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08.03.08 / Ost-Deutsch (56): Schleife

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008

Ost-Deutsch (56):
Schleife
von Wolf Oschlies

Die deutsche Prinzessin Charlotte, Gemahlin des russischen Zaren Nikolaj I., führte 1817 in Rußland den Weihnachtsbaum ein, der 1850 zur „Neujahrstanne“ avancierte, ausgeputzt am liebsten „so slejfom“ (mit einer Schleife) an der Spitze. Allgemein bedeutet „slejf“ – kyrillisch mit dem Buchstaben „scha“ geschrieben, also „sch“ gesprochen – russisch (und ukrainisch) „Schleppe“, übertragen auch das, was einem anhängt, zum Beispiel ein „aromatnyj slejf“ (aromatischer Duft) oder die Erinnerung an üble Vorkommnisse, „slejf kotorych tjanetsja iz proslogo“ (deren Schleif aus dem Vergangenen herüberweht). Ein Staubschleier ist in wörtlicher Übertragung ein „slejf pyli“, eine Bildschirmstörung ein „slejf displeja“ und in der Technik benennt „slejf“ alles, was per Kontakt arbeitet: „slejf-galvanometr“, „slejf-oscilograf“ etc.

Ostslawen übernahmen also die Doppelbedeutung, die die mittelhochdeutschen Wörter „Schleife“ (geknüpftes Band) und „schleifen“ (glätten) hatten. Geschliffen mutet hierbei das Polnische an: Eine „szlufka“ ist (natürlich) eine Schlaufe, etwas mit „ostateczny szlif“ zu versehen, heißt, ihm den „letzten Schliff“ zu verpassen, „szlifowac znajomosc jezyka“ ist „Sprachenkenntnis zu schleifen“. Ähnlich halten es die sprachverwandten Weißrussen, die sich nur nicht einig sind, ob sie einen „slajf“ oder einen „slejf“ knüpfen. Bei Tschechen und Slowaken gibt es das Wort nicht, dafür bei Mazedoniern und Rumänen, wo „slajfuva“ beziehungsweise „lefui“ für schleifen, polieren stehen.

Ziemlich anders ist es mit der südslawischen „slajfna“ (die auch mit „sch“ gesprochen wird). Bei Serben, Kroaten, Bosniern etc. bezeichnet sie zunächst eine „traka“, ein Band. Altertümlich oder unter den „reci koje su upotrebljavale nase bake“ (Wörtern, die unsere Omas benutzten) ist  „slajfna“ eine Krawatte. Aber in der Mehrzahl aller Fälle steht „slajfna“ für eine Textseite in der Journalistik. Sie ist genau nach Zeilen, Wörtern und Anschlägen ausgezählt und wird auch so bezahlt, dito bei Übersetzungen: „slajfna i po“ (anderthalb Seiten) bringen soundsoviel.

Was es im Osten nicht gibt, ist „schleifen“ in der Bedeutung von überharter Soldatenausbildung. Sprachlich nicht, denn in der Sache waren die dortigen Armeen dafür berüchtigt. 


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