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08.03.08 / Weitaus mehr als ein Lebemann / Das Leipziger Museum der bildenden Künste zeigt Fotografien von Gunter Sachs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008

Weitaus mehr als ein Lebemann
Das Leipziger Museum der bildenden Künste zeigt Fotografien von Gunter Sachs

Wie kaum ein anderer hat Gunter Sachs die Entwicklungen der Kunst seit Ende der 1950er Jahre verfolgt und mit geprägt. Als Sammler, Museumspräsident, Galerist, Dokumentarfilmer und Fotograf. Aus nächster Nähe und stets mit untrüglichem Gespür für den Zeitgeist. Jetzt wird er mit einer Ausstellung im Museum der bildenden Künste in Leipzig gewürdigt.

Geboren wird Gunter Sachs 1932 auf Schloß Mainberg / Franken. Den größten Teil seiner Jugend verbringt er in der Schweiz, wo er verschiedene Internate besucht, Mathematik und Wirtschaft studiert, bis es ihn Mitte der 1950er Jahre nach Paris zieht. Fasziniert von der aufstrebenden Kunst- und Galerieszene der Seine-Stadt beginnt er, mit damals noch bescheidenen materiellen Mitteln, zeitgenössische Kunst zu sammeln. Mit Werken der Nou-veaux Réalistes, des Informel und bald auch der Pop Art legt er den Grundstock seiner Sammlung. 1972 zieht Gunter Sachs nach Hamburg, eröffnet die „Galerie an der Milchstraße“ und zeigt die erste umfassende Galerieausstellung von Andy Warhol in Europa. Eine Hauptrolle spielt die Moderne schon einige Jahre zuvor (1969), als Gunter Sachs in das Turmappartement des Palace Hotels in St. Moritz einzieht. Künstler und Modeschöpfer der Zeit gestalten nach ihren Vorstellungen das Interieur.

Die Aspekte des Modemachers Sachs, des Bestsellerautors oder Sportsmannes finden in der Leipziger Ausstellung zu ihren exponierten Belegen, als Dokumente eines außergewöhnlichen Lebensstils eines Mannes, der in den 1960er Jahren, besonders während seiner Ehe mit der französischen Schauspielerin Brigitte Bardot, von Journalisten sowie Paparazzi intensiv verfolgt und beschrieben wurde. Gunter Sachs beeinflußte durchaus die Kunst und Kultur unserer Zeit. Das Resultat ist ein lebendes Stück Kunst-Zeitgeschichte und ein Dokument des Lebensgefühls der Sixties.

Der museal gewordene Palace-Turm wird in der gesamten Kunstwelt bekannt. 1991 verläßt Gunter Sachs den Turm, und die Unikate des Appartements gelangen in ein Kunstlager. Für die Ausstellung  wurde die Palace-Wohnung nun erstmals vollständig rekonstruiert. Der Besucher kann sich in dem bewohnbaren Gesamtkunstwerk bewegen und das Lebensgefühl der ausgehenden 1960er Jahre nachempfinden.

Gunter Sachs ist jedoch nicht nur als Sammler und Vermittler der Kunst seiner Generation aktiv. Er beginnt in jenen Jahren auch sein eigenes künstlerisches Werk zu erarbeiten. Dabei widmet er sich zunächst dem Genre des Dokumentarfilms und dreht in rascher Folge von 1963 an fünf Kurzfilme, die in den Kinos als prämierte Vorfilme laufen und auf internationalen Festivals mit Preisen ausgezeichnet werden. 1969 folgte der abendfüllende Dokumentarfilm „Happening in White“ – mit extremen, bis dahin nie gezeigten Zeitlupenaufnahmen, die  heute nach 40 Jahren vertraut erscheinen. Mit Langzeit-Fotografiegeräten konnten bis zu 10000 Bilder pro Sekunde auf Zelluloid festgehalten werden. Die Geräte waren vom legendären Flugzeughersteller Marcel Dasseau entwickelt worden, um aus Kampfflugzeugen Geschoßlaufbahnen zu verfolgen. Diese spektakulären Aufnahmen, die nicht nur Wintersportfreunden ein besonderer Genuß waren, zeichnete das Internationale Olympische Komitee 1972 mit dem ersten Preis aus. Mit moderner Technik bearbeitet, ist in Leipzig zum ersten Mal ein Querschnitt des filmischen Werks von Gunter Sachs zu sehen, womit eine wichtige Etappe der Filmgeschichte und Bilderästhetik, aber auch der Technikgeschichte nachvollziehbar wird. Allerdings erkennt Sachs auch, wie ihn die immer aufwendigere Technik der Filmproduktion in seiner künstlerischen Bewegungsfreiheit einschränkt, was den Ausschlag gibt, sich vom Film zu trennen und der Fotografie zuzuwenden. Wie schon beim Dokumentarfilm erlernt er das fotografische Handwerk als Autodidakt und schafft binnen kürzester Zeit den Durchbruch als international anerkannter Lichtbild-Künstler. 1973 fotografierte er die erste Aktaufnahme für die französische „Vogue“. 1974 waren seine Bilder in der von Fritz Gruber organisierten Ausstellung „Aspekte der Fotografie“ auf der „Photokina 74“ zu sehen. In den darauf folgenden drei Jahrzehnten entsteht ein viel beachtetes Werk, in dem der Akt- und Landschaftsfotografie ein hoher Stellenwert zukommt und eine ästhetische Bildauffassung sowie der Surrealismus Regie führen. 1982 wurden seine Werke mit dem Leica-Preis ausgezeichnet. 1991 entstand die Serie „Heldinnen“ mit Claudia Schiffer. Neben die analoge trat die digitale Fotografie, und schon 1995 zeigte Sachs erste großformatige Werke mit ausschließlich digitalem Composing. Sein künstlerischer Werdegang als Fotograf ist mit annähernd 240 Arbeiten in allen wichtigen Etappen in Leipzig präsent und stellt seine Werke in aufschlußreiche Beziehungen zu Bildern aus seiner Kunstsammlung.

Gunter Sachs prägte und beeinflußte mit seinen vielfältigen Begabungen die Kunst und Kultur unserer Zeit. Sein Gespür für Mentalitäten und Zeitstimmungen und sein Anspruch auf höchste Qualität in der Umsetzung führten zu einem (noch lange nicht abgeschlossenen) Lebenswerk, das einlädt, an kreativen Phantasien teilzuhaben, sie als Orientierung anzunehmen und stets neue Entwürfe der Schönheit mitzuerleben.   mdbk

Die Ausstellung „Gunter Sachs – Die Kunst ist weiblich“ im Museum der bildenden Künste, Katharinenstraße 10, 04109 Leipzig, ist dienstags und donnerstags bis sonntags sowie feiertags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs von 12 bis 20 Uhr geöffnet, bis 22. Juni.

Foto: Meisterhaft: Das Foto trägt den Titel „Isodora Duncan“ (1877–1927) und erinnert an den tragischen Tod der US-amerikanische Tänzerin, die sich bei der Fahrt in einem offenen Wagen mit ihrem roten Schal in den Radspeichen des Sportwagens verfing und sich dabei das Genick brach.


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