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08.03.08 / Aber bitte nicht vor meiner Tür! / Der Ausstieg aus der Kernkraft erfordert neue Kraftwerke, doch der Neubau stockt, Stromlücke droht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008

Aber bitte nicht vor meiner Tür!
Der Ausstieg aus der Kernkraft erfordert neue Kraftwerke, doch der Neubau stockt, Stromlücke droht
von Rebecca Bellano

In Sachen Stromerzeugung mangelt es dem deutschen Bürger keineswegs an Informationen, doch oft widersprechen sie sich, so daß es nur schwer möglich ist, die Entwicklungen in der ungeliebten Energiebranche zu durchschauen.

Als Ende Februar der RWE-Chef Jürgen Großmann vor tagelangen Stromausfällen im Sommer warnte, zog ihm starker Gegenwind entgegen. Aus Politik, Klimaschutzlobby und aus der Ökostrom-Branche kamen die Stimmen, die seine Aussage als „Panikmache“ bezeichneten und darauf hinwiesen, daß es ja äußerst auffällig sei, daß Großmann das Thema auf die Tagesordnung setzte, als das hessische Verwaltungsgericht eine Laufzeitverlängerung des RWE-Kraftwerkes Biblis A verhandelte und negativ beschied. Außerdem sei Deutschland Netto-Strom-Exporteur. Obwohl im Jahr 2007 mehrere Kraftwerke aus unterschiedlichen Gründen vom Netz gehen mußten, habe es ein Stromüberangebot von 19 Terrawattstunden gegeben.

All diese Argumente haben durchaus ihren Wahrheitsgehalt, allerdings nennen sie nicht alle Fakten.

Und während auch der RWE-Chef ein Szenario entwirft, das nur die nahe Zukunft betrifft, und wenn es denn eintrifft, dann nur kurzfristig ist, so blicken andere durchaus sorgenvoll in eine etwas entferntere Zukunft. Dann, wenn aufgrund des beschlossenen Kernkraftausstiegs die Atomreaktoren vom Netz gehen. Bis 2020 muß ein Drittel des deutschen Kraftwerkparks ersetzt werden. Doch wie? Zwar soll die Stromgewinnung aus erneuerbarer Energie auf 30 Prozent erhöht werden, doch dann muß immer noch die große Masse von 70 Prozent aus Energieträgern wie Kohle und Gas gewonnen werden. Doch vor allem gegen Kohlendioxid-lastige Kohlekraftwerke gibt es Widerstand in der Bevölkerung. Niemand will so eine klimaschädliche „Dreckschleuder“ vor seiner Tür haben. Von den bundesweit 27 geplanten Braun- und Steinkohlekraftwerken haben aufgebrachte Anwohner bereits sechs gekippt, weitere Bürgerbegehren werden derzeit noch angehört.

Auch Gaskraftwerke erzeugen Kohlendioxid, wenn auch weniger. Ihr größter Nachteil ist jedoch die Abhängigkeit, in die Deutschland sich begibt, denn Rußland mischt fast überall mit. Selbst wenn das Gas nicht von dort kommt, so engagieren sich russische Konzerne an Pipeline-Projekten osteuropäischer Erdgasförderländer. Aber auch ohne Mittun der Russen steigt der Preis von Erdgas, da der Bedarf nach Strom weltweit steigt.

Eine Stromlücke droht auch noch von anderer Seite, denn wer kann versichern, daß der Anteil der Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien bis 2020 wirklich 30 Prozent ausmacht? Derzeit sollen es knapp 14 Prozent sein. Außerdem: Die besten Grundstücke für Windparks, die 45 Prozent des Öko-Stroms liefern, sind bereits vergeben. Außerdem wollen auch immer weniger Bürger ein Windrad vor ihrer Tür haben, selbst gegen Stromleitungen, die die Energie von abgelegenen Windparks in Ballungszentren liefern, wehren sich Umweltschützer.

Stromintensive Industriebetriebe, die sich überlegen, ob sie weiter in den Standort Deutschland investieren und Arbeitsplätze halten, schauen auch auf Stromversorgungssicherheit und den Strompreis. Und daß Öko-Energie trotz staatlicher Subventionen alles andere als günstig ist, kann selbst Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) nicht vertuschen. Und während Gabriel der deutschen Industrie besonders ehrgeizige Klimaschutzziele setzt, erhöht der von ihm vorgeschriebene Energiemix die Kosten pro Kilowattstunde zusätzlich. Während Strom aus Kernkraft und Kohle in der Erzeugung 2,5 beziehungsweise fünf Cent je Kilowattstunde kosten soll, soll Strom aus Windkraft und Biomasse mit neun beziehungsweise 14 Cent zu Buche schlagen. Die Betonung liegt auf „soll“, denn je nach Quelle können die Beträge variieren, die einen rechnen Subventionen ein, andere Atommüllendlagerkosten.

 

Saarland: Erdbeben gefährdet Versorgungssicherheit

Als am letzten Februarwochenende im Saarland zum 35. Mal in diesem Jahr die Erde bebte, zitterten nicht nur die 3600 Bergleute der Region. Der Steinkohleabbau wird für die Beben verantwortlich gemacht, diese wiederum gefährden die Sicherheit unter und über Tage. Während der saarländische Ministerpräsident einen sofortigen Abbaustopp anordnete und das Aus der Steinkohleförderung ankündigte und somit die Bergleute des wirtschaftlich schwachen Bundeslandes in die Arbeitslosigkeit schickte, stöhnte auch die saarländische Stromwirtschaft auf. Die Kraftwerke Bexbach, Ensdorf oder auch Fenne arbeiten mit heimischer Steinkohle, und da Steinkohle nicht gleich Steinkohle ist, kann man den Lieferstopp aus den heimischen Bergwerken nicht einfach mit Importen ausgleichen. Zwar kann man die Kraftwerke umrüsten, doch das kostet Zeit und Geld. Da die Reserven der heimischen Kohle nur wenige Wochen reichen, steht das Saarland vor einem Stromengpaß. Daß die Förderung der saarländischen Steinkohle in den nächsten Jahren auslaufen sollte, hatten sich die Energieerzeuger zwar schon auf den Import eingestellt, doch mit einem so plötzlichen Ausfall hatten sie nicht gerechnet. Der Energiekonzern RWE hatte immerhin schon für 2012 ein neues Kraftwerk geplant, doch die Bevölkerung hatte das Projekt per Bürgerentscheid gekippt.   Bel

Foto: Widerstand: Große Teile der Bevölkerung wehren sich gegen ein Kohlekraftwerk in ihrem Ort.


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