistischen Kreisen als politisches Symbol der Islamisten.

Streng religiöse Studentinnen umgingen das Kopftuchverbot durch das Tragen von Perücken und Kapuzenshirts, doch es geht nicht nur um die Verhüllung der eigenen Haare nach islamischer Vorschrift, es geht um den Symbolcharakter.

Nachdem Staatspräsident Abdullah Gül seine Unterschrift für die Verfassungsänderung geleistet hatte, ging ein Aufschrei des Entsetzens durch die Reihen der säkularen Eliten des Landes. Den religiösen Eiferern blieb der Jubel im Halse stecken. Nur 18 von 115 Hochschulen des Landes ließen Frauen mit Kopftuch auf den Campus. An vielen Universitäten spielten sich tumultartige Szenen ab. An Universitäten in Ankara und Istanbul wurden Sicherheitsbeamte von wütenden Studentinnen beschimpft, dennoch: Kein Einlaß mit Kopftuch. Die Rektoren hatten das Sicherheitspersonal angewiesen, weiterhin auf das Kopftuchverbot zu pochen. Droht ein Aufstand der Rektoren?

Noch vor einem knappen Jahr hatte der Stabschef der türkischen Streitkräfte Yasar Büyükanit unverhohlen mit Putsch gedroht, sollten Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan und seine Partei der Gerechtigkeit (AKP) die Islamisierung des Landes vorantreiben. Die Sache hat Folgen: Während der Präsident des Hohen Hochschulrates, Professor Ziya Özcan, seine Rektoren aufforderte, die Verfassungsänderung umgehend durchzusetzen, hatte der Rat der Universitäten einstimmig beschlossen, Özcan zum Rücktritt aufzufordern. Die Verfechter des Laizismus in der Türkei befürchten die schrittweise Aufweichung des Kopftuchverbotes im gesamten Bereich der Gesellschaft. Könnten bald in Banken, Postämtern und Behörden verschleierte Frauen als Angestellte sitzen? Moderne Türkinnen befürchten gar, daß Kopftuchträgerinnen dann öffentliche Einrichtungen dominieren könnten und moderne unverschleierte Mitarbeiterinnen unter Diskriminierung zu leiden hätten.

Offensichtlich hat Erdogans AKP mit dem Fall des Kopftuchverbotes einen Testballon gestartet, denn auf das Kleingedruckte kommt es an.

Mit der Durchführungsbestimmung zur Verfassungsänderung wollte man sich offenbar eine Hintertür offenhalten und die Durchsetzung an die Hochschulrektoren delegieren, doch die waren alle noch von Staatspräsident Güls Vorgänger Ahmed Necdet Sezer, einem kemalistischen Hardliner, eingesetzt worden und gelten als Kopftuchgegner. Die Rektoren berufen sich nun auf das Hochschulgetz, denn Erdogans AKP-Regierung hatte es unterlassen, die Durchführungsbestimmung auch in das Hochschulgesetz aufzunehmen. Selbst Ministerpräsident Erdogan räumte ein, daß er sich nicht sicher sei, daß die Aufhebung des Kopftuchverbots in der jetzigen Form juristisch Bestand habe.

Foto: Widerspenstig: Kaum eine türkische Hochschule läßt das Kopftuch zu.


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