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08.03.08 / Sollen Rentner kostenlos fahren? / Der Ärger um die Privilegierung älterer Königsberger beim Öffentlichen Personennahverkehr nimmt kein Ende

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008

Sollen Rentner kostenlos fahren?
Der Ärger um die Privilegierung älterer Königsberger beim Öffentlichen Personennahverkehr nimmt kein Ende
von Jurij Tschernyschew

Die ältere Dame, die auf dem Foto zu sehen ist, hält in den Händen die langersehnte Fahrkarte für alle Verkehrsmittel der Stadt. Um diese Fahrkarte zu bekommen, mußte sie in einer langen Schlange anstehen. Was kann man über die Fahrkarte sonst noch erzählen? Man geht zur Kasse, kauft sie und fährt los. Aber so einfach ist es nicht.

Diese Sozialfahrkarten gibt es in Königsberg seit einem Jahr. Bis dahin fuhren die Rentner, Behinderten und kinderreichen Familien kostenlos, das Zeigen eines entsprechenden Ausweises und des Passes reichte aus. Aber die Regierung hat dieses Privileg abgeschafft und stattdessen eine finanzielle Unterstützung eingeführt. Die Empfänger dieser finanziellen Unterstützung bekommen also das Geld und müssen beziehungsweise können sich dann davon eine Fahrkarte kaufen. Das gilt zumindest im Prinzip – denn Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Rentner von Königsberg mußten nämlich die Fahrkarte bezahlen, ohne dafür durch eine finanzielle Unterstützung entschädigt zu werden – und das, obwohl die Durchschnittsrente nur bei umgerechnet 80 Euro liegt.

Königsbergs Rentner waren jedoch nicht willens, dieses widerstandslos hinzunehmen. Die älteren Bürger organisierten Versammlungen und Mahnwachen vor dem Bürgermeisteramt und dem Regierungssitz. Königsbergs Legislative und Exekutive glaubten, einen Ausweg aus der Situation gefunden zu haben, indem sie jedem Rentner 400 Rubel (knapp elf Euro) zusätzlich zur Rente bezahlten, für die sie eine Sozialfahrkarte erstehen konnten. Zum Vergleich: Auf dem freien Markt kostet die günstigste Monatskarte 900 Rubel. Diese Regelung war für 2007 gültig, und damit war das Problem für jenes Jahr vom Tisch.

Seit der Ablösung des Bürgermeisters Jurij Sawenko durch Alexander Jaroschuk nach der letzten Wahl vom Dezember steht das Problem allerdings wieder auf der Agenda. Es wurde beschlossen, daß die Rentner fürs erste keine neuen Karten bekommen, sondern daß sie vielmehr für 400 Rubel am Schalter einen Stempel auf ihre alte Karte mit dem Schriftzug „Januar 2008“ erhalten. Erst ab dem 30. Januar konnte dann an den Kiosken die Sozialfahrkarte für den Februar erstanden werden. Die Folge waren riesige Schlangen an den Kassen.

Diese Geschichte könnte möglicherweise so weiter gehen, da die privaten Beförderungsunternehmen diese Sozialfahrkarten nicht anerkennen wollen. Sie fordern eine kräftige Erhöhung der Fahrpreise – auch für das Sozialticket.

Das Verkehrsministerium unterstützt diese Forderung, obwohl diese Preiserhöhung im Vergleich zu Verkehrsbetrieben anderer Städte unverhältnismäßig wäre. Gouverneur Georgij Boos hat sich insofern für einen Kompromiß zwischen den widerstreitenden Interessen entschieden, als die Preierhöhung nun kommen soll, aber erst im zweiten Quartal. So ist Königsbergs Rentnern wenigstens eine Scham- und Gnadenfrist gewährt.


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